Du gehörst dazu

Monatsblatt Juni 2021 für die Stiftung Taubblinden-Hilfe

Du gehörst dazu

Endlich, nach sechs Wochen mit Gips war mein gebrochener Knöchel wieder geheilt und belastungsfähig. Was für eine Freude und Erleichterung ohne Gips unterwegs zu sein. Zuerst humpelte ich mit Schmerzen herum. Mein rechter Fuss fühlte sich flach und kraftlos an. Meine rechte Wade war deutlich dünner als die linke. Aber vor allem hatte ich das Gefühl, der Fuss gehörte gar nicht zu mir. Als ich das einer Freundin erzählte, meinte sie: «Ja, sag es deinem Fuss, besser noch beiden Füssen, dass sie zu dir gehören.»

Ich sagte also meinem Fuss, dass er zu mir gehört. Dann musste ich es wagen und den Fuss belasten. Nur so konnte mein Fuss auch merken, dass ich mich auf ihn verlasse und ihm vertraue. Es hat funktioniert und ich habe wieder das Gefühl, dass mein Fuss ganz zu mir gehört.

Taubblinde Menschen haben auf Grund ihrer doppelten Sinnesbehinderung oft das Gefühl, sie gehören nicht dazu. Sie hören nicht, worüber geredet wird. Sie hören nicht worüber gelacht wird. Sie sehen die Menschenmenge nicht. Sie sehen die Mimik ihres Gegenübers nicht. Ihr selbstständiges Handeln ist eingeschränkt. Es liegt also an uns Nicht-Betroffenen zu sagen: Ihr gehört dazu. Ihr seid ein Teil von uns. Mit der richtigen Unterstützung können auch taubblinde Menschen mit dabei sein.

Am 27. Juni ist der internationale Tag der Taubblindheit*. Für diesen Tag wurde viel gestrickt. Die Strickstücke wurden zusammengenäht und bekleiden Statuen, Kunstwerke, Bäume, Brücken oder Bänke in verschiedenen Städten. Dadurch soll die Bevölkerung über die Situation taubblinder Menschen informiert werden.

Ich musste meinem Fuss sagen, dass er zu mir gehört. Gott sagt uns immer wieder, dass wir zu ihm gehören. Wir dürfen auch so leben.

Hab keine Angst, ich habe dich erlöst. … du gehörst mir.

Jesaja 43,1

* Auf https://www.tag-der-taubblindheit.ch findest du mehr Information über diesen Tag und die dazugehörende Aktionswoche.

Wege

Monatsblatt Mai 2021 für die Stiftung Taubblinden-Hilfe

Wege

Ich bin in einer Grossstadt aufgewachsen. Als Kind bin ich selten gewandert. Wenn ich heute Wandern gehe, bin ich oft verunsichert. Ich erkenne nicht gut, wo der Weg hinführt. Es hat nicht an jeder Abzweigung einen gelben Wegweiser. Meine Freundinnen, mit denen ich heute oft wandern gehe, können das viel besser. Mit ihnen zu wandern ist einfach: Ich laufe ihnen einfach hinterher.

Mein Mann erkennt Wanderwege ebenfalls recht gut, aber manchmal täuscht er sich. In den Ferien waren wir auf einem Fahrradweg, der plötzlich ein Wanderweg wurde. Das war mit dem Rad nicht einfach zu bewältigen! Und gerade kürzlich habe ich mich ganz alleine im Wald verlaufen. Ich war nicht wirklich verloren. Der Weg hat einfach plötzlich aufgehört. Ich musste durch umgefallene und gefällte Bäume, Büsche und nasses Gras weitergehen. Ich wusste ungefähr die Richtung, in die ich laufen musste und bald schon erreichte ich den nächsten richtigen Waldweg.

