Veränderungen sind nicht so mein Ding.
Das macht ein neues Jahr nicht immer einfach und gerade in diesem Jahr kommen ein paar Veränderungen auf mich zu. Als erstes gibt es in unserer Gemeinde Veränderungen: Ab Januar ein neuer Leiter, eine neue Leiterin. Dann für unsere Familie, spätestens ab September: eine neue Wohnung.
Es ist ja nicht so, dass ich mit Veränderungen keine Erfahrung habe: Ich habe in drei Ländern auf verschiedenen Kontinenten gelebt; meine Schulbildung war nacheinander in drei verschiedenen Sprachen; ich bin bisher 16 Mal umgezogen. (Die bald 15 Jahre in der jetzigen Wohnung sind ein richtiger Rekord und haben mir und meiner Seele gut getan.)
Wir wurden ja schon vor Monaten davon informiert, dass es in unserer Gemeinde Veränderungen auf der Leiterebene geben würde, aber jetzt ist es Realität geworden und wie das bei mir so ist, setzt der Trauerprozess erst jetzt ein.
Als wir damals aus Santiago de Chile wegzogen, war ich 14 und sehr tapfer. Meine Geschwister fanden den Gedanken an den Umzug ganz furchtbar, heulten und sagten, sie kämen dann einfach nicht mit, vor allem mein Bruder, der gutaussehend, sportlich, musikalisch, allgemein bekannt und beliebt war. Ich dagegen war nur bei den paar wenigen beliebt, die mich auch kannten. Dafür ging ich das Ganze sehr pragmatisch an, fand, okay, ich kann eh nichts dran ändern, wir ziehen um und das wird schon irgendwie gehen.
Nur, wer dann nach den ersten paar Monaten in der Schweiz heulte, war ich. Mein Bruder hatte (vermutlich durch den Sport) ganz schnell Anschluss (und Anerkennung) gefunden. Bei mir dauerte alles viel länger und erst als es darum ging sich in der Schweiz einzuleben, merkte ich, was mir in Chile alles gefallen hatte und was mir in der Schweiz fehlte.
An diese Zeit musste ich heute wieder denken. Es scheint für mich typisch zu sein, dass ich die Trauer über eine Veränderung erst dann so richtig empfinde, wenn es soweit ist und die Veränderung eingetreten ist. Vorher bin ich voller Hoffnung, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Ich sehe die neuen Möglichkeiten, die sich auftun. Aber jetzt, wie damals, bin ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich das schaffe und überhaupt wollte. Trauer ist eben Trauer und tut weh. Da fehlt einem einen Moment lang die Hoffnung. Das kann man nicht einfach schönreden. Da muss man durch. Die Tränen müssen geheult werden. Die Traurigkeit muss ausgehalten und ausgestanden werden. Sonst ist es keine Trauer.
Und Trauer ist nicht schlecht. Trauer gehört zum Leben – wie Veränderungen auch. Und nicht jede Veränderung führt zu Trauer. Aber Veränderungen beinhalten oft Loslassen und das Loslassen kann dann zu Trauer führen. Und das ist gut so. Es gehört zum Prozess, es gehört zum Leben und darf in meinem Leben auch Raum haben. Wenn ich die Trauer zulasse, kann ich mich für Neues öffnen. Aber so weit bin ich noch nicht ganz. Die Trauer hat mich erst grad eingeholt und ich lasse sie erst mal zu.