Aus dem Munde der Unmündigen

Gott redet. Das weiss ich. Es gibt viele Geschichten in der Bibel in denen davon erzählt wird, wie Gott redet und das wiederum ist eine ganz interessante Sache. Meistens gebrauchte Gott dazu Menschen, aber einmal musste Gott auf einen Esel zurückgreifen, weil einer einfach nicht auf Gott hören wollte. In meinem Leben redet Gott durch ganz viel Verschiedenes: Mal ist es ein Igel, der die Strasse überquert, mal ist es mein Auto, ein Windstoss, oder eine Dentalhygienikerin. Wie ihr seht, sind es manchmal Worte in meinen Gedanken, manchmal (ich empfinde es eher selten) Worte aus dem Mund einer Person. Er ist sehr kreativ, dieser Gott. Und diesen Sommer sprach er sogar durch einen etwas angetrunkenen Mann zu mir.

Das war so: Kristina und ich mussten etwa eine halbe Stunde an einem fast verlassenen Bahnhof in Zürich auf unseren Zug warten. Neben uns wartete nur ein etwa 30-jähriger Mann mit seiner riesigen IKEA-Tasche voller Bierdosen und einem Sixpack Bierdosen neben der Tasche. Er trank langsam aber stetig eine Bierdose nach der anderen leer und fragte mich zwischendurch immer wieder mal, wie lange es noch ging, bis sein Zug in die gegengesetzte Richtung wohl kam. Ich gab immer brav Antwort und fing schon an ihm die Wartezeit mitzuteilen bevor er die Gelegenheit hatte zu fragen. Kurz bevor sein Zug eintreffen sollte, fing er an sich eine Zigarette zu drehen und rauchte gemütlich vor sich hin. Dann fuhr sein Zug ein. Einige Passagiere stiegen aus, einige (die inzwischen zu uns gestossen waren) ein und ich schaute mich nach dem jungen Mann um. Er drückte umständlich seine Ziggi aus und versuchte gleichzeitig Herr seiner vielen Bierdosen und Taschen zu werden. So wird das nichts, dachte ich, und ging hin um zu helfen. Er hatte die IKEA-Tasche fast in der Hand also griff ich nach dem Sixpack und stellte es in den Zugwagen. Er trottet/schwankte hinter mir her, stieg die Stufe hinauf und sagte mit einem breiten Lachen und ebenso breiter Fahne: „Du bisch en Schatz!“ Ha! Jetzt habt ihr es gehört. Das ist mal ein Wort.

(Als der Zug losfuhr, winkte er mir so lange zu, bis er mich nicht mehr sehen konnte :-))

Das sind wir alle

Alice: „Glaubst du, ich habe den Verstand verloren?“

Vater: „Ich fürchte, ja. Du bist übergeschnappt, hast eine Meise, bist nicht ganz bei Sinnen. Aber weißt du was? Das macht die Besten aus!“ (Alice im Wunderland)

 

Kürzlich im Supermarkt meines Vertrauens.

Eine Mutter: Zucchetti haben wir gern; suchen wir eine kleinere Packung.

Ihr Teenager-Sohn: Gell, ich bin immer noch psychisch krank?

Ich (nur in Gedanken): „Mein Lieber, vielleicht bist du noch psychisch krank, aber weisst du was? Das macht gar nichts. Wir haben alle irgendwo einen Sprung in der Schüssel. Einige verstecken es einfach etwas besser als andere.

Das Leben ist manchmal sehr hart und brutal. Was uns im Leben begegnet und womit wir fertig werden müssen, können wir selten steuern oder kontrollieren. Manchmal müssen wir lernen mit einer Not zu leben. Manchen Menschen gelingt das einigermassen, anderen gelingt es gar nicht und sie brauchen Hilfe und Werkzeuge, um überhaupt zu überleben. Das kann eine Klinik sein, ein Medikament oder es können auch andere Menschen sein, die jemanden auffangen und tragen. Aber so ganz alleine gelingt es uns, glaube ich zumindest, nicht wirklich.

Manchmal wird einem alles zu viel. Pubertät, Entscheidungen, Beziehungen, Familie, Schicksale. Das Leben ist nicht einfach und wird auch mit dem Alter nicht wirklich einfacher. Manchmal findet man nicht mehr alleine aus dem Nebel heraus. Manche Menschen verdrängen oder betäuben die Not, was aber langfristig nicht hilfreich ist. Oft sind die „kranken“ Menschen diejenigen, die auf das reagieren, was in der Welt krank ist. Sie sind „zu sensibel“. Es ist auch wirklich schwierig eine Not oder einen Schmerz auszuhalten und kann uns krank machen.

