Ehe und Scheidung von der Kanzel

Ich habe lange an der Formulierung folgender Gedanken gearbeitet (etwa zwei Jahre) und endlich konnte ich das, was ich empfinde in eine akzeptable Form bringen. Ich habe meine Gedanken als Brief an Leiter von christlichen Gemeinden gefasst und vielleicht findet der eine oder andere Nicht-Leiter auch etwas Gedanken-Futter darin. Mir ist es wichtig diese Gedanken auf Papier zu bringen, da ich dieses Jahre innerlich mit meiner gescheiterten Ehe abgeschlossen habe. Es war ein langer Prozess und jetzt bin ich bereit weiterzugehen. Mich erfüllt ein tiefer Friede über meinen jetzigen Zivilstand. Das ist für mich nicht selbstverständlich. Es ist ein grosses Geschenk diese Freiheit zu spüren. Ich möchte es nicht unterlassen zu erwähnen, dass ich gerade  in meiner Gemeinde viel Unterstützung erfahren habe und meine Erfahrungen mit Christen und dem Thema Scheidung nicht nur negativ waren. Es gibt allerdings in unserem Reden und Denken über unseren Glauben und das Leben noch ein gewisses Lernpotenzial. Wie überall.

Liebe Leiter der christlichen Gemeinde

Ich möchte euch gerne ein Feedback geben zu der Art, wie ich die Äusserungen von der Kanzel zum Thema Ehe und Scheidung empfinde.

Mein von Gott wiederhergestelltes und noch fragiles Selbstvertrauen kann mit ein paar Worten von der Kanzel zerschmettert werden und ich liege am Boden und habe das Gefühl, ich sei eine hartherzige Person, mit der Jesus nichts anfangen kann.

Die Eheratschläge, die ich von der Kanzel höre, sind sehr generell gefasst, nicht differenziert und zeigen nur den Idealfall auf, wo beide Partner bereit sind an der Ehe zu arbeiten; ein Partner betet und der andere kommt zur Einsicht, usw. Aber, es gehören immer zwei dazu, um eine Ehe zu retten. Wenn eine Ehe auseinandergeht, sagt man schnell, dass es zwei dazu braucht. (Ich bin der Meinung, dass einer allein eine Ehe kaputt machen kann.) Wenn eine Ehe gekittet werden soll, scheint die Meinung zu herrschen, dass ein Partner das allein hinkriegen soll!! Da kann ich nur müde mit dem Kopf schütteln.

Ich kämpfe mich jeden Tag durchs Leben. Vieles ist für mich als Alleinerziehende sehr schwer und sehr belastend. Dabei ist mein grösster Trost und meine grösste Stütze und Hilfe im Leben, nebst lieben Freunden und Nachbarn, die Gegenwart von Jesus und das Wort Gottes. Wenn ich dann in den Gottesdienst gehe und mich anschliessend entmutigt und missverstanden fühle, ist das ganz ganz schwierig. Ich bin der Meinung, ihr seid euch einfach nicht bewusst, was eure harten Worte über Scheidung in einer geschiedenen Person auslösen.

„Mit einem weichen Herz wird Ehe lebbar“. Richtig. Ich bin einverstanden, aber ihr bleibt da stehen und in mir redet es weiter: „Da ich in meiner Ehe nicht länger leben konnte, habe ich ein hartes Herz. Meine Ehe ist vielleicht daran gescheitert, dass ich ein hartes Herz habe…“ usw.

Während dem Rest der Predigt versuche ich aus diesem Wirrwarr raus zu kommen und verpasse die anderen Dinge, die gesagt wurden und bin am Schluss total geschlaucht.

Ich suche in euren Aussagen über die Ehe immer die Gnade für die Gescheiterten und finde sie selten bis nie. Das macht mir nicht Mut, das reisst mich nur jedes Mal wieder runter.

Es ist ja nicht so, dass wir Christen (und ich bin inzwischen der Meinung, auch die, die sich nicht als Christen bezeichnen) eine leichtfertige Entscheidung zur Scheidung getroffen haben (was eine Zeitlang von der Kanzel so klang: Scheidung ist der weltliche Stil mit einer problematischen Ehe umzugehen). Ganz im Gegenteil. Aber uns wird unterstellt, dass wir mit der Scheidung einfach den Weg des geringsten Widerstandes gewählt haben. (Weil ja mit Christus alles möglich ist… versteht ihr?) Oder, dass wir hartherzig sind. Oder, dass uns nicht bewusst ist, was wir unseren Kindern antun. Wie oft habe ich schon darüber geheult, weil ich kaum mit dem fertig werde, was ich meinen Kindern antue. Warum wohl lebte ich fünf Jahre getrennt, bevor es zur Scheidung gekommen ist? Wohl kaum, weil ich diese Entscheidung leichtfertig getroffen habe. Aber es wird oft von der Kanzel so dargestellt, als würden Scheidungen in der Welt zum alltäglichen Leben gehören, wie das Nutellabrot zum Z’morge.

