Die Frage

„Hat er diese Dummheit machen müssen, nur damit ich daran lerne und wachse? – Ist das die Entschuldigung für sein Verhalten?“

Die Verzweiflung meiner Freundin war gross. Sie war durch das Verhalten ihres Mannes tief verletzt worden und rang mit den vielen Gefühlen, die einem in so einem Moment durchfluten und die man versucht zu sortieren und zu verstehen. Ich wollte helfen, trösten, hatte aber keine spontane Antwort auf ihre Frage, die mich noch jahrelang beschäftigen sollte. (Und überhaupt, was weiss ich schon?)

Der Wortlaut dieser Frage ändert sich je nach Situation immer wieder, aber am Ende stellt sich im Grunde immer die Frage: Müssen wir schlechte Entscheidungen treffen oder müssen andere an uns schuldig werden, bevor wir uns verändern lassen und zu reiferen Persönlichkeiten werden? (Und wo, bitte, ist Gott in all dem drin?)

Die Antwort auf diese Frage ist nein, davon bin ich heute überzeugt. Unsere persönliche Entwicklung hängt nicht vom Verhalten anderer Menschen ab. Die Entschuldigung für ihre schlechten Entscheidungen liegt nicht darin, dass wir dadurch zu besseren Menschen werden.

Wir können jedoch davon profitieren, da wir alle früher oder später in unserem Leben mit Dingen konfrontiert werden, die uns herausfordern über uns selbst hinauszuwachsen – unser Charakter wird geschliffen, wir werden vor die Wahl gestellt, aus unseren Prinzipien und nicht aus verletzten Gefühlen heraus auf Brüskierungen zu reagieren. Dadurch werden wir barmherziger und gnädiger, wir wachsen in die Tiefe, machen Platz für Neues.

Diese Herausforderung kann durch eine Person oder durch Umstände eintreten, die wir nicht kontrollieren können: Naturkatastrophen, menschliches Versagen, Ablehnung oder schlichte Gemeinheit und die Unreife anderer Menschen. Manche von uns kämpfen mit inneren Dämonen, Verprägungen, falsche Denkmuster.

In dieser Frage geht es viel weniger darum wer Schuld ist (mal ehrlich, was habe ich davon, wenn ich das weiss, ausser dass ich noch selbstgerechter werde), sondern viel mehr um meine Reaktion darauf. Ob und wie ich mich diesen Herausforderungen stelle, ist mir selbst überlassen und auch meine alleinige Verantwortung.

Den Schmerz von Verrat oder Verlust zu erleben, wird entweder etwas Positives oder etwas Negatives ins uns hervorbringen – etwas wird es auf jeden Fall hervorbringen und ohne Entscheidung für das Positive wird das Negative schnell die Oberhand gewinnen. Diese Entscheidung ist ganz und gar unabhängig davon wer an der ganzen Misere Schuld ist.

Das scheint nicht immer fair zu sein, aber wer sagt, dass das Leben fair ist? Ist es nicht. Das Leben ist das Leben: unfair, kompliziert, chaotisch, verwirrend, laut und manchmal leise, vergebend, zart, herrlich und wunderschön. Dafür – das Leben in der ganzen Fülle zu erleben – entscheide ich mich jeden Tag neu.

(In diesen Gedanken geht es nicht um unser Verhalten in einer Situation in der wir Missbrauch erleben.)

Die Stimme im Kopf

Also, ganz ehrlich, das Bild vom kleinen Engel- oder Teufelchen, der einem auf der Schulter sitzt und einem Gutes oder Böses zuflüstert, fand ich schon immer etwas lächerlich. Aber diese Stimmen im Kopf, die kenne ich. Gerade erst heute beim Joggen schmunzelte ich darüber, wie ich mir zu allem und jedem meine Gedanken mache; zum zertretenen Blatt auf dem Asphalt genau so wie zu den Menschen, die mir auf meiner kurzen Tour begegnen.

Zum Beispiel die Mutter, die mit ihren zwei kleinen Kindern am Seeufer spazieren ging. Zuerst fielen mir ihre Stiefel auf: Schwarz-weiss gekringelte Gummistiefel – herrlich schön. Deshalb lächelte ich sie an, als ich an ihr vorbei kam und sie lächelte zurück, mit einem Lächeln, das noch tausend Mal schöner war als ihre Stiefel. Möge sie die Menschen um sich herum mit diesem wunderschönen Lächeln jeden Tag wieder neu beglücken.

