(K)ein Geschenk.

Gegen Ende des letzten Lieben-Scheitern-Leben-Kurses (ein Kurs zur Verarbeitung von Trennung und Scheidung) an dem ich mitgearbeitet habe, wollte ich den Kursteilnehmern (alles Leute, die von Trennung oder Scheidung betroffen sind) sagen, dass sie irgendwann (in ein paar Jahren vielleicht) auf diese schwere Zeit der Trennung und Scheidung zurückschauen werden und es als Geschenk empfinden würden.

Es ist ein Geschenk zu merken, dass wir schwierige Zeiten erleben und überleben können.

Es ist ein Geschenk in schwierigen Zeiten Freunde zu haben.

Es ist ein Geschenk nach schwierigen Zeiten neue Hoffnung und neue Perspektiven zu bekommen.

Es ist ein Geschenk in schwierigen Zeiten Gottes Treue zu erleben.

Aber dabei ist mir etwas aufgefallen: Die schwierige Zeit an sich ist kein Geschenk. Wer schenkt seinen Kindern denn schon so was? Wenn wir glauben, dass Gott ein guter Vater ist, was ich glaube, dann schenkt er uns keine Krankheit, keine schwierige Ehe, keine Trennung oder Scheidung, keine Arbeitslosigkeit, keine finanziellen Schwierigkeiten, keine rebellischen oder ausscherenden Kinder, keine Kinderlosigkeit, keine Depressionen, usw. Was wären das für Geschenke und was wäre das für ein Vater, der solche Geschenke macht?

Wir müssen unterscheiden zwischen der Not, die passiert – weil wir Menschen in einem menschlichen Körper in einer sehr menschlichen und zum Teil kaputten Welt sind – und dem himmlischen Vater, der gute Geschenke macht. Was er uns schenkt, ist nämlich den Trost seiner Gegenwart in den schwierigen Zeiten und dieser Trost kommt so vielfältig zum Ausdruck, wie seine Vielfalt in der Schöpfung. Das können Menschen sein, die uns zuhören, verstehen, uns zur Seite stehen und auch einfach stehen lassen. Menschen, die uns Gutes tun und anpacken, wo Hilfe nötig ist. Menschen, mit denen wir Spass und unbeschwerte Stunden erleben. Menschen, wie mein Sozialarbeiter bei der Alimentenbevorschussungsstelle, der mir Mut macht und vorsichtig nachfragt, ob ich finanziell über die Runden komme. Und das wiederrum verändert uns.

Ich komme somit zum Schluss, dass wir auch im Rückblick die Schwierigkeiten nicht Geschenk betrachten werden. Andererseits können wir alles, was durch und in den schwierigen Zeit an Trost, Hoffnung, Freundschaft, Freiheit, Standhaftigkeit, Charakter und Leben entstanden ist, durchaus als Geschenk betrachten. Das ist es nämlich. Und darin liegt ganz viel Hoffnung.

Das Blatt am Wegrand

Am Wegrand lag ein Blatt. Es war wohl schön länger vom Baum gefallen, es war ja auch schon November und manche Bäume schon ziemlich kahl. Dieses Blatt war braun und zertreten. Es wurde nicht beachtet und so lag es verachtet und vergessen am Wegrand. Die ursprünglich schön vollendete Form war nur noch umrisshaft zu erkennen. Und überall, auch auf diesem Blatt lag Frost. Frost kann wunderschön sein, aber dieser Tag  war sehr grau und das Blatt unter dem Frost sehr braun. Es lag da, still und leblos, umgeben von einer feinen und eiskalten Frostschicht.

Und dann kam der erste mutige Sonnenstrahl und schien direkt auf diesen Wegrand, direkt auf das frostbedeckte Blatt. Dieses Blatt, dass so braun, leb-, kraft- und saftlos da lag, erstrahlte in diesem Licht wie tausend Diamanten; es glitzerte und funkelte. Es machte nichts mehr aus, dass es schon lange vom Baum gefallen war, braun und zertreten, verletzt und kaputt war, es erstrahlte aus einer Kraft, die nicht in ihm selbst zu finden war; eine Kraft, eine Energie, ein Licht, dass aus einer viel grösseren Quelle stammte.

