Wie sollen wir leben?

Er sagt es in deutlichen Worten:

Teilt das was ihr habt mit denen, die nichts haben.

Verlangt den fairen Preis für eure Ware, Dienstleistung oder Arbeit.

Missbraucht eure Position nicht, um euch zu bereichern oder um Macht über andere auszuüben.*

(Hier sprach der Prediger Johannes, der Cousin von Jesus, der Menschen zur Umkehr aufrief und sie taufte.)

Obwohl diese Worte aus der Bibel sind, wirken sie auf den ersten Blick nicht besonders geistlich. Viele Menschen, unabhängig ihrer Religion oder ihres Glaubens, sogar Menschen, die vorgeben ganz ohne Glauben leben, würden diesen Dingen zustimmen. Ist so ein Lebensstil überhaupt wichtig? Warum wird das hier so betont?

Der Glaube ist scheinbar kein Konstrukt, welches sich nur auf einer transzendenten, geistlichen, unsichtbaren und innerlichen Ebene abspielen soll, sondern auch immer eine sichtbare, praktische Seite haben muss. Wenn schon ein Glaube, dann muss dieser sichtbar, erlebbar und umsetzbar sein! Das ist ein ganz schön hoher Anspruch. Aber Gott gibt sich nicht mit weniger zufrieden.

Das sollte uns uns nicht unter Druck setzen, sondern ermutigen unser Leben gemäss diesen Richtlinien zu leben: Teilen, fair sein und demütig bleiben. Es geht im Leben als Christ immer um das Miteinander von Glauben und Tat. Gott ist ein praktischer Gott. Er will uns keinen Glauben aufzwingen, der sich nur in Gedanken abspielt, nein, er will uns helfen das Leben zu bewältigen und nicht nur zu überleben, sondern auch noch gut zu leben. „In der Fülle“** heisst es dann. Und auch dieses „in der Fülle“ bezieht sich auf verschiedene Ebenen. Es kann sich auf das praktische, sichtbare, äussere Leben, in dem wir gerne genug haben (oder noch mehr, wenn’s geht, danke sehr) beziehen oder aber auf unser inneres Leben, ganz besonders dann, wenn wir auf einer gesundheitlichen, finanziellen oder sonstigen äusseren Ebene angeschlagen sind und innerlich mit unseren Lebensumständen ringen. Dann braucht unserer innerer Mensch diese Fülle und findet sie auch in der Ruhe beim guten Hirten, der sagt: „Dort wo du bist, da bin ich bereits. Dort wo das Tal dunkel und bedrohlich ist, da bin ich bei dir. Du bist nicht allein. Wir schaffen das gemeinsam. Nur Mut. Ich bin bei dir.“***

*zu finden in der Bibel (Neues Testament, Lukas Kapitel 3, Verse 11 bis 14)

**zu finden in der Bibel (Neues Testament, Johannes Kapitel 10, Vers 10)

***Und der Rest vom Vers aus den Psalmen heisst: Dir wird nichts mangeln.

Glaube – wofür?

Die Predigt vom Sonntag (und das bezieht sich auf den 27.07.2014) war so aussergewöhnlich gut, dass ich einfach darüber schreiben muss. Keine Angst, ihr bekommt keine Predigt zu hören, nur meine Gedanken dazu, die der Prediger so nicht gesagt hat, die er aber durch seine Aussagen in mir ausgelöst hat.

Der Ausgangstext war im Neuen Testament zu finden. (In Lukas 17 für die Bibelkundigen unter euch.) Jesus redet mit seinen Freunden gerade über das Vergeben und sprengt ihr Verständnis davon als er sagt, sie sollten Menschen sogar dann noch vergeben, wenn sie bereits schon sieben Mal um Vergebung gebeten haben. Daraufhin werfen die Freunde von Jesus ihre Hände in die Luft und rufen durcheinander: „Was? Das können wir nicht! Wie sollen wir das schaffen? Jesus, kannst du unser Vertrauen in Gott nicht grösser machen?“ (Volxbibel), worauf Jesus sagt: „Wenn euer Vertrauen nur so gross wäre wie ein kleiner Same von einer Senfpflanze, dann könntet ihr jetzt zu diesem Baum da sagen: ‚Du sollst dich jetzt selber rausreissen und auch den Müllhaufen schmeissen‘, und genau das würde passieren!“ (Volxbibel) An dieser Stelle redet man in christlichen Kreisen auch davon, dass unser Glaube Berge versetzen kann.