Und dann der Mann, der mit seiner bunten und sehr grossen Einkaufstasche auf dem Weg zur Tramhaltestelle war. Als er von weitem sah, das sein Tram schon unterwegs war, spurtete er los und innerlich feuerte ich ihn an: Ja, renn, du schaffst das!

Und dann höre ich diese Stimme im Kopf (und im Herzen):

„Siehst du? So sehe ich dich auch.

Ich sehe die kleinen Dinge, das Lächeln, das andere glücklich macht und das meine Freundlichkeit widerspiegelt.

Ich sehe, wie du Zeit vertrödelst und dann auf’s Tram rennen musst. Hörst du mich rufen? Du schaffst das!

Ich sehe sogar das zertretene Blatt und bestätige dir: Zerbrochenheit schliesst Schönheit nicht aus.

Wenn du die Augen und dein Herz aufmachst, siehst du meine Freundlichkeit im Lächeln einer Mutter, meine Ermutigung im Spurt eines Mannes, meine Güte in einem Blatt.“

Ich sag’s ja: Er sieht und er weiss.

Listen

Ich bin ein Listenmensch.

Listen retten meinen Alltag.

Ohne Liste trödele ich durch den Tag, mache gerade das, was mir vor die Füsse fällt, vergesse alles andere und wundere mich am Ende des Tages über alles, was ich nicht geschafft habe, um mir dann schleunigst alles Versäumte schön der Reihe nach in eine Liste zu verpacken, die ich am nächsten Tag erfolgreich und Punkt für Punkt in Angriff nehme. (Das war jetzt ein wunderbar langer Satz!)

Deshalb möchte ich festhalten: Ich finde Listen richtig toll und werde sie mir weiterhin zu Nutze machen, um meinen manchmal chaotischen Alltag erfolgreich und glücklich (ja, Listen tragen zu meinem Glück bei) zu meistern.

Ausserdem ist es ein gutes Gefühl einen Punkt nach dem anderen durchstreichen zu können – und an dieser Stelle muss ich bekennen, dass ich ab und zu, ja es kommt tatsächlich vor, wenn ich etwas erledigt habe, was nicht auf meiner Liste stand, es noch hinschreibe, um es sogleich wieder durchzustreichen. (Das sieht am Ende des Tages noch besser aus.)

Ehe und Scheidung von der Kanzel

Ich habe lange an der Formulierung folgender Gedanken gearbeitet (etwa zwei Jahre) und endlich konnte ich das, was ich empfinde in eine akzeptable Form bringen. Ich habe meine Gedanken als Brief an Leiter von christlichen Gemeinden gefasst und vielleicht findet der eine oder andere Nicht-Leiter auch etwas Gedanken-Futter darin. Mir ist es wichtig diese Gedanken auf Papier zu bringen, da ich dieses Jahre innerlich mit meiner gescheiterten Ehe abgeschlossen habe. Es war ein langer Prozess und jetzt bin ich bereit weiterzugehen. Mich erfüllt ein tiefer Friede über meinen jetzigen Zivilstand. Das ist für mich nicht selbstverständlich. Es ist ein grosses Geschenk diese Freiheit zu spüren. Ich möchte es nicht unterlassen zu erwähnen, dass ich gerade  in meiner Gemeinde viel Unterstützung erfahren habe und meine Erfahrungen mit Christen und dem Thema Scheidung nicht nur negativ waren. Es gibt allerdings in unserem Reden und Denken über unseren Glauben und das Leben noch ein gewisses Lernpotenzial. Wie überall.

Liebe Leiter der christlichen Gemeinde

Ich möchte euch gerne ein Feedback geben zu der Art, wie ich die Äusserungen von der Kanzel zum Thema Ehe und Scheidung empfinde.

Mein von Gott wiederhergestelltes und noch fragiles Selbstvertrauen kann mit ein paar Worten von der Kanzel zerschmettert werden und ich liege am Boden und habe das Gefühl, ich sei eine hartherzige Person, mit der Jesus nichts anfangen kann.

