Verzeihen macht stark

Darf ich vorstellen? Barbara, die die Schöne, Begabte und Starke! Da ich in den letzten Wochen über Trennungszeiten schrieb, schickte sie mir einige Texte, die sie dazu verfasst hatte und wow! ihre Texte haben mich umgehauen. Danke, Barbara, dass du dein Herz mit uns teilst.


 Verzeihen macht stark

Diese Worte habe ich damals aus der Zeitung ausgeschnitten, sie aufgeklebt und laminiert. Auch heute noch hänge ich sie immer wieder so auf, dass ich sie von meinem Bett aus gut sehen kann.

Die Psalmen sind voller Worte, die meinen Gefühlszustand treffend beschrieben: „ich bin welk, meine Gebeine sind bestürzt, meine Seele weigerte sich getröstet zu werden…“

Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass der Auslöser dafür, dass solche Worte zu meinen eigenen werden, der Mensch sein könnte mit dem ich mich am tiefsten und intimsten verbunden hatte, an dessen Seite ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Wie unendlich schmerzhaft war es, diesen mir vertrautesten aller Menschen als einen zu erleben, der mir „feind“ wurde durch sein Handeln. Ohne Zuflucht zu Gott zu nehmen, wie der Psalmist das vor seinen Feinden tat, hätte ich seelisch nicht überlebt. Ich war tödlich verwundet.

Das Schlimmste war der Verrat.

Meine Worte und Bilder dazu: “Die offene Wunde in mir ist so gross wie ein Wagenrad. Ich verstumme mit einem lodernden Feuer in mir, möchte mich verkriechen und nie mehr aufstehen. Ich bin lebensmüde…“

Von einem Freund liess ich mir sagen, dass Jesus auch Verrat am Kreuz getragen hat. Er wurde auch verraten – von einem seiner vertrautesten Freunde. Es hat ihn das Leben gekostet. Ich liess mir sagen, dass er mich deshalb versteht und ganz mitfühlen kann. Und, dass ich nicht daran zerbrechen muss, weil er auch den Verrat, den ich erlebt habe, getragen hat.
Ich liess es mir sagen. Ich habe mich immer wieder daran erinnert, es unter Tränen angenommen.

Über die Jahre nahm diese Wahrheit Gestalt an in mir. Ich bin zwar zerbrochen, aber nicht kaputt gegangen. Diese Wahrheit ist die Grundlage, auf der ich verzeihen konnte.

Und Verzeihen macht mich stark – und frei.

Nachtrag: Der Richter sagte, aus Sicht des Gerichtes sei unsere Scheidung eine „Wunschscheidung“: Alles anständig und einvernehmlich geregelt, keine Komplikationen.
So sah das von aussen aus.

– Barbara

Alles hat seine Zeit

So zwischendurch, weil mir das ganze Gerede über Trennung gerade etwas viel wird (und euch vielleicht auch), schieb ich diesen Text hinein, den ich auf dem Heimflug von unseren Herbstferien in Amerika schrieb. Wir verbrachten dort mit meiner ganzen Familie (15 Leute plus noch weitere 14 Verwandte) eine ganz wunderbare Woche am Strand und ich war anschliessend noch mit meinen Kindern bei meinen Eltern zu Besuch.

Ich schaue diskret auf die linke Hand meines Sitznachbars: ein Ring am Ringfinger. Ich atme innerlich auf. Kein Druck.

Ich schaue diskret auf meine linke Hand: kein Ring am Ringfinger. Ich seufze. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Meine Mutter wünscht mir so sehr einen Freund, einen zukünftigen Partner. Sie versteht nicht, warum die Männer vor meiner Tür nicht Schlange stehen. Und ganz ehrlich, manchmal verstehe ich es auch nicht – andererseits bin ich manchmal genauso froh darüber, dass da keine Männer Schlange stehen. Aber ich verstehe meine Mutter.

Ich habe eine Freundin, eine alleinerziehende Mutter von zwei Jungs, der ich auch einen Freund, einen zukünftigen Partner wünsche. Ich verstehe nicht, warum die Männer vor ihrer Tür nicht Schlange stehen. Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mir schon lange diese wunderschöne, stilvolle, begabte, lustige, gebildete und äusserst kreative Frau geschnappt. Sie ist die beste Ferienbegleitung, die ich kenne.

Was soll man da sagen? Alles hat seine Zeit. Geboren werden, wie auch das Sterben. Das Zusammensein, wie auch das Alleinsein, einen Ring am Finger tragen, wie auch keinen Ring am Finger tragen.

Und es ist gut so. Als Alleinerziehende ohne Partner machen wir Erlebnisse, die wir sonst nicht machen würden. (Gute und schlechte, aber für etwas gut sind alle beide.) In den Worten meiner Freundin (die Schöne, Begabte und Kreative): „Eigentlich können die anderen neidisch auf uns sein und auf das, was wir durchgemacht haben…“ Das war ihre Antwort als ich ihr den Link zum Lied „Ein Hoch auf uns“ schickte und darauf hinwies, dass wir gerade durch unsere Notzeit so überreich beschenkt worden sind, besonders, aber nicht nur mit Freundschaften. Deshalb: „Ein Hoch auf uns“ und auf diese Zeit! Was wir haben, hat nicht jede(r). Und alles hat seine Zeit.