Was als Zeugnis gemeint ist: „Unser Glaube hat uns vor einer Scheidung bewahrt“, kommt mir schräg rein. Bei manchen Eheleuten wird das stimmen, aber mich hat mein Glaube nicht davor bewahrt und viele andere auch nicht. Und wir sind selber schockiert und entrüstet darüber.  Wenn es um körperliche Heilung geht, versuchen wir immer auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die nicht geheilt werden und auch sie zu ermutigen. Nur bei den Geschiedenen verhalten wir uns wie der Elefant im Porzellanladen.

Mal fiel in einem Gottesdienst von der Kanzel der Satz „…falls hier Geschiedene sind…“. Und ob. Ich meine, ging der Pastor wirklich davon aus, dass keine oder nur vielleicht Geschiedene im Gottesdienst sind? Ja, wir sind da und vermutlich nicht wenige. Was ich schön fand, ist, dass wir als Geschiedene erwähnenswert waren. Immerhin.

Wenn ein Prediger ausdrückt, dass seine Ehe (oder die Ehen der Christen) vor dem Zerbruch sicher ist, fühle ich mich in Frage gestellt. Was habe ich als Christ falsch gemacht? Irgendetwas muss mit meinem Christsein, mit meinem Glauben oder mit mir nicht stimmen.

Es macht einen Unterschied aus, wer was sagt (und natürlich auch wie). Wenn sich eine geschiedene Person zum Thema Ehe und Scheidung äussert, denke ich: „Ja, du weisst wovon du redest“. Wenn eine Person mit einer intakten Ehe das Gleiche sagt, denke ich: „Du hast ja keine Ahnung“. Die geschiedene Person redet aus der Zerbrochenheit heraus, die ungeschiedene Person redet oft aus einer Überheblichkeit heraus – so scheint es zumindest. Und ganz ehrlich, so habe ich früher auch geredet und gedacht.

Wenn ich nicht die Erfahrung meiner ersten Ehe hätte, die mir bestätigt, dass zwei fehlerhafte Menschen sehr wohl eine gute (sogar eine sehr gute) Ehe führen können, würde ich tatsächlich an meiner Ehefähigkeit zweifeln. Und zwar hauptsächlich wegen dem, was ich von der Kanzel zu hören bekomme. Dagegen weiss ich aus eigener Erfahrung, dass Liebe, Annahme und Vergebung in einer Ehe funktionieren. Aber ich habe die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass es nicht funktioniert, wenn nur ein Partner bereit ist Ehe zu leben.

Ich hoffe, dass euch diese Gedanken helfen mit geschiedenen Menschen besser umzugehen. Wir versuchen, wie alle anderen auch, uns nach unserem Scheitern wieder aufzuraffen, aufzustehen und weiterzugehen. Auf unserem Weg könnten wir, wie alle anderen auch, Vergebung, Annahme, Liebe und Ermutigung brauchen. Da war doch einer, vor etwa 2000 Jahren, der hat das vorbildlich vorgelebt. Ihm nach!

Ein (nicht) ganz normaler Morgen

Wie schön, wenn ein Morgen normal abläuft. Das geht mir gerade durch den Kopf, denn was mir manchmal schon anstrengend genug scheint, kommt mir seit einigen Wochen richtig erholsam vor.

Nachdem ich eines Morgens um 5:50 h aufgestanden war, stellte ich fest, dass sich das halbe Hause in Dunkelheit hüllte. Kein Strom. Das ist bei uns keine Seltenheit, aber in letzter Zeit nicht mehr so häufig der Fall wie auch schon, da ich gelernt habe den Staubsauger nicht dann zu benutzen, wenn der Geschirrspüler läuft, die Mikrowelle nur dann zu gebrauchen, wenn sich niemand die Haare föhnt oder der Wasserkocher nicht in Gebrauch ist. Und wenn die Waschmaschine läuft, müssen alle anderen elektrischen Geräte schweigen.

Nun, ich weiss nicht, was ich am Abend vorher übersehen hatte, und vielleicht war es nur eine Laune unseres veralteten elektrischen Systems, aber mitten in der Nacht ging auf der elektrischen Ebene nichts mehr. Da es die Küche betraf, sprich den Kühlschrank mit Gefrierschrank und den Herd, war ich schon mal leicht gestresst.

Nachdem ich im Keller alle Sicherungen ausgetauscht hatte, wo sich das Problem nicht befand, entschied ich mich den Hauswart zu kontaktieren. Es war 6.39 h.

Antwort des Hauswarts (SMS): Sicherung an der Giebelseite wechseln.

Ich (in Gedanken): Giebelseite. Hm, Giebelseite? (nach 5 Minuten) Ah, Giebelseite! Und gleich danach die Erkenntnis, dass ich weder einen Schlüssel zu diesem Sicherungskasten habe, noch befugt sei, diesen Sicherungswechsel auszuführen. Kurz: Ich hatte immer noch keine Ahnung was zu machen war.

