Mein Ort der Geborgenheit

Heute gibt’s eine kleine Familiengeschichte, eine, die zum „weisst-du-noch-als“-Fundus unserer Familie gehört:

Mitten am Freitagmorgen kam jemand zur Tür herein, den ich nicht erwartete: meine sechsjährige Tochter, Kristina. Sie hatte sich im Kindergarten über das, was sie hätte machen sollen lautstark beschwert, worauf die Lehrerin sie vor die Tür schickte. Kristina überlegte nicht lange, schloss leise die Tür, zog ihre Stiefel und Jacke an, packte ihre Tasche und rannte nach Hause, wo sie sich mit ihrer Kuscheldecke in ihrem Bett verstecken wollte – nur habe ich sie abgefangen, bevor sie es dorthin schaffte.

Was für eine natürliche Art mit den Widerwärtigkeiten des Lebens umzugehen. Rückzug und zwar ein schneller, an den Ort, wo ich mich geborgen weiss.

Kristina wird es noch lernen müssen, sich den schwierigen Situationen zu stellen, eine Strafe abzusitzen und sich wieder mit der Lehrerin zu vertragen. Und doch hat ihre Reaktion zu mir gesprochen.

Wie reagiere ich, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es mir wünsche? Ja, auch ich muss mich gewissen Situationen stellen, muss mit manchen Menschen klar kommen und Dinge auch mal stehen lassen. Aber habe ich mir die Rückzug-zum-Ort-der-Geborgenheit-Variante auch noch behalten? Dort kann ich meinen Frust ausheulen, die Geschichte aus meiner Perspektive erzählen, muss mich nicht verteidigen und kann so sein und mich so zeigen, wie ich mich fühle.

Gott bietet mir so einen Geborgenheits-Ort an. Er sagt: ich bin deine Burg. Zu mir kannst du laufen, bei mir kannst du dich verstecken. Er sagt auch: Ich breite meine Flügel über dir aus, bis das Unglück an dir vorbeigezogen ist. (Nachzulesen in der Bibel: Psalm 91,1-2; Psalm 18,3; Psalm 57, 2)

I am worried.

Ich mache mir Sorgen. Ich versuche mir schon seit der Nachuntersuchung von Sven im Kinderspital vor ein paar Tagen keine Sorgen zu machen, aber es scheint nicht zu klappen. Heute morgen muss ich mir ehrlich eingestehen: Ich mache mir Sorgen. Und das treibt mir Tränen in die Augen. Ich will wissen, wie sich diese Rückenverkrümmung (eventuell eine Skoliose) auswirken wird. Wird die Erhöhungseinlage im rechten Schuh helfen? Ich weiss nicht, wie ich diese Belastung der Sorgen alleine tragen soll und ob ich das überhaupt kann. Vermutlich sollte ich es gar nicht. Aber im Moment haben mich die Sorgen fest im Griff. Da muss ich jetzt durch. Ich kenn mich aus mit diesen Dingen, die sich so vor mir auftürmen und mich bedrohlich und einschüchternd anstarren. In mir erstirbt jeglicher Mut und jegliche Hoffnung.

Da gibt es nur eins: mein Herz ausschütten und meine Angst und Sorge ehrlich zugeben. Zugeben, dass ich am liebsten vor all dem, was mir Angst macht, weglaufen würde. Fragen stellen, wie: Was soll das jetzt schon wieder? Hab ich nicht schon genug damit zu tun, das ganz normale Leben zu bewältigen? (Und nicht einmal das scheine ich besonders gut zu meistern.) Anschuldigungen anbringen: Warum ich, warum Sven, warum wir?

Plötzlich kommt mir ein Gedanke: Halte fest an der Hoffnung.

Warum nicht? Sorgen hilft nicht. Angst lähmt mich. Anschuldigungen machen mich bitter (und das will ich auf keinen Fall).

Kann ich es annehmen, dass ich nicht auf jede Frage eine Antwort bekommen werde, weil ich mein Vertrauen in den gesetzt habe, dem alles unterworfen ist? Das ist mein Glaube. Kann ich daran festhalten? Ich will.