Manchmal denken wir, dass wir den Weg zum Ziel kennen. Manchmal stimmt das auch. Aber manchmal kommt werden wir von einer Wende überrascht, mit der wir nicht gerechnet haben. Der Weg hört auf oder wird steil und eng und schwierig. Manchmal können wir umkehren und einen anderen Weg nehmen. Aber es gibt Situationen, in denen wir keine Wahl haben. Unsere taubblinden Freunde haben keine Wahl. Sie müssen den Weg der Seh- und Hörbehinderung weitergehen. Dieser Weg ist kein einfacher Weg. Im Gegenteil. Es ist oft ein einsamer und schwieriger Weg. Auf diesem Weg kann man stolpern, hinfallen und sich verlaufen. Wie gut, wenn wir auf unserem Weg jemandem vertrauen können, der mehr weiss als wir, so wie ich mit meinen Freundinnen.

Gott will unser Begleiter sein. Er will uns auf schwierigen Wegen Mut und Kraft schenken. Wir müssen nicht den Wegen vertrauen, die uns vielleicht doch enttäuschen. Wir können in jeder Situation Gott vertrauen.

Befiehl dem HERRN deinen Weg und vertraue auf ihn, so wird er handeln.

Psalm 37,5-6

Zu Zweit ist man mutiger

Monatsblatt April 2021 für die Stiftung Taubblinden-Hilfe

Zu zweit ist man mutiger

Während meinen Jahren als alleinerziehende Mutter verbrachte ich einige Ferientage mit einer Freundin, die auch alleine war. Nach einem besonders abenteuerlichen Tag auf dem Fahrrad, seufzte ich am Abend: «Alleine hätte ich das nie geschafft. Zu zweit ist man mutiger!»

Das habe ich in den letzten Ferien mit Joachim auch erlebt. Wir haben im Inneren der Insel Rhodos einen Ort besucht, an dem sieben Quellen zu einem Bach zusammenlaufen. Dieser Ort ist ein bekanntes und beliebtes Ausflugsziel. An diesem Sonntagnachmittag waren wir nicht die Einzigen dort. Das Restaurant bei den Quellen war vollgestopft mit griechischen Familien, die assen, tranken und die gemeinsame Zeit in diesem schönen, schattigen Tal genossen.

Wir folgten einem Schild, das uns zu einem Tunnel führte. Dieser Tunnel führte zu einem sehr kleinen Stausee. Joachim hatte gelesen, dass man durch den 190 m langen Tunnel laufen könne. Das Wasser sei etwa knöcheltief. Natürlich wollte Joachim durch den Tunnel laufen. Ich dagegen leide schnell an Platzangst und dieser Tunnel war klein und eng und dunkel und sehr nass. Aber ich liess mich überreden. Joachim musste seinen Kopf einziehen und wir haben uns mit beiden Händen an den feuchten Wänden entlanggetastet. Es war stockdunkel. In diesem dunklen Tunnel – ohne Licht und Orientierung – musste ich daran denken, wie es meinen blinden und taubblinden Freunden geht, für die dieses Dunkel ein Dauerzustand ist. Der Tunnel schien endlos zu sein und das Wasser wurde immer tiefer. Beim Ausgang kam es mir bis über die Knie. Mein einziger Trost war Joachim, der mir tapfer vorausging. Alleine hätte ich das nie gewagt.

Ich wünsche jedem von uns, dass wir in dunklen Zeiten nicht alleine sind. Zu zweit sind wir mutiger. Zu zweit bewältigen wir Dinge, die wir allein nicht schaffen.

In der Bibel wird nicht das Durchqueren eines Tunnels erwähnt, sondern das Überspringen einer Mauer:

Mit meinem Gott überwinde ich jede Mauer.

Psalm 18,30

Zeit für Tränen

Monatsblatt März 2021 für die Stiftung Taubblinden-Hilfe

Zeit für Tränen

Ich lebte viele Jahre mit meinen drei Kindern alleine. Mit dem Alleinsein kam ich mal besser, mal schlechter zurecht. Manchmal wurde ich von schwierigen Momenten überrascht.

