Es braucht so wenig

Der Tag fing nicht so besonders an. Ich war anderthalb Stunden vor dem Wecker wach und döste so halb vor mich hin bis ich aufstehen musste und dann begrüssten mich Berge von Wäsche, die sortiert, gewaschen und zum Trocknen aufgehängt werden mussten. (Übrigens wurde mir von einer schlauen App auf meinem Smartphone kürzlich bestätigt, dass ich an so einem Waschtag zwei Km – die Treppen hoch und runter – laufe.) Das Bügelbrett stand immer noch im Wohnzimmer rum, weil ich bereits zweimal vergessen hatte die Aufbügel-Flicken für Svens Hosen zu kaufen und ich nicht alles verräumen wollte, nur um es gleich darauf wieder aufstellen zu müssen.

Ich hatte immerhin etwas Ruhe und Zeit für mich, aber dann ging’s plötzlich los. Eine laute Diskussion mit Kristina, ob sie jetzt mit dem Bus oder mit dem Fahrrad in die Schule fährt, ob und wann sie das Bus-Abo kaufen solle, Vorwürfe, dass ich sie nicht verstehe und anscheinend gar nichts kapiere und ich verkroch mich ganz schnell, bevor ich Dinge sagte, die ich noch bereuen würde. Das sieht von Aussen vermutlich sehr nach „ich-lass-mich-durch-nichts-aus-der-Ruhe-bringen“ aus, aber in mir drin bin ich ganz klein und zerknirscht und frage mich, was meiner Tochter den so urplötzlich über die Leber gelaufen ist; sie war doch gar nicht so schlecht drauf und überhaupt, warum muss ich das alles immer ausbaden?!? So behandelt zu werden ist eh gemein und ungerecht, und soll sie ihr Pausenbrot doch in Zukunft selber schmieren, wenn sie es sich leisten kann mich so fertig zu machen. Und zur Zahnreinigung soll sie doch auch gleich selber gehen, sie ist doch kein Baby mehr, aber nein, ich muss mit – wer versteht schon warum!? Sehen die Kinder den gar nicht, was ich alles für sie mache? Und mir fiel ein, dass sie ein sehr launenhafter Teenager ist und ich manchmal eine launenhafte Mutter bin und, na ja, manchmal kracht es halt.

Aber dann wurde es noch schlimmer. Sven zu wecken, ist nach den Ferien nicht lustig und heute kam er kaum aus dem Bett. Manchmal, wie heute, schafft er es bis aufs Sofa, wo er prompt wieder einschläft. Als ich das Loch in seiner Unterhose sah, meinte ich, er könne sie am Abend gleich wegwerfen. Darauf er: „Sie ist eh etwas klein.“ Ich: „Dann ist es höchste Zeit, du kannst sie gleich jetzt wegwerfen, ich hole dir eine andere aus dem Schrank.“ Daraufhin holte er verzweifelt Luft und sagt: „Mama, du verstehst es einfach nicht.“ Und ich verstand wirklich nichts mehr. Und verzog mich wieder und dachte, was für ein blödes Kind (was nur bedingt besser klingt, als „was für ein verkackter Morgen“).

Nach dieser liebevollen (hust, hust) Behandlung von zwei meiner Kinder fühlte ich mich nicht so toll (das ist möglicherweise leicht untertrieben). Auch wenn ich theoretisch weiss, dass ich vieles richtig mache und sie aus ihrer Launenhaftigkeit oder Müdigkeit so unausstehlich sind, tut es manchmal einfach weh. Und es ist niemand da der mich wieder aufpäppelt, was mir in so einem Moment fehlt, aber heute war es, dank der Zahnreinigung an die ich Kristina begleitet habe (obwohl ich nicht wollte), anders. Die Zahnhygienikerin hatte sich nett mit Kristina unterhalten und als Kristina mal den Mund ausspülen musste, drehte sich die junge Frau zu mir um und sagt: „Sie sind sehr schön angezogen, das wollte ich Ihnen noch sagen. Sie haben das wirklich schön kombiniert.“ Das hat mich glücklich gemacht. Wie wenig es doch manchmal braucht.

(Falls es jemanden interessiert, ich hatte graue Stiefel, verwaschene Jeans und einen dunkelblauen Pulli über eine blau-lila karierte Bluse an. Und ich finde auch, dass diese Kombination gut aussieht und mir steht. Und von nun an will ich mit Komplimenten für andere nicht so knauserig sein, weil, wer weiss, was die für einen Morgen hatten!)

6 Gedanken zu „Es braucht so wenig

  1. That’s life! Sonja. As the mother you are expected to fix everything that is not working, but, like you said, at the end you don’t know anything….plus the mother always misplaces everything…..that was our son’s problem. But I have to say, my two daughters got through their teens quite well and never told me how I didn’t know a thing! Thanks! I am writing this all with a smile on my face!
    Love you lots, Mom

    • Thanks, Mom. I read this post again a week after I had written it and had to laugh about it myself. That is truly life, and I guess I’m learning as I go that this is all part of it. And it is good. Love, Sonja

  2. Ich finde es bemerkenswert, dass du dich vor deinen Kindern so zurückhalten kannst. Da bist du doch eine geduldige Mutter!!
    Ich wäre wohl explodiert und hätte meine frustrierten Gedanken alle ausgesprochen, was ich möglicherweise tatsächlich bereut hätte. Vielleicht hilft so ein Blog, die Dinge besser zu verarbeiten?

    • Danke für deine Worte, Heidi. Das mit der Geduld klappt mal besser, mal schlechter, aber ich versuche oft mich in meine Kinder hinein zu versetzen, was mir bei der Zurückhaltung hilft. Und das Schreiben hat mir schon immer geholfen. Mein erstes Tagebuch war rot und hatte ein kleines Schloss dran…Diario de mi vida…heisst es vorne in goldenen Buchstaben. Ich war neun oder so. Seither schreibe ich.

  3. Also wenn ich das lese, bin ich froh, dass ich „nur“ zwei Jungs Zuhause habe, oder hatte. (Michael hat jetzt seine eigene Wohnung, ein Stock weiter unten. :-) )
    Wie auch immer – ich wünsche dir immer wieder neue Kraft und Freude und natürlich viiiiiiiel Geduld für deinen Alltag.
    Sei reich gesegnet.

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