Ruhe für meine Seele

Ich erwarte heute morgen meine Englischschülerin. Es ist ausserdem mein Waschtag. Schnell sortiere ich die Wäsche, schmeiß die erste Ladung in die Maschine und mach mich dann in der Küche ans Aufräumen. Gestern gab’s Hamburger und der Herd ist noch ganz verspritzt. Wo ist schon wieder dieses gute Putzmittel – ah, ganz hinten im Schrank – schnell, schnell, ich will noch möglichst viel machen, bevor meine Schülerin kommt. Ich komme viel weiter als ich denke und als ich auf die Uhr schaue, merke ich, dass sie heute wohl nicht kommen wird. Ich schalte einen Gang runter und mache mir einen Kaffee. Nach den schwindeligen Momenten heute morgen wird mir das gut tun.

Was will ich mit der plötzlich freigewordenen Zeit machen? Mein Blick fällt auf die Ecke hinten beim Sofa, wo meine Bibel und mein Schreibzeug liegt. Soll ich? Ich seufzte innerlich (und vielleicht auch äusserlich). Mich zieht es in letzter Zeit nicht gerade in diese Ecke. Ich habe ein schlechtes Gewissen, will aber nicht nur in der Bibel lesen, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Der innere Kampf tobt leise vor sich hin. Ich habe noch einen Moment Zeit um mich zu entscheiden, der Kaffee ist fast fertig.

Ich habe anstrengende Tage mit den Kindern hinter mir. Ich fühle mich in drei Richtungen gezerrt. Jedes Kind will und braucht etwas anderes von mir – und oft gleichzeitig. Ich weiss nicht, ob ich überhaupt einem Kind gerecht werde. Ich vermute nicht, zumindest fühlt es sich nicht so an. Dabei will ich geliebt werden, gemocht werden. Ich will nicht immer wieder oder immer nur die Gemeine, die blöde Mutter sein, die ihren Kindern das Leben so schwer macht, nur weil sie sie zu einigermassen anständigen Menschen erziehen will.

Ich werde es wagen und dieses Buch aufmachen. Ich werde es mir mit meinem Kaffee und meinem Gott gemütlich machen und in diesem Liebesbrief lesen – vielleicht finde ich tatsächlich etwas Ruhe für meine Seele bevor der Tag weitergeht und wieder alle etwas von mir wollen.

„Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben. Lasst euch von mir in den Dienst nehmen, und lernt von mir! Ich meine es gut mit euch und sehe auf niemanden herab. Bei mir findet ihr Ruhe für euer Leben. Mir zu dienen ist keine Bürde für euch, meine Last ist leicht.“ Die Bibel (Matthäus 11,28-30)

Willkommen!

Willkommen auf meinem Blog! Schön, dass du mich hier gefunden hast.

Kürzlich sagte meine Tochter, Kristina (11): „Wenn Lehrer selbst etwas erlebt haben und dann darüber etwas sagen, hören wir zu. Wenn sie von etwas reden, was sie nicht erlebt haben, hört niemand wirklich zu.“ (So in etwa ihr Wortlaut.) Ich möchte über das reden, was ich erlebt habe. Nur das hat Gewicht. Nur dann haben meine Worte Herz und Seele. Nur dann erreiche ich Herzen. Ich muss aber nicht alles erleben – Gott sei Dank! – um darüber eine Meinung zu haben und darüber zu reden. Aber es macht einen Unterschied aus – das kann ich nicht leugnen. Und ich kann auch nicht bestreiten, dass ich schon einiges erlebt habe.

Die Menschen, die in meinem Leben einen Unterschied ausgemacht haben und es immer noch tun, sind diejenigen, die sich nicht zu schade sind, etwas Persönliches aus ihrem Leben und Erleben preis zu geben. In diesem Sinne, schreibe und erzähle ich. Ausserdem liebe ich Geschichten!