Die Eheratschläge, die ich von der Kanzel höre, sind sehr generell gefasst, nicht differenziert und zeigen nur den Idealfall auf, wo beide Partner bereit sind an der Ehe zu arbeiten; ein Partner betet und der andere kommt zur Einsicht, usw. Aber, es gehören immer zwei dazu, um eine Ehe zu retten. Wenn eine Ehe auseinandergeht, sagt man schnell, dass es zwei dazu braucht. (Ich bin der Meinung, dass einer allein eine Ehe kaputt machen kann.) Wenn eine Ehe gekittet werden soll, scheint die Meinung zu herrschen, dass ein Partner das allein hinkriegen soll!! Da kann ich nur müde mit dem Kopf schütteln.

Ich kämpfe mich jeden Tag durchs Leben. Vieles ist für mich als Alleinerziehende sehr schwer und sehr belastend. Dabei ist mein grösster Trost und meine grösste Stütze und Hilfe im Leben, nebst lieben Freunden und Nachbarn, die Gegenwart von Jesus und das Wort Gottes. Wenn ich dann in den Gottesdienst gehe und mich anschliessend entmutigt und missverstanden fühle, ist das ganz ganz schwierig. Ich bin der Meinung, ihr seid euch einfach nicht bewusst, was eure harten Worte über Scheidung in einer geschiedenen Person auslösen.

„Mit einem weichen Herz wird Ehe lebbar“. Richtig. Ich bin einverstanden, aber ihr bleibt da stehen und in mir redet es weiter: „Da ich in meiner Ehe nicht länger leben konnte, habe ich ein hartes Herz. Meine Ehe ist vielleicht daran gescheitert, dass ich ein hartes Herz habe…“ usw.

Während dem Rest der Predigt versuche ich aus diesem Wirrwarr raus zu kommen und verpasse die anderen Dinge, die gesagt wurden und bin am Schluss total geschlaucht.

Ich suche in euren Aussagen über die Ehe immer die Gnade für die Gescheiterten und finde sie selten bis nie. Das macht mir nicht Mut, das reisst mich nur jedes Mal wieder runter.

Es ist ja nicht so, dass wir Christen (und ich bin inzwischen der Meinung, auch die, die sich nicht als Christen bezeichnen) eine leichtfertige Entscheidung zur Scheidung getroffen haben (was eine Zeitlang von der Kanzel so klang: Scheidung ist der weltliche Stil mit einer problematischen Ehe umzugehen). Ganz im Gegenteil. Aber uns wird unterstellt, dass wir mit der Scheidung einfach den Weg des geringsten Widerstandes gewählt haben. (Weil ja mit Christus alles möglich ist… versteht ihr?) Oder, dass wir hartherzig sind. Oder, dass uns nicht bewusst ist, was wir unseren Kindern antun. Wie oft habe ich schon darüber geheult, weil ich kaum mit dem fertig werde, was ich meinen Kindern antue. Warum wohl lebte ich fünf Jahre getrennt, bevor es zur Scheidung gekommen ist? Wohl kaum, weil ich diese Entscheidung leichtfertig getroffen habe. Aber es wird oft von der Kanzel so dargestellt, als würden Scheidungen in der Welt zum alltäglichen Leben gehören, wie das Nutellabrot zum Z’morge.

Was als Zeugnis gemeint ist: „Unser Glaube hat uns vor einer Scheidung bewahrt“, kommt mir schräg rein. Bei manchen Eheleuten wird das stimmen, aber mich hat mein Glaube nicht davor bewahrt und viele andere auch nicht. Und wir sind selber schockiert und entrüstet darüber.  Wenn es um körperliche Heilung geht, versuchen wir immer auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die nicht geheilt werden und auch sie zu ermutigen. Nur bei den Geschiedenen verhalten wir uns wie der Elefant im Porzellanladen.

Mal fiel in einem Gottesdienst von der Kanzel der Satz „…falls hier Geschiedene sind…“. Und ob. Ich meine, ging der Pastor wirklich davon aus, dass keine oder nur vielleicht Geschiedene im Gottesdienst sind? Ja, wir sind da und vermutlich nicht wenige. Was ich schön fand, ist, dass wir als Geschiedene erwähnenswert waren. Immerhin.

Wenn ein Prediger ausdrückt, dass seine Ehe (oder die Ehen der Christen) vor dem Zerbruch sicher ist, fühle ich mich in Frage gestellt. Was habe ich als Christ falsch gemacht? Irgendetwas muss mit meinem Christsein, mit meinem Glauben oder mit mir nicht stimmen.