In der christlichen Kultur stehen Berge und Bäume, die wir versetzen wollen, für unüberwindbare Probleme, die wir mit unserem Glauben überwinden oder eben lösen wollen, d.h. wir bitten Gott sie für uns zu lösen und uns davon zu erlösen. Wir wollen keine Krankheit, keine Arbeitslosigkeit, keine zerstörten Beziehungen, keine kranken oder toten Ehen, keine rebellischen Kinder und überhaupt kein Leid, wenn es geht, bitte und danke schön. Das kann ich verstehen. Wer will das schon? Aber wir haben den Glauben dazu missbraucht, um uns mit diesen Dingen zu befassen und für die Lösung und Befreiung von diesen Missständen zu beten. Es ist sicherlich nicht falsch für diese Dinge zu beten, aber die Frage stellt sich, ob uns der Glaube primär dazu gegeben wurde.

Der Gedanke aus der Predigt war: Der Glaube ist uns gegeben, um Gott treu zu sein. Das ist für manche von uns eine ganz andere Messlatte. Wir haben das, ehrlich gesagt, etwas vergessen. Oder vielleicht haben wir so viel anderes gehört, dass diese Grundwahrheit etwas verschüttet wurde. Aber an jenem Sonntag hörten wir es klipp und klar: Es geht darum Gott treu zu sein. Dazu gibt er uns den Glauben und die Kraft.

Ich weiss nicht, ob es den anderen Gottesdienstbesuchern so ging wie mir, aber ich wusste: Das ist eine befreiende Botschaft.

Christsein in einer Freikirche kann nämlich ganz schön anstrengend sein. Man befindet sich in einer (freikirchlichen christlichen) Kultur, die sich auf bestimmte Art verhält, bestimmte Sachen tut oder eben nicht tut, hört oder nicht hört, sagt oder lieber doch nicht fragt. Wir stempeln (zu) schnell ab und werden genauso schnell abgestempelt. Dein Sohn ist homosexuell? Du bist geschieden? Hast Mühe mit Pornografie? Das sind heikle Themen in unseren Kreisen.

Haben sich da vielleicht die Prioritäten verschoben? Sind uns unsere äusseren Umstände und unser Ansehen möglicherweise wichtiger geworden als der innere Zustand unseres Herzens? Und ist es nicht so, dass uns oft genau diese schwierigen Umstände nahe bei Gott behalten – dort wo er uns haben will und dort wo wir tief im Herzen auch sein wollen.

Ich fasse zusammen: Mir wurde der Glauben nicht dazu geschenkt ein perfektes, fehlerfreies und problemloses Leben zu führen. Ich soll leben und Fehler machen und lernen und noch einen Versuch starten und wieder auf die Nase fallen dürfen und dabei Gott immer treu bleiben – denn er gibt mir die Kraft und den Glauben, damit ich überhaupt leben kann. Ich glaube, dass ich das mit dem Glauben, der mir gegeben wurde, schaffen kann.

 

Wer sich die Predigt anhören will, kann dies auf www.czs.ch – Predigtarchiv unter 27. Juli 2014 (Werner Kniesel „Vermehre uns den Glauben“ tun.

Über das Vertrauen

Ich denke viel über Vertrauen nach. Was bedeutet Vertrauen? Ist es Vertrauen zu sagen: Das kommt schon gut? Es kommt darauf an, was man mit „gut“ meint.

Mein Vertrauen wurde dieses Jahr sehr herausgefordert. Und vieles ist „gut“ geworden. Jana hat eine Lehrstelle gefunden und in unserer neuen Wohnung fühle ich mich immer noch fast wie in einem Schloss (es zieht nicht durch die Fenster und Türen, der Kühlschrank bildet keine Pfützen und die Zimmer sind gross – ausser das Wohnzimmer, aber damit kann ich leben). Aber das Leben geht weiter und es kommen immer neue Herausforderungen auf uns zu. In letzter Zeit wird unser aller Vertrauen durch die gewaltsamen Geschehnisse in nahen und fernen Ländern arg gefordert.