Also, ich (SMS): Machen Sie das?

Hauswart (SMS): Bin um 13 h dort. Sie müssen anwesend sein.

Ich (in Gedanken und in Svens Worten): „Whaddah??!?!!“ Um 13 h – das geht gar nicht!

Daher, ich (SMS): Und wie soll ich kochen? Kann jemand anders die Sicherung wechseln?

Hauswart (SMS): Frau Fischer fragen. Ich habe Termine.

An dieser Stelle muss ich einfügen, dass ich kurz vor 7 h schon zu Frau Fischer unterwegs gewesen war, aber wieder umgekehrt war, weil es noch so furchtbar früh war. Frau Fischer und ihr Mann sind für mich Gottes Vertreter in meiner Nachbarschaft, wenn ich jemanden brauche, der weiss was zu tun ist und auch anpackt, also vor allem dann, wenn der Hauswart nicht abkömmlich ist, oder wenn ein Trottinette auseinander zu fallen droht, oder ein Fahrrad Schwarz statt Lila sein sollte, oder Sven einen Haarschnitt braucht.

Da ich für gewöhnlich um 7 h  nicht bei meinen Nachbarn an die Tür klopfe, kratzte ich meinen ganzen Mut zusammen. Meine Verzweiflung gab mir auch noch einen Schubs. Obwohl ihre Kinder noch am Frühstückstisch sassen, waren Frau Fischer und ihr Mann wie immer sehr hilfsbereit, gaben mir ein paar andere Sicherungen zum Ausprobieren und überlegten sogar, ob es hilfreich wäre, wenn ein Mann mit dem Hauswart telefonieren würde. (Den Gedanken habe ich überaus geschätzt.)

Kurz darauf kam dann überraschend das erlösende SMS vom Hauswart: Ich chumä schnäll. (Das ist Schweizerdeutsch für „ich komme schnell“.) Vermutlich war er inzwischen auch wach.

Das Problem war dann auch schnell gelöst, alle Lichter gingen an, der Kühlschrank surrte wieder vor sich hin und der Ofen war einsatzbereit.

Und heute geniesse ich meinen ganz normalen Morgen.

Das Leben ist (zu) schwer

„Nach dem Mittagessen legte ich mich aufs Bett und weinte einfach. Ich weiss nicht, wann ich das zuletzt getan habe.

Ich weinte, weil das Leben schwer ist und weil es sich im Moment – eigentlich fast immer – zu schwer anfühlt.

Ich weinte, weil sich mein Leben auf eine gewisse Art abspielt: Ich habe eine Hoffnung auf die ich warte (das macht angeblich stark, toll, was?) und das finde ich extrem schwierig und mag so lange Wartezeiten ganz und gar nicht. Ausserdem verliere ich den Mut und heule dann los.

Letztes Jahr waren für mich die Finanzen eine Herausforderung. Dieses Jahr ist es eine Herausforderung meinen Glauben und meine Hoffnung nicht zu verlieren. Wenigstens muss ich mich nicht gleichzeitig mit beidem herumschlagen.

Irgendwie muss ich versuchen alles loszulassen, was mir jetzt zu schwierig erscheint. Und das ist auch schwierig.

Jetzt bin ich richtig müde (und meine Beine spüren all die tausend Stufen, die wir im Alpamare immer wieder hochgelaufen sind).

Ich brauche erlösende Gnade.“

Obwohl ich diese Worte im Februar 2013 geschrieben hatte, also noch ziemlich am Anfang des Jahres, haben sich die darin beschriebenen Gefühle und Gedanken, wie ein roter Faden durch das Jahr gezogen. Ich erlebte auch Schönes, kleine Höhepunkte (immerhin bin ich auf meiner Dankesliste schon bei Nr. 919 angekommen), Ruhezeiten, und kam doch immer wieder an den Punkt, an dem mir alles zu schwer und mir das Warten auf bessere Zeiten zu lang vorkam. Erst jetzt im Herbst fiel etwas von dieser Schwere von mir ab.

Das klingt jetzt sehr unfertig und das ist es auch. Ich bin immer noch am Hoffen und Warten, aber abgesehen von einer ziemlich permanenten Müdigkeit, die wohl daher kommt, dass ich drei Kinder grossziehe, arbeite und mich mit miesem Haushaltspersonal rumschlagen muss, geht es mir gut. Ich habe noch Hoffnung. Ich habe auch noch Glauben, dass einer über mir wacht, der es gut mit mir meint. Und das macht mein Herz sehr froh!

P.S.: Für alle, die Englisch verstehen: Die Band Tenth Avenue North drückt in ihrem Lied „Worn“ diesen Zustand von dem ich hier schreibe sehr gut aus: http://www.youtube.com/watch?v=zulKcYItKIA