Es macht einen Unterschied aus, wer was sagt (und natürlich auch wie). Wenn sich eine geschiedene Person zum Thema Ehe und Scheidung äussert, denke ich: „Ja, du weisst wovon du redest“. Wenn eine Person mit einer intakten Ehe das Gleiche sagt, denke ich: „Du hast ja keine Ahnung“. Die geschiedene Person redet aus der Zerbrochenheit heraus, die ungeschiedene Person redet oft aus einer Überheblichkeit heraus – so scheint es zumindest. Und ganz ehrlich, so habe ich früher auch geredet und gedacht.

Wenn ich nicht die Erfahrung meiner ersten Ehe hätte, die mir bestätigt, dass zwei fehlerhafte Menschen sehr wohl eine gute (sogar eine sehr gute) Ehe führen können, würde ich tatsächlich an meiner Ehefähigkeit zweifeln. Und zwar hauptsächlich wegen dem, was ich von der Kanzel zu hören bekomme. Dagegen weiss ich aus eigener Erfahrung, dass Liebe, Annahme und Vergebung in einer Ehe funktionieren. Aber ich habe die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass es nicht funktioniert, wenn nur ein Partner bereit ist Ehe zu leben.

Ich hoffe, dass euch diese Gedanken helfen mit geschiedenen Menschen besser umzugehen. Wir versuchen, wie alle anderen auch, uns nach unserem Scheitern wieder aufzuraffen, aufzustehen und weiterzugehen. Auf unserem Weg könnten wir, wie alle anderen auch, Vergebung, Annahme, Liebe und Ermutigung brauchen. Da war doch einer, vor etwa 2000 Jahren, der hat das vorbildlich vorgelebt. Ihm nach!

Ein (nicht) ganz normaler Morgen

Wie schön, wenn ein Morgen normal abläuft. Das geht mir gerade durch den Kopf, denn was mir manchmal schon anstrengend genug scheint, kommt mir seit einigen Wochen richtig erholsam vor.

Nachdem ich eines Morgens um 5:50 h aufgestanden war, stellte ich fest, dass sich das halbe Hause in Dunkelheit hüllte. Kein Strom. Das ist bei uns keine Seltenheit, aber in letzter Zeit nicht mehr so häufig der Fall wie auch schon, da ich gelernt habe den Staubsauger nicht dann zu benutzen, wenn der Geschirrspüler läuft, die Mikrowelle nur dann zu gebrauchen, wenn sich niemand die Haare föhnt oder der Wasserkocher nicht in Gebrauch ist. Und wenn die Waschmaschine läuft, müssen alle anderen elektrischen Geräte schweigen.

Nun, ich weiss nicht, was ich am Abend vorher übersehen hatte, und vielleicht war es nur eine Laune unseres veralteten elektrischen Systems, aber mitten in der Nacht ging auf der elektrischen Ebene nichts mehr. Da es die Küche betraf, sprich den Kühlschrank mit Gefrierschrank und den Herd, war ich schon mal leicht gestresst.

Nachdem ich im Keller alle Sicherungen ausgetauscht hatte, wo sich das Problem nicht befand, entschied ich mich den Hauswart zu kontaktieren. Es war 6.39 h.

Antwort des Hauswarts (SMS): Sicherung an der Giebelseite wechseln.

Ich (in Gedanken): Giebelseite. Hm, Giebelseite? (nach 5 Minuten) Ah, Giebelseite! Und gleich danach die Erkenntnis, dass ich weder einen Schlüssel zu diesem Sicherungskasten habe, noch befugt sei, diesen Sicherungswechsel auszuführen. Kurz: Ich hatte immer noch keine Ahnung was zu machen war.

Also, ich (SMS): Machen Sie das?

Hauswart (SMS): Bin um 13 h dort. Sie müssen anwesend sein.

Ich (in Gedanken und in Svens Worten): „Whaddah??!?!!“ Um 13 h – das geht gar nicht!

Daher, ich (SMS): Und wie soll ich kochen? Kann jemand anders die Sicherung wechseln?

Hauswart (SMS): Frau Fischer fragen. Ich habe Termine.

An dieser Stelle muss ich einfügen, dass ich kurz vor 7 h schon zu Frau Fischer unterwegs gewesen war, aber wieder umgekehrt war, weil es noch so furchtbar früh war. Frau Fischer und ihr Mann sind für mich Gottes Vertreter in meiner Nachbarschaft, wenn ich jemanden brauche, der weiss was zu tun ist und auch anpackt, also vor allem dann, wenn der Hauswart nicht abkömmlich ist, oder wenn ein Trottinette auseinander zu fallen droht, oder ein Fahrrad Schwarz statt Lila sein sollte, oder Sven einen Haarschnitt braucht.

