Trennungszeit 4

Nach meiner Trennung fühlte ich mich blossgestellt und, ja, es gab Menschen um mich herum, die mich verurteilten, nicht immer mit dem was sie sagten, sondern auch mit dem, was sie nicht sagten. (Das funktioniert nämlich auch so rum und kenne ich nur zu gut von mir selber.) Mein Scheitern war öffentlich. Meine Schuld (weil nach der gängigen Meinung immer beide Schuld sind) war öffentlich.

Ich fühlte mich damals sehr geknickt. Diese Bezeichnung kommt sogar in der Bibel vor und ist eigentlich eine wunderbare Verheissung Gottes: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“.

Nur, wie macht man das, so von Mensch zu Mensch?

Ein Beispiel haben wir: Jesus zeigt in seinem Umgang mit der Frau, die im Ehebruch ertappt wurde, auf eindrückliche Art und Weise, wie wir mit Menschen umgehen können und sollen, die aus irgendwelchen Gründen entblösst vor anderen dastehen (und ich setzte mit diesem Beispiel Scheidung nicht mit Ehebruch gleich, sondern es geht mir um die Blossstellung, um die Verwundbarkeit der Betroffenen und wie Jesu damit umging).

In seiner Begegnung mit dieser Frau, deren Versagen so öffentlich war, die so entblösst vor einem Haufen Männer steht und so geknickt war, hält Jesus keine Predigt und stellt auch keine Fragen. Und eigentlich war das Gesetz (ich wiederhole: das Gesetz Gottes! also so etwas wie die höchste Instanz) sehr klar und verlangte, dass diese Frau gesteinigt werden sollte. Aber es fliegt kein Stein. Und schon gar nicht von Jesus – und er war die höchste Instanz. Aber seine wenigen Worte sind deutlich. Jesus wendet sich interessanterweise zuerst an die Männer: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

Erst nachdem er alle anderen anspricht, die in ihrer selbstgerechten Haltung dastehen und sich einer nach dem anderen ehrlicherweise davon macht, wendet er sich an die Frau. Ich kann mir seinen liebevollen Blick sehr gut vorstellen und auch wie die Frau die Liebe, Annahme und Vergebung in seinen Augen sehen konnte, noch vor er die Worte aussprach: Ich verurteile dich auch nicht…

Dieser Mann, dieser Gott, ist einfach erstaunlich.

3 Gedanken zu „Trennungszeit 4

  1. Liebe Sonja,
    ich kann deine Gedanken sehr gut nachvollziehen, ich habe auch eine Scheidung hinter mir und kenne das ganze Gefühlschaos, die Selbstvorwürfe, das sich selbst in Frage stellen, die Wut, die Rechtfertigungen,die Enttäuschung, die tiefe Traurigkeit, die Anklagen von mir selbst an mich,und von anderen, eben mit und ohne Worte, und auch die Selbstgerechtigkeit–leider–vieler Geschwister im Glauben, der erhobene Zeigefinger…
    Danke für deine Worte!
    Gott sei Dank lässt uns Jesus nie im Stich, er trägt und hält und schenkt die rechten Menschen zur rechten Zeit an die Seite, auch in Dunkelheit und Angst ist er da. Dafür bin ich so dankbar!
    En schöne Sunntig, sei gesegnet!
    Rita

  2. Recently I watched a video clip of Campolo (forgot his first name) and he spoke about the Red Letter Society…a group of men that have decided to concentrate on preaching about the words of Jesus (the words that are written in red in some Bibles). There we can see what was really important to Jesus.
    You express yourself and write so well, Sonja.
    Love you, Mom

    • Sonja so sorry , you had to go through ( maybe still are ) so much pain. It seems the Lord gave you a very sensitive spirit to understand others in destress and pain. Blessings and courage to you. – Rita

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