Ich erwarte heute morgen meine Englischschülerin. Es ist ausserdem mein Waschtag. Schnell sortiere ich die Wäsche, schmeiß die erste Ladung in die Maschine und mach mich dann in der Küche ans Aufräumen. Gestern gab’s Hamburger und der Herd ist noch ganz verspritzt. Wo ist schon wieder dieses gute Putzmittel – ah, ganz hinten im Schrank – schnell, schnell, ich will noch möglichst viel machen, bevor meine Schülerin kommt. Ich komme viel weiter als ich denke und als ich auf die Uhr schaue, merke ich, dass sie heute wohl nicht kommen wird. Ich schalte einen Gang runter und mache mir einen Kaffee. Nach den schwindeligen Momenten heute morgen wird mir das gut tun.
Was will ich mit der plötzlich freigewordenen Zeit machen? Mein Blick fällt auf die Ecke hinten beim Sofa, wo meine Bibel und mein Schreibzeug liegt. Soll ich? Ich seufzte innerlich (und vielleicht auch äusserlich). Mich zieht es in letzter Zeit nicht gerade in diese Ecke. Ich habe ein schlechtes Gewissen, will aber nicht nur in der Bibel lesen, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Der innere Kampf tobt leise vor sich hin. Ich habe noch einen Moment Zeit um mich zu entscheiden, der Kaffee ist fast fertig.
Ich habe anstrengende Tage mit den Kindern hinter mir. Ich fühle mich in drei Richtungen gezerrt. Jedes Kind will und braucht etwas anderes von mir – und oft gleichzeitig. Ich weiss nicht, ob ich überhaupt einem Kind gerecht werde. Ich vermute nicht, zumindest fühlt es sich nicht so an. Dabei will ich geliebt werden, gemocht werden. Ich will nicht immer wieder oder immer nur die Gemeine, die blöde Mutter sein, die ihren Kindern das Leben so schwer macht, nur weil sie sie zu einigermassen anständigen Menschen erziehen will.
Ich werde es wagen und dieses Buch aufmachen. Ich werde es mir mit meinem Kaffee und meinem Gott gemütlich machen und in diesem Liebesbrief lesen – vielleicht finde ich tatsächlich etwas Ruhe für meine Seele bevor der Tag weitergeht und wieder alle etwas von mir wollen.
Liebe Sonja, das hat mich grad ermutigt! Danke! wünsch uns einen fruedigen Tag-lassen wir uns nix rauben!!
Claudia
Das freut mich so, Claudia. Danke, dass du bei mir reingeschaut hast!
Sonja du schreibst mir in tief in die Seele. Seit 5 Jahren bin ich Hausmann und Ursula verdient die Brötchen. Du bist echt lebendig! Vor einem Jahr hatte ich ein Hirnschlag. Ich konnte kein einziges Wort sprechen! Früher war ich Evangelist, Prediger und Bibellehrer und was nützt mir das ganze Wissen der Lehre nun?
LG Daniel
Es freut mich so, dass dir gut tut, was ich schreibe, Daniel. In meinem Leben gibt es auch vieles, was ich nicht verstehe, aber mein Leben besteht aus mehr. Und das versuche ich nicht zu vergessen.