Da ich für gewöhnlich um 7 h  nicht bei meinen Nachbarn an die Tür klopfe, kratzte ich meinen ganzen Mut zusammen. Meine Verzweiflung gab mir auch noch einen Schubs. Obwohl ihre Kinder noch am Frühstückstisch sassen, waren Frau Fischer und ihr Mann wie immer sehr hilfsbereit, gaben mir ein paar andere Sicherungen zum Ausprobieren und überlegten sogar, ob es hilfreich wäre, wenn ein Mann mit dem Hauswart telefonieren würde. (Den Gedanken habe ich überaus geschätzt.)

Kurz darauf kam dann überraschend das erlösende SMS vom Hauswart: Ich chumä schnäll. (Das ist Schweizerdeutsch für „ich komme schnell“.) Vermutlich war er inzwischen auch wach.

Das Problem war dann auch schnell gelöst, alle Lichter gingen an, der Kühlschrank surrte wieder vor sich hin und der Ofen war einsatzbereit.

Und heute geniesse ich meinen ganz normalen Morgen.

Das Leben ist (zu) schwer

„Nach dem Mittagessen legte ich mich aufs Bett und weinte einfach. Ich weiss nicht, wann ich das zuletzt getan habe.

Ich weinte, weil das Leben schwer ist und weil es sich im Moment – eigentlich fast immer – zu schwer anfühlt.

Ich weinte, weil sich mein Leben auf eine gewisse Art abspielt: Ich habe eine Hoffnung auf die ich warte (das macht angeblich stark, toll, was?) und das finde ich extrem schwierig und mag so lange Wartezeiten ganz und gar nicht. Ausserdem verliere ich den Mut und heule dann los.

Letztes Jahr waren für mich die Finanzen eine Herausforderung. Dieses Jahr ist es eine Herausforderung meinen Glauben und meine Hoffnung nicht zu verlieren. Wenigstens muss ich mich nicht gleichzeitig mit beidem herumschlagen.

Irgendwie muss ich versuchen alles loszulassen, was mir jetzt zu schwierig erscheint. Und das ist auch schwierig.

Jetzt bin ich richtig müde (und meine Beine spüren all die tausend Stufen, die wir im Alpamare immer wieder hochgelaufen sind).

Ich brauche erlösende Gnade.“

Obwohl ich diese Worte im Februar 2013 geschrieben hatte, also noch ziemlich am Anfang des Jahres, haben sich die darin beschriebenen Gefühle und Gedanken, wie ein roter Faden durch das Jahr gezogen. Ich erlebte auch Schönes, kleine Höhepunkte (immerhin bin ich auf meiner Dankesliste schon bei Nr. 919 angekommen), Ruhezeiten, und kam doch immer wieder an den Punkt, an dem mir alles zu schwer und mir das Warten auf bessere Zeiten zu lang vorkam. Erst jetzt im Herbst fiel etwas von dieser Schwere von mir ab.

Das klingt jetzt sehr unfertig und das ist es auch. Ich bin immer noch am Hoffen und Warten, aber abgesehen von einer ziemlich permanenten Müdigkeit, die wohl daher kommt, dass ich drei Kinder grossziehe, arbeite und mich mit miesem Haushaltspersonal rumschlagen muss, geht es mir gut. Ich habe noch Hoffnung. Ich habe auch noch Glauben, dass einer über mir wacht, der es gut mit mir meint. Und das macht mein Herz sehr froh!

P.S.: Für alle, die Englisch verstehen: Die Band Tenth Avenue North drückt in ihrem Lied „Worn“ diesen Zustand von dem ich hier schreibe sehr gut aus: http://www.youtube.com/watch?v=zulKcYItKIA

Er führt

Folgende Gedanken schrieb ich im März 2005, also vor über acht Jahren. Mein Alltag hat sich seither enorm verändert, aber die darin beschriebene Wahrheit nicht:

„Gott führt uns jeden Tag. Manchmal merken wir das, manchmal nicht.“ Als ich diesen Satz las, füllten sich meine Augen mit Tränen. Wie schnell vergesse ich, dass Gott mich nicht einfach wie eine heisse Kartoffel fallen lässt, wenn ich das Gefühl habe, ich sei ihm nicht so nah, wie ich sein sollte oder wollte. Nur weil ich es nicht merke, dass Gott mich führt, heisst es noch lange nicht, dass er es nicht tut.