Nach sieben Jahren hatte sich bereits vieles eingependelt. Ich dachte, ich hätte mich an meine Situation gewöhnt. Ich war nicht mehr so traurig, wenn die Kinder bei ihrem Vater waren und es in meiner Wohnung ganz still und ruhig war. Ich weinte nicht mehr auf dem Weg zum Gottesdienst, weil meine Kinder nicht bei mir waren. Ich kochte sogar schon richtig für mich selber – Gerichte, die meine Kinder nicht gerngehabt hätten. Aber ein Sonntag hat mich völlig unvorbereitet getroffen.

Im Gottesdienst war ich umgeben von Familien mit Kindern. Keiner meiner Bekannten waren da. Die Traurigkeit an diesem Sonntag alleine unterwegs zu sein, ergriff und zerriss mein Herz. Ich grüsste die Menschen stumm, weil ich Angst hatte mit dem ersten Wort in Tränen auszubrechen. Die Lieder blieben mir im Hals stecken. Erst während der Predigt beruhigte ich mich etwas – dachte ich. Beim Gehen traf ich eine Freundin, die fragte, wie es mir geht. Ich versuchte die Tränen weg zu blinzeln. Sie nahm mich in den Arm und ich heulte los.

Trotz weiteren schönen Begegnungen an diesem Tag, blieb die Traurigkeit lange haften. Ich ernährte mich von Chips und zwei Scheiben trockenem Brot. Ich war nicht fähig die Traurigkeit zu vertreiben. Ich ging am nächsten Tag meiner Arbeit nach. Erst nachdem ich eine Stunde im Garten gejätet und aufgeräumt hatte, spürte ich wieder ein Lied in meinem Herzen. Sicher kennen viele von den taubblinden Lesern solche Momente der Einsamkeit und Traurigkeit. Diese Momente gilt es manchmal einfach auszuhalten, bis wieder bessere und freudigere Tage kommen.

Das steht auch in der Bibel:

Alles hat seine Zeit…Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen…Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen.

Prediger 3,4

Ein guter Beifahrer ist Gold wert

Monatsblatt Januar 2021 für die Stiftung Taubblinden-Hilfe

Ein guter Beifahrer ist Gold wert

Meine zweite Tochter Kristina lernte gerade Autofahren als wegen Corona alles anders wurde. Ab Mitte März konnte Kristina ein paar Wochen lang keine Fahrstunden nehmen. Damit sie das Fahren nicht verlernt, durfte sie in meiner Begleitung mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Dabei habe ich wieder erlebt, was es bedeutet ein Neulenker zu sein: Neulenker reagieren oft zu langsam, fahren zu schnell in die Kurve oder warten zu lange bevor sie Gas geben oder bremsen. Sie müssen sich gleichzeitig auf verschiedene Dinge konzentrieren: Die Strassenführung, die anderen Autos, die Fussgänger, die Strassenschilder, die Ampeln, und so weiter. Sie müssen auch vieles gleichzeitig machen: Schauen, entscheiden, den Blinker einschalten und gleichzeitig abbiegen und dabei hoffentlich nichts und niemanden anfahren! Und die ganze Zeit sitzt jemand daneben und schaut zu, ob sie alles richtig machen. Das kann ein grosser Stress sein. Wie gut, wenn der Beifahrer starke Nerven hat.

Wir sind alle schon eine ganze Weile im Leben unterwegs, aber mindestens so gefordert wie ein Neulenker. Es gibt immer wieder neue Corona-Massnahmen. Unsere Gesundheit verschlechtert sich. Freunde oder Familienmitglieder sterben oder ziehen weg. Wir müssen uns gleichzeitig auf vieles einstellen und auf vieles reagieren. Da ist es hilfreich, einen guten und verlässlichen Beifahrer zu haben.

Für diese Fahrt ins neue Jahr wünsche ich uns allen einen guten Beifahrer. Einen der den Überblick und die Nerven behält. Einen der ruhig bleibt und immer wieder ein ermutigendes Wort spricht. Einen der hilft und tröstet und der sein Wort hält mit uns ans Ziel zu kommen.

