Gedanken zu Harry Potter – Teil 2

Ein Abschnitt aus dem ersten Harry Potter Buch, der mich fasziniert, ist der Bericht darüber, wie der Einladungsbrief von der Zaubererschule Hogwarts endlich Harry erreicht.

Nach dem Tod seiner Eltern wird Harry von seiner Tante und ihrer Familie, den Dursleys, aufgenommen. Die Dursleys wollen mit der magischen Welt nichts zu tun haben, verschweigen Harry seine Verbindung zur magischen Welt und behandeln ihn sehr schlecht. Als Harry zu seinem elften Geburtstag eine Einladung von der Zauberschule Hogwarts geschickt wird, unternehmen die Dursleys alles, um zu verhindern, dass diese Einladung Harry erreicht.

Die schlechte Behandlung von Harry äussert sich unter anderem darin, dass er kein eigenes Zimmer hat, sondern im Schrank unter der Treppe schläft. Der erste Brief von Hogwarts an Harry ist folgendermassen adressiert:

Mr. H. Potter, Im Schrank unter der Treppe, Ligusterweg 4, Little Whinging, Surrey

Mr. Dursley will Harry verklickern, dass der Brief ein Versehen war. Aber es war kein Versehen. Wenn Gott uns anspricht, ist es kein Versehen. Egal, wie vergessen wir uns fühlen. Egal, wie sehr wir uns von Gott entfernt fühlen. Egal, wohin uns unsere Entscheidungen oder die Entscheidungen anderer Menschen gebracht haben. Es ist kein Versehen, wenn Gott uns anspricht und er weiss auch ganz genau, wo wir zu finden sind.

Den Dursleys war es peinlich, dass anscheinend bekannt war, dass Harry im Schrank unter der Treppe schläft und Harry wird im zweiten Kinderzimmer einquartiert. Da die Dursleys verhindert haben, dass Harry den ersten Brief bekommt, kommt ein zweiter Brief, adressiert an:

Mr. H. Potter, Das Kleinstes Schlafzimmer, Ligusterweg 4 …

Die Dursleys vernichten und entsorgen weiterhin jeden Brief (und es kommen viele). Als eine wahre Flut von Briefen ins Haus flattern, fliehen die Dursleys mitsamt Harry in ein Hotel. Aber auch dort kommen Briefe an, adressiert an:

Mr. H. Potter, Zimmer 17, Hotel zum Bahnblick, Cokeworth

Als letzte Massnahme übernachten sie in einer modrigen Hütte auf einer Felsinsel im Meer. Die Dursleys nehmen das einzige Bett und das Sofa in Beschlag und Harry bleibt nichts anderes übrig als sich auf den Fussboden schlafen zu legen. Ein Sturm kommt auf und die Dursley wähnen sich in Sicherheit vor der (für sie) bedrohenden Post. Aber um Mitternacht pünktlich zu Harrys elften Geburtstag hämmert jemand gegen die Holztüre der Hütte und überbringt Harry den Brief, den er tatsächlich zu lesen bekommt, adressiert an:

Mr. H. Potter, Der Fussboden, Hütte-auf-dem-Fels, Das Meer

Dieses Bild begeistert mich. Gott weiss immer, wo wir zu finden sind. Er sucht uns immer. Und wenn er uns sucht, wird er uns auch finden. Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass Gott, der Schöpfer meines Lebens, genau weiss, wo ich zu finden bin. Nichts überrascht ihn, nichts entgeht ihm. Liebevoll sucht und sucht er, bis er uns gefunden hat. Oder bis wir uns finden lassen, denn er zwängt sich niemandem auf. Er kennt meine Adresse ganz genau!

