Heilige Geduld

Ich habe wieder einmal alle Register gezogen:

Habe verständnisvoll zugehört, sie in den Arm genommen, getröstet, abgelenkt, es mit Essen und Rat versucht, dabei war mir danach das Kind zu schütteln und anzuschreien, wegzulaufen und mir das Gejammer – denn das war es – nicht länger anzuhören.

Nach meinen stillen und verzweifelten Gebeten für Weisheit (und Erlösung!) hatte ich immer noch keine Ahnung, was ich machen sollte, aber irgendwoher hatte ich die Kraft sitzen zu bleiben und mir zum gefühlten 957. Mal das Elend meiner Tochter anzuhören. Also doch so was wie eine Gebetserhörung.

Am Schluss sagte sie: „Also deine Geduld hätte ich auch gerne!“

(Und das gibt’s gratis dazu: Als ich kürzlich in meinen Notizen stöberte, stiess ich auf folgende Geschichte: Die bereits erwähnte Tochter war sechs Jahre alt und als sie in den Skiferien nach dem Duschen auf der Toilette sass, seufzte sie: „Es ist heilig auf dem WC.“ Ich fragte, ob sie ‚heimelig‘ meinte, den wir waren in einem alten Bauernhaus und das Bad war unter dem Dachwinkel mit Holz verkleidet. Da antwortet sie: „Es geht mir gut da zu sitzen“. Amen.)

Frühstück am See

Karfreitag und Ostersonntag sind vorbei, aber es ist noch nicht Auffahrt und genau in diese Zeit fällt die Geschichte vom Frühstück am See. Wie ihr vielleicht noch wisst, hatte Petrus Jesus drei Mal vor dessen Tod verleugnet. Als die aufregenden Tage der Kreuzigung und Auferstehung vorbei waren, ging Petrus wieder fischen – was hätte er denn sonst tun sollen? Nach einer erfolglosen Nacht auf der See – kein einziger Fisch war ins Netz gegangen – ruft Jesus ihm vom Ufer zu, er solle das Netz auf die andere Seite rauswerfen, worauf das Boot an der Unmenge von Fisch zu sinken droht. Petrus und seine Fischerfreunde schaffen es mit dem schweren Fang knapp an Land, wo Jesus mit einem Frühstück auf sie wartet.

Wenn ich diese Geschichte lese, springt mich förmlich die Andersartigkeit Gottes an. Es ist ja wohl klar, dass Petrus sich daneben benommen hat. Wir können es ja sogar verstehen; die Soldaten, die religiöse Führung, die tobende Menge, wer hätte sich da schon freiwillig als Jünger Jesu geoutet. Es war lebensgefährlich und das ist nicht übertrieben.

Als alles vorbei war und nachdem sich der Staub gelegt hatte, hätte ich jedoch Petrus zuerst einmal wissen lassen, wie enttäuscht ich von ihm bin. Und ich hätte ihm sicher nicht Frühstück gemacht. Ich meine, nur schon wenn mich meine Kinder aufregen, weil sie nicht so spuren wie ich will, bin ich versucht zu sagen: Du kriegst nichts zu essen. Und manchmal sage ich es sogar, aber meistens leise, weil ich genau weiss, dass es eine blöde Idee ist, und wenn sie nachfragen, was ich da in meinen Bart murmle, schaffe ich es gerade noch mir auf die Zunge zu beissen und „ist nicht wichtig…“ zu antworten.

Ich stelle wieder einmal fest: Gott ist anders. Das habe ich übrigens auf die „Jesus ist…“-Plakate geschrieben: Jesus ist…anders. Er ist so anders als ich, als wir. Er ist anders als meine Vorstellung davon, wie sich ein Gott zu benehmen hat. In meiner Vorstellung hätte er Petrus nämlich zuerst zurechtweisen müssen. Und dann hätte es noch Konsequenzen gegeben. Vielleicht hätte Petrus ein Wiederherstellungsprogramm durchlaufen müssen. Man muss schliesslich alles daran setzen, dass der Mann beim nächsten Mal standhafter bleibt und nicht so schnell die Verbindung zum Chef und der Firma abstreitet.

Aber Jesus ist eben anders. Egal, ob ich alles richtig mache oder nicht; Jesus macht mir Frühstück. Er möchte mir was zu essen geben, möchte, dass ich satt und gestärkt werde, er möchte, dass es mir gut geht. Zu so einem Gott gehöre ich gern.