Ich habe in den letzten Jahren immer wieder angefangen über Scheidung und Wiederheirat zu schreiben; bei mir liegen etwa acht angefangene und nicht fertiggeschriebene Artikel herum. Das Thema ist jedoch so breit (es gibt ganz dicke Bücher darüber) und ich habe so viele Gedanken dazu, dass ich jedes Mal frustriert aufgebe, weil ich mich in den tausend Details verliere und am Schluss nicht mehr weiss, wo ich denn überhaupt anfangen und aufhören soll. Ein paar von meinen Freundinnen haben nach ihrer Scheidung bereits wieder geheiratet und kürzlich, bei der letzten Hochzeit, brannten mir die Worte im Kopf und in den Fingern…ich muss daher wieder einen Versuch starten und darüber schreiben. Um es mir einfacher zu machen, versuche ich das Thema in kleinere Häppchen zu portionieren; vielleicht verdaut es sich dann auch leichter?
Mir ist bewusst, dass ich mich mit diesem Thema auf die Äste rauswage. Mir geht es weder darum Andersdenkende von meiner Auffassung zu überzeugen, noch darum die Entscheidung meiner Freunde und Freundinnen und auch meine für eine Wiederheirat nach einer Scheidung zu rechtfertigen. Vielmehr geht es mir um eine Erweiterung unseres Denkens und Verständnisses, um eine gelebte Barmherzigkeit und schlussendlich auch um einen lebbaren Glauben und ein Leben und eine Liebe, die dem nahe kommen, was Gott sich vorgestellt hat.
Einige von meinen Lesern werden sich verwundert die Augen reiben – ist die Wiederheirat nach einer Scheidung überhaupt ein Thema? Nun, in christlichen Kreisen ist es ein recht kontroverses Thema, was ich möglichst kurz erklären möchte (um mich nicht schon hier zu verlieren). In der Bibel gibt es einige Aussagen und Zitate von Jesus, die von manchen so auslegt wird, dass eine Wiederheirat nach einer Scheidung eine Sünde ist. (Auf diese Stellen möchte ich in späteren Artikeln eingehen, sonst schafft es dieser Artikel auch nie zur Veröffentlichung, was ja nun wirklich schade wäre.)
Interessanterweise wird – meines Wissens – in der Torah (das sind die fünf Bücher Mose, die zur Bibel gehören) nur eine Situation erwähnt, in welcher eine Wiederheirat nach einer Scheidung nicht erlaubt ist: Hat ein Mann seine Frau wegschickt (sich von ihr geschieden, indem er ihr einen Scheidebrief gab) und hat diese Frau einen anderen Mann geheiratet, der sich auch wieder von ihr geschieden hat, darf der erste Mann sie nicht wieder heiraten.* (Wenn ich ganz mutig bin, greife ich in einem späteren Artikel ebenfalls diese Situation auf, wobei es bei meinem Thema gar nicht um diese Situation geht.) Was wir aber bereits aus dieser Stelle erkennen ist Folgendes: Der Scheidebrief ist die offizielle Bestätigung, dass eine Frau nicht mehr verheiratet und somit für eine neue Ehe (Wiederheirat nach einer Scheidung) frei ist.
Aber zurück zu mir. Ich war noch ein Teenager als ich in einem Buch von Catherine Marshall** las, dass Gott ein Gott der Wiederherstellung ist. (Kleiner Einschub: Catherine Marschall war verwitwet und setzte sich vor ihrer Ehe mit einem geschiedenen Mann intensiv mit diesem Thema auseinander.) Schon damals als Teenager merkte ich, dass Scheidung und Wiederheirat ein heiss diskutiertes und kontroverses Thema in der christlichen Landschaft ist. Ich hatte grossen Respekt vor dieser Schriftstellerin, die Gott von Herzen liebte und die ehrlich und aufrichtig die richtige Entscheidung treffen wollte. Ihr Ringen, ihre Entscheidung (sie heiratete diesen geschiedenen Mann) und diesen Gedanken habe ich nie vergessen.
Heute, über 30 Jahre später, merke ich, dass gerade dieser Gedanke, dass Gott ein Gott der Wiederherstellung ist mich in meiner Einstellung zum Thema Scheidung und Wiederheirat grundlegend geprägt hat und weiterhin prägt. (Ich nehme an, dass unsere Theologie immer von unserer Biografie geformt wird und ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen, es ist vermutlich einfach so.) Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das geschriebene Wort Gottes, die Bibel, nicht von Gottes Wesen trennen dürfen, was auch für alle Verse und Bibelstellen über Scheidung und Wiederheirat gilt. Deshalb wollte ich ganz bewusst mit diesem Gedanken der Wiederherstellung beginnen. Alles Weitere muss unter diesem Gesichtspunkt gesagt und verstanden werden.
Ich bin überzeugt, dass eine Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen kein Krankenhaus sein sollte – also nicht der Ort, an dem alle unsere inneren Wunden geheilt, unsere Verprägungen gerade gebogen und unsere innersten Sehnsüchte endlich, endlich erfüllt werden – und gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass Gott auch eine neue Liebesbeziehung dazu gebrauchen kann, um etwas in uns und unseren Familien wieder herzustellen. Wir sollten Gott nicht unterschätzen!
Meine Freundin heiratete also zum zweiten Mal, ich selber werde in wenigen Wochen (zum dritten Mal!) heiraten und Gott tut, was er am besten kann: Wiederherstellen.
*Für die Neugierigen unter euch: Das steht in 5. Mose 24,4.
**Catherine Marschall (1914-1983), eine amerikanische Autorin, hat den Roman „Christy“ und die Bücher „Gott hat keine Enkel. Mein Weg zum Glauben“, „Bete und Staune. Meine Erfahrungen mit dem Gebet“ u.v.m. geschrieben.