In der weiteren Geschichte wird auch klar, dass der Schulleitung wohl bewusst war, dass Harry (etwa 10 Jahre lang) schlecht behandelt wurde. Aber gerade wegen seiner schwierigen Kindheit wird er zu einem sehr feinfühligen und dankbaren Jungen mit einem guten Charakter. Bei Gott ist es genauso: Gott weiss genau, wie du behandelt wirst. Er kennt jedes Unrecht, dass dir angetan wurde. Ihm entgeht kein Leid, dass du erlebst. Ihm entgeht nichts und er wird auch durch nichts überrascht. Die Zeit, in der er nicht (sichtbar) handelt, formt und verändert uns – und wir entscheiden in welche Richtung die Veränderung geht. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass uns diese Zeit nicht gut tut und wir etwas Besseres verdient hätten, ist sie zu etwas gut: Sie zeigt, was in uns steckt. Im besten Fall wird das, was nichts wert ist, wegfallen. Das was echt ist, wird stärker. Aber nie ist diese Zeit umsonst oder vergebens. Diese Zeit formt uns und macht uns zu dem, was wir sind. Wir werden barmherziger, stärker, gütiger, feinfühliger und mit einem weiteren Herzen aus dieser Zeit hervorgehen oder wir verbittern (was ich niemandem empfehlen würde). Im Wissen, dass Gott durch nichts überrascht wird, dass er uns sieht und hört und weiss was läuft, bekommen wir Mut, die schwierigen Zeiten unseres Lebens zu bestehen. (Falls das Leben für dich noch nicht schwierig geworden ist – die Herausforderungen werden noch früh genug kommen, ja, das werden sie.)

Gedanken zu Harry Potter – Teil 1

Vor ein paar Monaten hatte ich wieder Lust auf den guten alten Harry Potter. Damals, beim ersten Lesen war ich hingerissen von dem Witz der Sprache und den Gedanken und Wahrheiten, die in dieser spannungsvollen Geschichte verpackt sind. Aber jetzt nach ein paar Jahren war die Erinnerung daran verblasst und ich wusste nicht mehr so genau, was mir daran so gefallen hatte.

(Erste Zwischenbemerkung: In meinem bibelgläubigen-christlichen Umfeld gibt es Leute, die mit Harry Potter nichts am Hut haben, weil darin Magie vorkommt. Aber ich möchte festhalten, dass die Magie um die es hier geht eine Fantasiemagie ist, die nichts mit echter schwarzer, weisser oder sonstiger Magie zu tun hat. Wenn man etwas genauer hinschaut, entdeckt man durchaus – und das nenn ich mal ganz locker so – „biblische“ Grundsätze.)

(Zweite Zwischenbemerkung: Wem das Genre Jugend-Fantasie-Literatur nicht zusagt, dem werden diese Bücher nicht gefallen, egal wie gut sie geschrieben sind. Man muss schon diese Art von Literatur mögen, um Harry Potter was abzugewinnen.)

Bücher (oder Geschichten) widerspiegeln immer gewisse Aspekte unserer Welt und des Lebens. Ich finde fast in jeder Art Literatur – ich könnte das auf Kunst allgemein ausweiten – einen Bezug zu meinem Leben und Glauben. Das macht die Auseinandersetzung mit Kunst ja auch so spannend. Mich spricht vor allem das geschriebene Wort und die Musik an, aber in anderen Menschen klingen Farbe, Form, Tanz oder sonst was an. Die Vielfalt ist wunderbar.

Dass die Harry Potter-Bücher die magische Welt als schillernd und aufregend schildern und die Welt ohne Magie als langweilig, bieder und eng beschreiben, soll uns meiner Meinung nach, nicht dazu anregen uns mit Magie zu beschäftigen, sondern kann uns in Erinnerung rufen, dass es neben unserer sichtbaren Welt noch eine unsichtbare Welt gibt. Als Christen sollte uns dieser Gedanken nicht so fremd sein.

Ich habe auch noch nicht alles verstanden (im Leben, wie im Glauben), aber ich weiss, dass ich für mehr geschaffen bin, als nur für dieses sichtbare, endliche Leben. Es wird weitergehen. Unendlich, schillernd, aufregend – das Beste kommt erst. Ist das nicht unsere Hoffnung?

Ich nenne diesen Teil ganz mutig Teil 1, weil ich vorhabe noch weitere Gedanke zu Harry Potter zur schreiben. Interessiert das überhaupt jemanden?