Das kann ein guter Kommunikationsassistent sein, eine freundliche Nachbarin oder eine liebe Freundin. In der Bibel haben wir die Zusage, dass auch Christus uns begleitet:

Seid gewiss: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt.

Matthäus 28,20

Gute Fahrt ins 2021!

Ein Geschenk mit deinem Namen

Monatsblatt Dezember 2020 für die Taubblinden-Hilfe

Ein Geschenk mit deinem Namen

Vor einigen Tagen bat mich mein 16-jähriger Sohn Sven um Geschenkpapier. Er hatte ein paar Tage zuvor mit seinem Lehrlingslohn Geschenke für alle Mitglieder der Familie gekauft und wollte sie nun einpacken. Danach klebte er ein Schild an seine Zimmertür. Da stand: «Geschenk-Zone! Bei gewünschtem Eintritt bitte zuerst klopfen, einige Sekunden warten, dann erst eintreten.» Nun liegen die Geschenke schön eingepackt in einer Ecke des Wohnzimmers. Mir fiel auf, dass er die Geschenke nicht nur mit dem Namen des Empfängers angeschrieben hatte, sondern mit einem ganzen Satz. Auf meinem Geschenk steht: «Für Sonja, die beste Mutter Weber-Schmid». Die anderen Geschenke sind ähnlich angeschrieben: «Für Jana, die beste älteste Schwester», «Für Kristina, die beste mittlere Schwester», «Für Joachim, den besten Götti (den besten Patenonkel)».

Wir feiern an Weihnachten Gottes Geschenk an uns. Und es ist nicht irgendein schnell besorgtes Verlegenheitsgeschenk. Es ist geplant und sorgfältig mit deinem Namen angeschrieben. Gott schenkt uns sich selbst.

Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt.

Jesaja 9,5 (erster Teil)

Auf diesem Geschenk steht dein Name. Und nicht nur dein Name, sondern ein ganzer Satz – wie bei meinem Sohn. Da steht: Für Heidi, die beste Tochter. Für Hans, den besten Sohn. Für dich, mein geliebtes Kind.

Der Vers aus der Bibel geht noch weiter:

Er (das Kind) heisst: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Friedensfürst.

Jesaja 9,5 (zweiter Teil)

Das alles wird uns mit dem Sohn geschenkt. Das sind sehr brauchbare Geschenke, die uns der himmlische Vater macht: Wunderbarer Rat, Stärke, Ewigkeit und Frieden. Sie sind für dich bestimmt!

Frohe Weihnachten und ein gesegnetes neues Jahr!

Ein fester Grund und Boden

Monatsblatt November 2020 für die Taubblinden-Hilfe

Ein fester Grund und Boden

Kürzlich, in den Ferien, wanderten wir. Unser Ziel war der zweithöchste Berg auf der Insel Rhodos: der Profitis Ilias. Der alte Bergpfad – vielleicht ein früherer Weg für Esel – führte uns durch einen Nadelwald. Der Weg schlängelte sich den Berg hoch und war ziemlich steinig. Ab und zu mussten wir über einen Baumstamm klettern. Wir haben uns überlegt, ob eine taubblinde Person dort laufen könnte… vermutlich wäre es ziemlich schwierig, aber für geübte und körperlich fitte taubblinde Wanderer möglich. Plötzlich hörten wir leichte, schnelle Schritte und das Bimmeln von einem Glöckchen. Es waren Ziegen. Manche drehten sich zu uns um und beobachteten uns mit ihren dunklen runden Augen. Sie waren schwarz, weiss, braun oder gefleckt.

Ich bin keine besonders geübte Wanderin und meine Beine werden bald einmal müde. Dies war zum Glück keine lange Wanderung. Aber plötzlich ist mir etwas aufgefallen. Wenn ich auf sandigen Grund laufe, werde ich schneller müde als wenn ich auf den Steinen laufe. Da der Weg auf dem wir gingen recht steinig war, liessen sich gut Steine oder steinige Stellen finden, auf denen ich laufen konnte. Das gab meinen Schritten mehr Kraft und ich fühlte mich weniger müde.