Mich erfüllt eine grosse Dankbarkeit gegenüber meinem Schöpfer, meinem Gott, der mich so sehr liebt, dass er sein Leben für mich hingab. Sein Leben gab er nicht hin, damit ich in irgendwelchen abgehobenen Sphären mein Dasein friste, sondern damit er mich dort führen kann, wo mich der Alltag einholt. Wie gestern, als ich

  • meinen sieben Monate alten Sohn immer wieder umziehen musste, weil er ständig am Erbrechen war;
  • noch schnell nach dem Mittagessen mit Jana zum Coop rennen musste, um für ihre Freundin eine Geburtstagsgeschenk zu besorgen;
  • die fast zwei Liter Sirup vom Boden aufwischen musste, die meine dreijährige Kristina verschüttet hat;
  • noch Kristinas Bett frisch anziehen musste, gerade als ich nach diesem anstrengenden Tag ins Bett wollte.

Manchmal scheint so ein Tag elend lang. Und ich vergesse ganz, dass mich der Allerhöchste führt, weil ich es nicht merke. Im Rückblick kann ich jedoch bestätigen, dass er da war, dass er trotz allen Nerven, die mich die verschiedenen Situationen gekostet haben, da war und mich und meine Kleinen getragen und ertragen hat. So wie ich es bei meinen Kindern tue, so tut er es bei mir – einfach besser.

Ganz ehrlich, mit drei Kindern, das Jüngste erst sieben Monate alt, mit Nächten, in denen ich zwei bis fünf Mal aufstehen muss, komme ich nicht wirklich dazu Zeit alleine mit Gott – in manchen Kreisen als „Stille Zeit“ bekannt – zu verbringen. Ich rede mit Gott während ich den Kleinsten Stille, während dem Abwasch oder unter der Dusche, da bin ich sehr flexibel. In der Bibel lese ich selten, ich schlafe dabei eher ein und komme kaum über  zwei Verse hinaus. Dafür begegnen mir Sätze wie der Anfangserwähnte oder ich schaffe es zwischen den unzähligen Kinder-CDs mal etwas Musik mit etwas Tiefgang zu hören, manchmal ergibt sich mit den Kindern ein Gespräch über Gott und die Welt, in der eine Wahrheit über Gott besonders hervorsticht und mich wieder neu bewegt und berührt. Ich merke, Gott ist ganz wie wir Mütter: flexibel und kreativ. Ihm gehen die Ideen, wie er uns neu begegnen kann so schnell nicht aus. Und ich bin einfach nur noch dankbar.

Er weiss und er handelt

Ein Gedanke aus der Bibel begleitet mich seit Anfang Jahr: Als das Volk Israel unter der grausamen Versklavung in Ägypten litt, schrien sie zu Gott. Gott hörte ihr Schreien und erinnerte sich an seinen Bund mit Abraham. Er sah das Volk Israel und wusste um ihre Not. Das steht im Alten Testament und jetzt machen wir einen Sprung ins Neue Testament zu Jesus, der mit seinen Freunden auf einem Boot unterwegs war. Plötzlich kam ein Sturm auf – und Jesus schlief. Seine Freunde weckten ihn und Jesus redete zum Wind und zu den Wellen und es wurde still.

Bevor Jesus die stürmischen Wellen auf dem See stillte, warfen ihm seine Freunde vor: Ist es dir egal, dass wir in diesem Sturm umkommen? So tönt es manchmal auch aus meinem Mund. Und Jesus sagt, was er immer sagt: Friede! Sei still! Er redet zum Sturm, dann aber auch zu mir: Warum hast du solche Angst? Glaubst du nicht? Glaubst du immer noch nicht? Touché.

So. Ich bin mir nicht ganz sicher, was diese zwei Begebenheiten mit einander zu tun haben, aber sie sprechen ganz stark in mein Leben rein. Gleich nach dem Satz im Alten Testament „er wusste um ihre Not“ handelt Gott. Er greift ein und führt das ganze Volk aus dieser schrecklichen Versklavung in die Freiheit. Und auch in der Begebenheit im Neuen Testament handelt Gott. Jesus spricht zu dem Sturm, der sich legt.

