Schritt für Schritt

Hier ist nun der ausführliche Bericht meiner Wanderferien:

Am ersten Tag wanderten wir auf und um den Creux du Van. Etwa 730 Höhenmeter. Die schweren Rucksäcke hatten wir am Bahnhof gelassen, was mit einer gewissen Hektik in Neuchâtel verbunden war, da wir nur wenige Minuten zur Verfügung hatten, um die Schliessfächer zu finden, alles reinzupacken und dann auf’s Gleis zu rennen (um den Anschluss nicht zu verpassen), aber eine weise Entscheidung war, obwohl ich dann noch mein Billette kaufen musste (was trotz einigen Anlaufschwierigkeiten schliesslich doch mit der SBB-App klappte). Es ging alles auf. Der Creux du Van war sehr eindrücklich und wir am Ende des Tages sehr müde – aber glücklich. Und mit meinen zwei Freundinnen zusammen hat Hektik immer einen Anstrich von…verrückt-lustig und „puh, wir haben’s geschafft“ – wir sind also gut und verrückt!

Am zweiten Tag nahmen wir den Zug von Le Locle nach Les Brennets, wo wir ein Schiff zu den Sauts du Doubs nahmen und dann dem Doubs nach Richtung Biaufond wanderten – etwa sechs Stunden und diesmal mit den schweren Rucksäcken. Da machte sich der Muskelkater in den Schienbeinen vom Abstieg des Creux du Van schon mal bemerkbar, aber ich schrieb innerlich schon an einem Blog.

Am dritten Tag wanderten wir den Doubs entlang bis nach Goumois – wir liessen die „Echelles de la mort“, also die Todesleitern wohlweisslich aus, aber ich hatte an diesem Punkt schon in den Überlebensmodus gewechselt und alle Gedanken an einen zukünftigen Blog waren verflogen. Ich sagte meinen Freundinnen nur, dass ich, falls ich überleben sollte, sicherlich einen Orden verdient hätte. Mir taten nicht nur die Schienbeine weh, sondern jetzt machten sich auch noch die Waden bemerkbar und um das Erlebnis noch unvergesslicher zu machen, schmerzten meine Fussballen. Nach ein paar Stunden ging es nur noch darum einen Schritt nach dem anderen zu machen – sonst wäre ich nie angekommen. Ich hatte auch keine andere Wahl. Und genau an diesem Punkt dämmerte mir, was unsere Wanderung mit meinem Leben zu tun hat – aber erst als ich schon längst wieder Zuhause war.

In der erster Woche nach den Wanderferien, als ich in den (anstrengenden Ferien-) Alltag mit den Kinder eintauchte, wurde mir etwas klar. Ich wache immer noch jeden Tag mit einem Hilfeschrei zum Himmel auf und gehe am Abend mit einem Danke auf den Lippen ins Bett. Dazwischen gibt es nur eins: einen Schritt nach dem anderen zu machen. Manchmal will ich keinen Schritt mehr machen oder dann nur Schritte weg von allem, was mir gerade zu anstrengend ist und über den Kopf wächst, aber es gibt gerade keinen anderen Weg mein Ziel (sagen wir mal kurzfristig gedacht: den Abend) zu erreichen, als nur einen Schritt nach dem anderen zu machen.

Manchmal geht es nur darum, das zu machen, was vor einem liegt. Ein Schritt nach dem anderen.

Aufstehen. Schritt. Frühstücken. Schritt. Pausenbrote schmieren. Schritt. Die Kinder mit einer Umarmung oder einem Kuss verabschieden. Schritt. Arbeiten. Schritt. Mittagessen kochen. Schritt. Nach dem Essen aufräumen. Schritt. Arbeiten. Schritt. Die Kinder nach der Schule in Empfang nehmen und mich dann auf den wirklich anstrengenden Teil gefasst machen. Schritt. Kinder an die Hausaufgaben erinnern. Schritt. Kristina helfen, die um meine Hilfe bittet, sie aber nicht wirklich annehmen will (z.B. bei den Hausaufgaben und was mich das an Nerven kostet, geht auf keine Kuhhaut). Lange überlegen und dann doch: Schritt. Mit Sven lesen üben. Schritt. Jana bei Berufswahl-Angelegenheiten helfen. Schritt. Und noch tausend andere kleine aber wichtige Dinge, die zur ganz normalen Alltagsbewältigung gehören. Und immer: Schritt.

Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass wir am vierten Tag unserer Wanderferien von Goumois in vier Stunden nach Soubey wanderten, wo wir in ein kleines Postauto stiegen, dass uns nach St. Ursanne brachte. Dort war unsere Wanderung zu Ende und wir nahmen den Zug nach Basel, wo wir ein paar sommerliche und erlebnisreiche Tage verbrachten.

