(K)ein Geschenk.

Gegen Ende des letzten Lieben-Scheitern-Leben-Kurses (ein Kurs zur Verarbeitung von Trennung und Scheidung) an dem ich mitgearbeitet habe, wollte ich den Kursteilnehmern (alles Leute, die von Trennung oder Scheidung betroffen sind) sagen, dass sie irgendwann (in ein paar Jahren vielleicht) auf diese schwere Zeit der Trennung und Scheidung zurückschauen werden und es als Geschenk empfinden würden.

Es ist ein Geschenk zu merken, dass wir schwierige Zeiten erleben und überleben können.

Es ist ein Geschenk in schwierigen Zeiten Freunde zu haben.

Es ist ein Geschenk nach schwierigen Zeiten neue Hoffnung und neue Perspektiven zu bekommen.

Es ist ein Geschenk in schwierigen Zeiten Gottes Treue zu erleben.

Aber dabei ist mir etwas aufgefallen: Die schwierige Zeit an sich ist kein Geschenk. Wer schenkt seinen Kindern denn schon so was? Wenn wir glauben, dass Gott ein guter Vater ist, was ich glaube, dann schenkt er uns keine Krankheit, keine schwierige Ehe, keine Trennung oder Scheidung, keine Arbeitslosigkeit, keine finanziellen Schwierigkeiten, keine rebellischen oder ausscherenden Kinder, keine Kinderlosigkeit, keine Depressionen, usw. Was wären das für Geschenke und was wäre das für ein Vater, der solche Geschenke macht?

Wir müssen unterscheiden zwischen der Not, die passiert – weil wir Menschen in einem menschlichen Körper in einer sehr menschlichen und zum Teil kaputten Welt sind – und dem himmlischen Vater, der gute Geschenke macht. Was er uns schenkt, ist nämlich den Trost seiner Gegenwart in den schwierigen Zeiten und dieser Trost kommt so vielfältig zum Ausdruck, wie seine Vielfalt in der Schöpfung. Das können Menschen sein, die uns zuhören, verstehen, uns zur Seite stehen und auch einfach stehen lassen. Menschen, die uns Gutes tun und anpacken, wo Hilfe nötig ist. Menschen, mit denen wir Spass und unbeschwerte Stunden erleben. Menschen, wie mein Sozialarbeiter bei der Alimentenbevorschussungsstelle, der mir Mut macht und vorsichtig nachfragt, ob ich finanziell über die Runden komme. Und das wiederrum verändert uns.

Ich komme somit zum Schluss, dass wir auch im Rückblick die Schwierigkeiten nicht Geschenk betrachten werden. Andererseits können wir alles, was durch und in den schwierigen Zeit an Trost, Hoffnung, Freundschaft, Freiheit, Standhaftigkeit, Charakter und Leben entstanden ist, durchaus als Geschenk betrachten. Das ist es nämlich. Und darin liegt ganz viel Hoffnung.

Du bist nicht allein (Gott wird Mensch)

„Du bist nicht allein.“

Das höre ich gern und muss es auch hören, aber was genau bedeutet es, wenn ich doch den grössten Teil meiner Tage, eben, allein verbringe, die meisten Entscheidungen doch alleine treffe, meinen Schmerz, meine Fragen, meine Unsicherheit, usw. alleine tragen muss.

Ja aber, werden die einen sagen, Gott…er ist doch da. Ja aber, werde ich darauf antworten, ich sehe ihn nicht, ich spür ihn nicht, und manchmal wenn alles schief geht, merke ich nicht einmal ansatzweise, dass er da ist. Und ich frage mich, muss das reichen? Muss es mir genügen, zu wissen und nicht zu spüren, dass Gott bei mir ist? Ist das die Antwort auf meine Einsamkeit, auf meine Fragen, auf meinen Schmerz, auf meine Last?

Ich weiss nicht, wie es dir damit geht, aber für mich muss Glaube und Vertrauen etwas mehr erlebbar sein, als nur im Kopf zu wissen, dass da ein Gott an meiner Seite ist. Wenn da schon ein Gott an meiner Seite ist, muss es doch irgendwas Greifbares geben. So stelle ich mir das wenigstens vor.

Ich will „du bist nicht allein“ erleben, nicht nur wissen.

Es gibt diese Momente in denen ich „du bist nicht allein“ ganz praktisch erlebe. Das geschieht im Austausch mit anderen Menschen, die sich Zeit nehmen mir zuzuhören, die meine Anliegen, meine Freude, aus meinem Erzählen heraushören, ernst nehmen und darauf reagieren, sei es mit ihrem Mitgehen, mit Antworten, praktischer Hilfe, einer Nachricht auf Facebook oder per Whats App (weil wir ja heute diese Möglichkeiten haben). Ich erlebe Gottes Nähe und Dasein in deiner Hand auf meiner Schulter, in deiner Umarmung, in deinem Lächeln, in deinem Nachfragen und in deinen freundlichen Worten.

Das wiederum ermutigt mich selber die Hand zu reichen, die Umarmung, das Lächeln, die ermutigende Worte und immer wieder Zeit zu schenken. Diese Geschenke sind grösser als die Verpackung. Wir schenken Würde – und wie will man das sonst verpacken? Schon immer waren wir es Gott wert, dass er sich in Fleisch und Blut einpackte, in ein greifbares Menschlein. Wir sind es heute immer noch wert!

So wird Gott immer wieder Mensch. Und ich bin nicht allein.