Vor allem aber brauchen wir einander. Wir können einander den Rücken stärken und einander in Verständnis begegnen. Wir können die Messlatte etwas tiefer ansetzen und Menschen Raum zum Atmen geben, Fesseln lösen und vermitteln: Ich seh dich. Du bist gut genug. Du bist wertvoll. Du bist geliebt. Ich mag dich.“

Am liebsten hätte ich den Jungen umarmt, aber das macht man hier nicht so und ich bin für so etwas auch viel zu schüchtern. Aber im Herzen hab ich ihn ganz fest gedrückt.

Alice: „Glaubst du, ich habe den Verstand verloren?“

Vater: „Ich fürchte, ja. Du bist übergeschnappt, hast eine Meise, bist nicht ganz bei Sinnen. Aber weißt du was? Das macht die Besten aus!“ (Alice im Wunderland)

Schwul

Dieser Text liegt schon länger in der „Schublade“ und nachdem ich den Film „Dallas Buyers Club“ gesehen habe, drängt es mich ihn hier zu veröffentlichen.

Kürzlich (also inzwischen schon fast ein Jahr her… wie die Zeit doch vergeht) um 8.00 h in unserem Hauseingang.

Kollegin von Kristina: Der Fotograf kommt.

Kristina: Mama, der Fotograf kommt.

Ich: Ich weiss, aber erst in zwei Tagen.

Kristina: Kommt wieder derselbe, der mit dem pinkigen Auto?

Kollegin: Ich hoffe nicht, der ist schwul.

Ich: (??!!*WAAAAS??!!* *fassungslos* *sprachlos* *Gedankenmühle dreht sich pausenlos*)

An diesem Punkt habe ich nicht mehr gehört, was weiter gesagt wurde. Ob weil ich es akustisch nicht mehr wahrgenommen habe oder weil ich fassungslos war, weiss ich nicht mehr. Wenn Schulkinder (diese waren Fünftklässler) schon so voreingenommen sind – Gnade uns Gott! Was ist mit der hoch gepriesenen Toleranz unserer modernen humanistischen Gesellschaft geschehen? Ich vermute fast, dass alles nur schöne Theorie geblieben ist und Menschen zwar tolerant daher reden, aber eine Überzeugung ist es wohl doch nicht geworden und verändert hat sich eigentlich nichts.

Als Mitglied einer Freikirche werde ich wahrscheinlich von der Allgemeinheit als fundamentalistisch eingestuft, aber nicht einmal ich, denke so über Schwule (auch wenn es uns manchmal nachgesagt wird). Ich bin immer noch fassungslos und kann mein Unverständnis für so einen Ausspruch nicht wirklich in Worten ausdrücken. (An dieser Stelle muss ich eingestehen, dass Kinder den Ausspruch „das oder der ist schwul“ einfach so gebrauchen, manchmal ohne sich der Bedeutung bewusst zu sein und ohne zu meinen, dass jemand tatsächlich schwul ist. Aber trotzdem!)

Es tut mir leid, liebe Schwule und Lesben (und alle anderen, die sich jetzt angesprochen fühlen), dass sich unsere Worte oft nicht mit unseren Taten decken. Ihr seid wunderbare Menschen, ihr seid geliebte Menschen, ihr seid nicht in erster Linie Schwule oder Lesben, genauso wenig wie ich in erster Linie eine heterosexuelle Geschiedene bin. Wie oft bedienen wir uns dieser Etiketten, um uns abzugrenzen, um uns besser zu fühlen, um unseren Platz in dieser Welt zu finden, einzunehmen und dann zu verteidigen. Aber so grenzen wir uns ab und aus und am Schluss sitzen wir alleine in unserer Burg und wundern uns warum uns niemand mag. Wir wundern uns warum es so viel Neid und Streit und Hass und Krieg gibt. Wir sollten uns fragen, wie es in unserem Herzen aussieht. Das was in unserem Herzen ist, wird den Weg nach draussen finden. Es wird unsere Kinder prägen und ob wir es mögen oder nicht, werden unsere Kinder das widerspiegeln, was wir ihnen vorgelebt haben.

Wovon das Herz erfüllt ist, das spricht der Mund aus! (Steht in der Bibel, also muss was dran sein.)