Ein Schritt nach dem anderen. Ein Tag nach dem anderen. Woche um Woche. Aber wir erreichen Ziele. Wir kommen immer wieder an. Wir bleiben dran, Schritt für Schritt und deshalb sind wir Helden und haben einen Orden verdient.

Was ich beim Wandern gelernt habe

Hier ist die Kurzfassung meiner Wanderferien, die längere Version folgt in Kürze:

  1. Ein Ziel vor Augen zu haben, hilft mir weiterzugehen und gibt die Richtung an.
  2. Gute Begleiter machen Mut und motivieren.
  3. Manchmal kommt man nur vorwärts, wenn man einen Fuss vor den anderen setzt.
  4. Wenn die Last sehr drückt, kann es helfen die Haltung zu ändern oder die Last anzupassen.
  5. Gute Begleiter sind alles (das kann ich nicht genug betonen).

 

Heilig leben?

Was bedeutet es heilig zu leben? Das Wort heilig gehört ja nicht gerade zu unserem Alltagsvokabular. Aber wer sich ab und zu in ein Gotteshaus verirrt, der wird diese Worte vermutlich hören. Und wer regelmässig einen Gottesdienst besucht, der wird diese Worte schon so oft gehört haben, dass er sie schon wieder „überhört“. Aber ab und zu frage ich mich solche Fragen und möchte euch Anteil geben an meinen Gedanken dazu.

Bedeutet heilig leben gewisse Dinge nicht zu tun? Bedeutet es gewisse andere Dinge zu tun? Vielleicht. Vielleicht ist heilig leben aber noch viel mehr als nur gewisse Regeln einzuhalten.

Vor einiger Zeit habe ich gelernt, was das Wort heilig in der Bibel bedeutet, nämlich, „für einen besonderen Zweck abgesondert“. Vielleicht habt ihr noch Sonntagsgeschirr? Das wäre dann „heiliges“ Geschirr. Ich gebe zu, das ist alles vielleicht etwas arg vereinfacht, aber es hat mir das Wort heilig wieder näher gebracht und ich meine es jetzt besser zu verstehen, wenn uns gesagt wird, wir sollen heilig leben, weil Gott heilig ist.

Irgendwann haben wir angefangen ein heiliges Leben mit einem sündlosen Leben zu verwechseln. Und die Schuldgefühle mitsamt Selbstverdammnis lauern gleich um die Ecke. Ist ja nicht zu sagen, was für einen Druck wir uns dadurch aussetzen.

Ich habe nichts, rein gar nichts, gegen gewisse Leitplanken – ich begrüsse sie sogar – da wir alle wissen, dass im Zusammenleben jeder nicht einfach das machen darf, was er will. Hier geht es aber um unsere tiefste Motivation, eigentlich um unser Herz: Warum lebe ich wie ich lebe? Wer oder was bestimmt meinen Umgang mit dem Leben und mit allem, was mir das Leben so in den Schoss wirft?

Noch mehr als meinen Kindern einen gesunden Lebensstil (im christlichen Jargon wäre das dann „heilig leben“) zu vermitteln, möchte ich ihnen einprägen, dass Gottes Liebe für sie grösser ist als jeder Fehlentscheid und jedes Versagen. Ich habe jahrelang gebraucht das zu verstehen und wenn es etwas gibt, dass ich aus meiner Scheidung gelernt habe, dann ist es dies: Gott hat keinen Plan B. Er hat Plan A schon lange im Voraus gewusst und sich trotzdem auf mich eingelassen. Diese Liebe, dieses Trotz-Meines-Versagens-Für-Mich-Sein ist es, was mich so zu ihm zieht. Er kennt mein Scheitern, nimmt mich trotzdem an und hat sogar eine Bestimmung und einen Plan für mich. Diese Gnade ist unfassbar. Und plötzlich ist mein Leben total wertvoll und heilig (für einen besonderen Zweck abgesondert).

„Heilig leben“ scheint mehr damit zu tun zu haben, was Gott tut, als mit dem was ich tue. Oder könnt ihr euch vorstellen, wie Gott plötzlich überrascht aufschaut und sagt: „Hoppla, die Sonja da unten, die hat meinen Plan aber gehörig vermasselt. Oi vey, was mach‘ ich nun? Wie krieg‘ ich das jetzt wieder hin?“ Ich weiss nicht, wie gross dein Gott ist, aber meiner ist definitiv grösser.