Die Strände auf Rhodos waren mehrheitlich Kiesstrände. Darauf zu laufen, war nicht sehr einfach. Wer Badeschuhe dabei hatte, gelangte gut von der Liege ins Meer und nach dem Schwimmen wieder raus aus dem Meer. Den anderen taten die Füsse weh.

Diese Erlebnisse erinnerten mich daran, dass es uns im Leben so ähnlich gehen kann. Gewisse Lebensumstände machen uns müde. Es gibt schon wieder Corona-Einschränkungen. Wen macht das nicht müde? Wir brauchen für unsere Lebensschritte einen festen Grund, einen Boden, der uns nicht ermüdet und auch nicht Schmerzen bereitet. Gott bietet uns seine Liebe an. Seine Liebe ist beständig und fest. Darauf können wir sicher gehen.

Er stellte mich auf festen Boden und gab meinen Füssen festen Halt.

Psalm 40,3

Sicht auf die Kostbarkeiten

Monatsblatt Oktober 2020 für die Taubblinden-Hilfe

Sicht auf die Kostbarkeiten

Vor einigen Jahren verbrachte ich mit meinen Kindern im Oktober eine Ferienwoche in Kroatien, die ganz anders verlief als wir es uns vorgestellt hatten.

Es geschah bereits am zweiten Abend. Kristina und die anderen Kinder sprangen in der Hotelhalle herum, spielten und amüsierten sich prächtig. Plötzlich fiel eine schwere Heizungsabdeckung auf Kristinas Fuss. Es war nicht schön: Der kleine Zeh am rechten Fuss war gequetscht, gebrochen und aufgeschlitzt. Es wollte nicht aufhören zu bluten. Spät nachts mussten wir eine Stunde mit dem Auto fahren, um zum nächstgelegenen Krankenhaus zu kommen. Bis wir nach dem Röntgen und dem Nähen endlich im Bett waren, war es 2 Uhr morgens.

Nach diesem Unfall war die Ferienstimmung weg. Ich wollte nur noch klagen. Aber das macht alles nur noch schlimmer. Also entschied ich mich bewusst die Kostbarkeiten zu sehen. Hier sind einige davon:

Nur der kleine Zeh und nicht der ganze Fuss war gebrochen. Es waren Menschen da, die Kristina und mir halfen, die uns in das Krankenhaus fuhren und mit Kristina Zeit verbrachten, um mich zu entlasten. Die Kosten für die Behandlung im Krankenhaus waren viel tiefer als erwartet. Kristina hatte nicht viele Schmerzen.

Unsere Umstände können wir selten beeinflussen. Es gibt vieles worüber wir klagen könnten: Eine Erkrankung. Das Alleinsein. Keine Arbeit oder keine Ferien. Wenn es mir schwerfällt zu danken, denke ich an die kleinen Dinge: Ich kann atmen, ich habe ein Zuhause und genug zu essen. Ich kann meine Füsse und Hände gebrauchen. Ich habe einen Gott, der für mich ist und in allem bei mir ist. Die Kostbarkeiten zu sehen, hilft mir das Gute nicht zu vergessen und macht mein Herz froh.

Die Bibel ermutigt uns auch dazu:

Dankt Gott in jeder Lebenslage! Das will Gott von euch

und macht es durch Jesus Christus möglich.

1. Thessalonicher 5,18

Ruth Zacharias – eine aussergewöhnliche Frau

Monatsblatt September 2020 für die Taubblinden-Hilfe

Ruth Zacharias – eine aussergewöhnliche Frau

Am 12. August dieses Jahres feierte Ruth Zacharias ihren 80. Geburtstag. Joachim und ich waren zur Geburtstagsfeier von Ruth Zacharias eingeladen. Diese aussergewöhnliche Frau hat trotz ihrer Erblindung und langen Krankheitszeiten Erstaunliches bewegt und davon möchte ich heute erzählen:

Nach ihrer Erblindung mit 10 Jahren wird Ruth Zacharias als Gemeindehelferin ausgebildet und arbeitet als Schriftsetzerin und Korrektorin für Punktschrift in der Blindenbuchdruckerei Wernigerode. Sie sagt als 18-Jährige: «Der Gedanke, dass wirklich jemand taubblind sein könnte und dass ich einem solchen Menschen irgendwann begegnen würde, versetzte mich in Panik.» Zwei Jahre später trifft sie eine volltaubblinde Frau und merkt: Keine Panik, aber das «Wissen darum, dass Taubblindheit andere Massstäbe setzt und höchste Herausforderungen mit sich bringt». Sie wird berufen eine Arbeit für taubblinde Menschen in der DDR aufzubauen. Diese Arbeit fängt in ihrem 12 m2 Wohnraum an. Weder ihre Blindheit noch die Zweifel an ihrer Eignung für diese Arbeit noch lange Krankheitszeiten konnten sie von ihrem Auftrag abhalten. Heute umfasst ihre Arbeit in Radeberg eine Begegnungsstätte, ein Angebot für Beratung und ambulant betreutes Wohnen und einen aussergewöhnlichen, wunderschönen botanischen Blindengarten, den auch Blinde und Taubblinde anhand eines Handlaufs auf rund 22’000 m2 selbstständig begehen, riechen und betasten können.

Woher nimmt Frau Zacharias bis heute die Kraft an ihrem Auftrag festzuhalten? Sie sagt selbst: «Gottes Kraft – das Geheimnis der Schwachheit – und zugleich das Geheimnis der Gnade.» Schwachheit ist für unser Wirken kein Hindernis. Wir können uns jeden Tag von Gnade erfüllen lassen. Gott selbst spricht uns zu:

Meine Gnade ist alles, was du brauchst, denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur vollen Auswirkung.

1.Korintherbrief 12,9

Mein Ort der Geborgenheit (gekürzte Fassung)

Monatsblatt August 2020 für die Taubblinden-Hilfe

Mein Ort der Geborgenheit

Heute erzähle ich eine kleine Familiengeschichte, die mich immer noch zum Schmunzeln bringt:

Mitten an einem Freitagmorgen hörte ich jemanden an der Haustür. Ich erwartete niemanden und war überrascht, meine damals sechsjährige Tochter Kristina, zu sehen. Sie hätte doch im Kindergarten sein sollen. Die Kindergärtnerin hatte sie vor die Tür geschickt, weil sie sich lautstark über etwas beschwert hatte. Vor der Tür überlegte Kristina nicht lange, zog ihre Stiefel und Jacke an, packte ihre Tasche und rannte nach Hause. Dort wollte sie sich mit ihrer Kuscheldecke in ihrem Bett verstecken. Ich entdeckte sie kurz bevor sie im Bett ankam.

Ein schneller Rückzug an den Ort, wo ich mich geborgen weiss, ist eine natürliche Art mit den Widerwärtigkeiten des Lebens umzugehen.

Kristina musste noch lernen, sich den schwierigen Situationen zu stellen, eine Strafe abzusitzen und sich wieder mit der Lehrerin zu vertragen. Und doch hat ihre Reaktion zu mir gesprochen.

Wie reagiere ich, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es mir wünsche? Wir alle müssen uns gewissen Situationen stellen, mit manchen Menschen klarkommen und Dinge mal stehen lassen können. Aber Kristinas Reaktion war auch nicht so schlecht: An einem sicheren Ort kann ich meinen Frust ausheulen, die Geschichte aus meiner Perspektive erzählen, muss mich nicht verteidigen; ich kann so sein und mich so zeigen, wie ich mich fühle.

Gott bietet mir so einen Geborgenheits-Ort an. Er sagt: Ich bin wie eine Burg. Zu mir kannst du laufen, bei mir kannst du dich verstecken. In den Psalmen steht:

Denn du beschützt mich, wie eine Burg, eine Zuflucht,

wenn ich in Not bin.

Psalm 59,17