Trennungszeit 4

Nach meiner Trennung fühlte ich mich blossgestellt und, ja, es gab Menschen um mich herum, die mich verurteilten, nicht immer mit dem was sie sagten, sondern auch mit dem, was sie nicht sagten. (Das funktioniert nämlich auch so rum und kenne ich nur zu gut von mir selber.) Mein Scheitern war öffentlich. Meine Schuld (weil nach der gängigen Meinung immer beide Schuld sind) war öffentlich.

Ich fühlte mich damals sehr geknickt. Diese Bezeichnung kommt sogar in der Bibel vor und ist eigentlich eine wunderbare Verheissung Gottes: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“.

Nur, wie macht man das, so von Mensch zu Mensch?

Ein Beispiel haben wir: Jesus zeigt in seinem Umgang mit der Frau, die im Ehebruch ertappt wurde, auf eindrückliche Art und Weise, wie wir mit Menschen umgehen können und sollen, die aus irgendwelchen Gründen entblösst vor anderen dastehen (und ich setzte mit diesem Beispiel Scheidung nicht mit Ehebruch gleich, sondern es geht mir um die Blossstellung, um die Verwundbarkeit der Betroffenen und wie Jesu damit umging).

In seiner Begegnung mit dieser Frau, deren Versagen so öffentlich war, die so entblösst vor einem Haufen Männer steht und so geknickt war, hält Jesus keine Predigt und stellt auch keine Fragen. Und eigentlich war das Gesetz (ich wiederhole: das Gesetz Gottes! also so etwas wie die höchste Instanz) sehr klar und verlangte, dass diese Frau gesteinigt werden sollte. Aber es fliegt kein Stein. Und schon gar nicht von Jesus – und er war die höchste Instanz. Aber seine wenigen Worte sind deutlich. Jesus wendet sich interessanterweise zuerst an die Männer: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

Erst nachdem er alle anderen anspricht, die in ihrer selbstgerechten Haltung dastehen und sich einer nach dem anderen ehrlicherweise davon macht, wendet er sich an die Frau. Ich kann mir seinen liebevollen Blick sehr gut vorstellen und auch wie die Frau die Liebe, Annahme und Vergebung in seinen Augen sehen konnte, noch vor er die Worte aussprach: Ich verurteile dich auch nicht…

Dieser Mann, dieser Gott, ist einfach erstaunlich.

Trennungszeit 3

Ich habe mir in den letzten paar Wochen viele Gedanken zu meiner Trennung und Scheidung gemacht (zu diesem Thema ein Seminar besucht und auch Artikel gelesen) und dazu drei Artikel verfasst. Da in meinem Freundeskreis Trennung gerade ein Thema ist, werde ich diese Artikel in den nächsten Wochen posten.

Als sich vor Jahren ein befreundetes Ehepaar getrennt hatte, war mein erster Gedanke: „Er (der Partner, der gegangen war) hat einfach aufgegeben“. Inzwischen, also seit meiner Trennung und Scheidung, reagiere ich auf solche Nachrichten viel differenzierter. Aber wie soll man reagieren, wenn man jahrelang der Meinung war, dass die Wiederherstellung einer Ehe immer möglich ist, wenn man nur will und mit Gottes Hilfe sowie so.

Ich war lange gefangen in meiner idealisierten Vorstellung von Ehe – und vom Glauben. In meiner ersten Ehe, die sehr gut war, musste ich mich auch nicht mit solch schwierigen Fragen rumschlagen (und das sage ich mit einem Augenzwinkern, denn); mein Mann war zwar am Sterben, aber unsere Beziehung war bis zum Schluss intakt. Unsere Ehe war tief, liebevoll, nicht ohne Schwierigkeiten, aber echt und echt gut. Ich bin inzwischen der Meinung, dass die Menschen, die nur eine gute Ehe kennen nicht wirklich oder kaum verstehen können, warum eine Ehe zerbrechen kann. Oder warum ein Mensch an seiner Ehe zerbrechen kann. Oder warum man am Ideal zerbrechen kann.

Inzwischen weiss ich, dass solche Dinge passieren können und passieren werden. Und ich habe gelernt es stehen zu lassen. Ich muss nicht alles zurecht rücken. Ich muss nicht tausend super gut gemeinte Ratschläge weitergeben. Ich kann lieben. Ich kann die betroffenen Personen wertschätzen. Ich kann auch meinen Mund halten, anstatt zu richten. Ich muss nicht urteilen, auch nicht durch mein Schweigen.

Folgendes Zitat habe ich irgendwo gelesen oder gehört, weiss aber leider nicht mehr wo:

„There are situations you can’t fix. You can just be there for someone. And sometimes that can be a lot harder than doing something.“

Also: „Es gibt Probleme, die man nicht lösen kann. Man kann nur für die betroffenen Menschen dasein. Und manchmal ist das viel schwieriger als etwas zu tun.“