Manchmal fühle ich mich gefangen in den Verletzungen und Muster der Vergangenheit, manchmal fühle ich mich wie im Sturm – und ich weiss nie so genau, ob mein kleines Lebensboot jetzt untergehen wird oder nicht. Aber ich glaube an einen grossen und gütigen, einen liebevollen und allmächtigen Gott, der alles im Griff hat. Er hat Völker im Griff, genauso wie mein kleines Lebensboot. Und zu wissen, dass er ein handelnder Gott ist, gibt mir unglaubliche Hoffnung. Immer wieder.

Dankbarkeitsliste

Unsere Ferien waren etwas anders als wir dachten, was nicht nur am Wetter lag (mehr Regen als Sonne), sondern vor allem mit Kristinas Unfall zu tun hatte.

Ich erspare euch die grausigen Details und gebe euch stattdessen einen Einblick in meine Dankbarkeitsliste, die ich seit Anfang 2013 führe (inspiriert durch „One Thousand Gifts“ von Ann Voskamp). Hier sind einige Einträge von den Tagen nach dem Unfall.

Ich bin dankbar für:

750. Bewahrung: Die Heizungsabdeckung in der Hotellobby hat nur Kristinas kleinen Zeh erwischt, gebrochen und aufgeschlitzt, nicht den ganzen Fuss.

751. Sven, der geistesgegenwärtig einen Kellner alarmierte.

752. Brigitte, die sich um Kristina kümmerte bis ich kam.

753. Jana, die sich um Sven kümmerte, der ziemlich unter Schock stand.

754. Frank, der uns zuerst in den Notfall, dann in das 56 km entfernte Krankenhaus gefahren hat und nur schon durch sein Dasein Ruhe in mir bewirkte.

755. Die Kosten für das Röntgen und das Nähen: 371 Kuna (etwa sFr. 60.-).

756. Schon um 2 h morgens zurück in der Ferienwohnung.

757. Kristina hat nicht viele Schmerzen.

758. Andi & Christine, die Kristina jeden Morgen von der Ferienwohnung ins Hotel zum Essen brachten, entweder mit dem Auto oder auf Andis Rücken! Und uns auch sonst rumkutschierten.

759. Nelly, die Stöcke für Kristina aufgestöbert und gekauft hat.

760. Die Freundlichkeit von so vielen Leuten unserer Gruppe.

761. Dagmar, die Verbandmaterial besorgt hat und den Verband immer so gut und gründlich wechselt.

762. Die lieben Worte von Annelies.

763. Tanzen mit Elisabeth.

764. Patrick & Monika, die mich mit ihren Albernheiten zum Lachen bringen.

765. Meine mutige Kristina.

766. Beni & Rahel und alle, die sich um Kristina kümmerten, damit ich mit Jana und Sven einen Ausflug nach Venedig machen konnte.

… und so geht es weiter, Eintrag um Eintrag.

Die Dankbarkeit hilft mir all das Gute nicht zu vergessen, dass uns jeden Tag umgibt und in den Schwierigkeiten und Widrigkeiten des Alltags unterzugehen droht. Wenn ich dankbar bin, wird mein Herz froh und auch wenn die Ferien ziemlich versaut waren, wurde mein Herz nicht davon bestimmt, sondern von all dem Guten, von all den Gaben, die vom Vater des Lichts kommen. Er weiss was wir brauchen und er gibt es uns.

Was wir brauchen

Kristina hat vor etwa einem Jahr (oder zwei, die Zeit vergeht ja so schnell) beim Gute Nacht sagen etwas Herziges gesagt. Sie hatte Angst, dass die Blattläuse von draussen sich zu den Kopfläusen auf ihrem Kopf gesellen. (Fragt nicht, wie oft sie schon Kopfläuse hatte…) Ich erklärte, dass die Blattläuse zum Leben Blätter brauchen, die Kopfläuse Köpfe und so. Daraufhin meinte sie: „Wir brauchen zum Leben Liebe und Gesellschaft und Essen und Trinken“. Ich fand die Luft zum Atmen auch noch wichtig. Aber ich fragte sie, ob sie das irgendwo gehört hatte, dass wir all das brauchen. Nein, der Gedanke sei in ihrem Kopf entstanden. Als ich fragte, ob sie genug Liebe bekomme, sagte sie: „Zuhause schon, aber in der Schule nicht.“ Ich erklärte, dass die Schule nicht für die Liebe zuständig sei, sondern für die Ausbildung. Sie fand, dass Liebe in der Schule nicht fehlen dürfe – und eigentlich hat sie Recht.