Derselbe Frost, der zuvor so kalt und gefroren das Schicksal dieses Blattes zu besiegeln schein, dieser Frost, erstrahlte so kostbar wie Edelsteine.

Es war dasselbe Licht, dass auf diesem Blatt gestrahlt hatte, als es noch mit allen anderen Blättern, grün und saftig am Baum gehangen hatte. Aber diese Zeit war vorbei. Jetzt lag es einsam und allein, vergessen und übersehen am Wegrand – bis…ja, bis es von diesen Sonnenstrahlen getroffen wurde.

Vielleicht erkennst du dich in dem Bild von diesem Blatt wieder. Dein Leben ist kraftlos geworden, deine Blütezeit liegt lange zurück und du fühlst dich, als befändest du dich vergessen und vielleicht verachtet am Wegrand des Lebens. All die schmerzhaften Erlebnisse, die schwierigen Tage und ausweglosen Situationen deines Lebens haben dein Herz mit einer Frostschicht bedeckt. Aber es gibt ein Licht, dass sogar Frost zum Strahlen bringen kann. Erlaube diesem Licht auf dein Herz zu scheinen und sogar Schmerzhaftes wird anfangen, wie Diamanten zu strahlen.

Das erinnert mich an verschiedene Worte aus den Psalmen:

Herr, du hast Licht in mein Leben gebracht, du, mein Gott, hast meine Finsternis erhellt. …Die von ihm Hilfe erhoffen, werden vor Freude strahlen, und sie werden nicht vor Scham erröten. … Du hast unseren Feinden erlaubt, uns zu Boden zu trampeln. Durch Feuer und Flut mussten wir gehen, doch du hast uns herausgeholt und uns reich beschenkt. … Denn Gott, der Herr, ist für uns Sonne und Schutz.

(Wer es nachlesen will, findet diese Aussagen der Reihe nach in der Bibel: Psalm 18,29; Psalm 34,6; Psalm 66,12; und Psalm 84,12)

Gott wird (immer wieder) Mensch

Wenn wir auch nur ein Bisschen christlich angehaucht sind, wissen wir, dass Weihnachten mit der Menschwerdung Gottes zu tun hat, nämlich als Jesus auf die Erde kam und eine Weile hier lebte. Das ist aber schon sehr lange her und wir können uns fragen, was das alles heute mit uns zu tun hat. Nun, manchmal erleben wir es tatsächlich, dass  Gott uns auch im Hier und Jetzt als Mensch begegnet. Er ist ja allmächtig und kann demzufolge alles, was für uns besonders dann wichtig wird, wenn wir gerade in Not sind. (Das Volk Israel war damals auch sehr in Not, als Gott beim ersten Weihnachten Mensch wurde.) Der Himmel ist für uns sehr weit weg und wir stecken hier auf der Erde fest. Da muss sich Gott schon mal öfter hinunter bücken – und das tut er auch.

Es war vor ein paar Jahren während einem Seminar für unsere Band. Wir sangen zum Anfang einige Lieder und ich fiel in mich zusammen. Schon während der ganzen Hinfahrt konnte ich die Tränen nicht zurückhalten und jetzt ging es weiter. Ich wollte nicht reden. Ich wollte eine Hand, einen Arm um meine Schultern spüren. Ich wollte physisch spüren, dass ich nicht allein war.

Ganz hinten im Raum, an die Wand gelehnt, sass eine Kollegin aus dem Team. Ich kramte meinen ganzen Mut zusammen, setzte mich neben sie und bat sie ihren Arm um mich zu legen. Das tat sie gerne und hielt mich so lange bis der Trost in meine Seele drang und ihr der Arm fast abfiel: Das ist Reich Gottes. Das ist Gottes Trost in menschlicher Form. Das ist Gott mit uns.

Frohe Weihnachten!