Es gibt da eine Geschichte über das Vertrauen. Drei Männer wurden vor einen König geschleppt. Sie hätten sich vor einer Statue verbeugen und diese anbeten sollen. Nur ging das total konträr zu ihrem Glauben und ihrer tiefsten Überzeugung. Sie waren bereit die Konsequenzen zu tragen. Und vertrauten ihrem Gott. (Die Konsequenz war übrigens kein Pappenstiel: Ihnen drohte in einen Feuerofen geworfen zu werden und bei lebendigen Leibe zu verbrennen.) Wir denken gleich, ja ja, sie vertrauten Gott, dass er sie aus dieser Klemme herausretten würde, aber hört, was sie dem König sagten:

„Wenn der Gott, den wir verehren (also vertrauen), es will, kann er uns ganz bestimmt retten. Sowohl aus dem brennenden Feuerofen als auch aus deiner Hand, o König, wird er uns dann retten. Aber selbst wenn er es anders beschlossen hat, sollst du, o König, es mit Sicherheit wissen: Wir werden deine Götter niemals verehren und die goldene Statue, die du hast aufstellen lassen, niemals anbeten.“* Wow. Was für ein Vertrauen. Und nicht gerade das, was wir spontan unter Vertrauen verstehen. Vor allem der Satz, der mit „Aber selbst…“ beginnt.

Es scheint beim Vertrauen nicht darum zu gehen, dass man darauf hofft und sich sicher ist, dass alles wieder gut kommt. Auch wenn das hier in der Schweiz ein beliebter Spruch ist: S’chunnt scho guet. Also das wird schon wieder. Oder die fromme Variante: Bei Gott ist alles möglich. Ganz ehrlich, bei mir ist schon einiges nicht gut gekommen und auch nicht wieder geworden. Und obwohl Gott alles kann und ihm alles möglich ist und ich ihm vertraut habe, ist mein erster Mann an Aids gestorben und von meinem zweiten Mann wurde ich geschieden. Was ist denn da gut gekommen? Und was hat Gott jetzt genau dazu beigetragen?

Aber Gott will doch Ehen retten und wiederherstellen! Ja, das glaube ich auch, aber er wird nicht über das Herz des Einzelnen hinweggehen und jemandem die von aussen am einfachsten aussehende (oder christlich-korrekte und angesehenste) Lösung überstülpen. Es geht Gott immer darum Leben zu retten und zu erhalten. Das kann er manchmal besser, wenn eine Ehe auseinander geht. Ich weiss, das passt nicht in unser Denken, weil die Ehe im christlichen Kontext praktisch unantastbar geworden ist. Aber vor Gott ist das nicht so. Er hat den Menschen zuerst geschaffen und danach die Ehe, dass sie dem Menschen dienen soll, nicht umgekehrt.

Oft wird unser Glaube oder Vertrauen davon gesteuert, was wir wollen. Und was wir wollen ist oft das, was uns gut dastehen lässt oder das, wovon wir unser Lebensglück abhängig machen. Wir sind dann überzeugt, dass Gott das auch will. (Es steht doch so in der Bibel, also muss er es wollen.) Aber er schaut tiefer. (Das steht auch in der Bibel.) Er schaut unser Herz an. Vielleicht hat sich ein Partner dermassen in einen Lebensstil (und damit meine ich nicht nur einen äusserlichen Lebensstil, sondern auch die innere Art, das Leben und Beziehungen zu leben) verrannt, dass Gott es zulässt, dass eine Ehe kaputt geht, um dieses Herz durch einen Zerbruch zu erreichen. Gott würde ich das zutrauen. Ihm ist mein Herz tatsächlich wichtiger als meine Ehe! Er ist nämlich anders als wir. Weiter. Grösser. Liebevoller. Konsequenter. Er hat den Überblick, den wir nicht haben. Er sieht Wege, wo wir nur Wüste sehen und verspricht, dass er immer für uns ist und uns nie alleine lässt…darin liegt unser Vertrauen.

 

*Diese spannende Geschichte kann man in der Bibel, im Buch Daniel Kapitel 3, Verse 16-18 nachlesen. (Man kann sie auch googeln, falls man keine Bibel zur Hand hat.)