Lebe ich ehrlich oder angstgesteuert?

Nach dem schrecklichen Attentat in den USA, in welchem 9 Mensch ihr Leben – in einer Kirche – genommen wurde, laufen die Emotionen hoch und der Rassenkonflikt wird wieder diskutiert. Ich verfolge diese Diskussionen, die Inputs, die Fragen, das Ringen und etwas springt mir immer wieder ins Auge. Wenn wir mit heiklen Situationen konfrontiert werden, Situationen, die ein Tabu berühren oder ein heikles Thema ansprechen, will sich keiner die Finger verbrennen. Eigentlich wollen wir etwas sagen oder tun, aber weil wir nicht das Falsche sagen wollen, schweigen wir.

Das kommt mir sehr bekannt vor. Im Umgang mit Getrennten/Geschiedenen schwingt oft ein gewisses Mass an Angst mit. Und zwar genau deswegen, weil man nichts falsch machen will. Das ist auch verständlich – wir werden mit einem Zustand konfrontiert, der uns fremd ist und mit welchem wir uns nicht auskennen. Ich verstehe nicht, was Menschen empfinden, die in Lebensumständen sind, die ich nicht kenne. Das ist schwierig. Wie und wo fängt man da nur an, ohne jemanden auf die Füsse zu treten?

Wenn wir uns mit Schweigen zufrieden geben, gibt es ein Problem: Niemandem wird dadurch geholfen. Ist es wirklich das, was wir wollen? Wollen wir wirklich weiterhin schweigen und blind an unseren Auffassungen und festgebildeten und festgefahrenen Meinungen festhalten und in dieser Starre verharren, bis wir oder die anderen … nun, bis wann eigentlich? Wie stellen wir uns das vor? Vermutlich haben wir uns gar nichts vorgestellt. Was auch nicht hilft. Leider.

Diese Fragen lassen sich auf ganz viele Situationen anwenden: Wie begegne ich Menschen, die anders sind, vielleicht mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung leben? Wie gehe ich mit Ausländern/Asylanten um? Wie reagiere ich, wenn Menschen unter Unrecht leiden? Wenn ihre Stimme nicht gehört wird? Wenn eine Scheidung oder Armut zur Ausgrenzung führt?

Mehr als eine Stimme, die sich in den USA erhob, sagte (und das ist mir eingefahren): „Wir müssen keine Angst haben, wir müssen nur EHRLICH sein, Zuhören und Reden.“ Es ist mir eingefahren, weil es sich nicht nur auf den Rassenkonflikt in den USA anwenden lässt, sondern auf unser tägliches Leben.

  • Angst führt zu Beklemmung. Ehrlichkeit lässt mich aufatmen.
  • Angst macht mich misstrauisch. Ehrlichkeit trägt zur Vertrauensbildung bei.
  • Angst führt zu Heuchelei. Ehrlichkeit erlaubt mir mich selbst zu sein.
  • Angst versteckt. Ehrlichkeit deckt auf.
  • Angst verunsichert. Ehrlichkeit zeigt mir woran ich bin.
  • Angst versteckt sich hinter verriegelter Tür. Ehrlichkeit öffnet die Tür für Neues.
  • Angst macht mich einsam. Ehrlichkeit gibt anderen die Möglichkeit mich zu begleiten.
  • Angst sagt: Wir haben kein Problem. Ehrlichkeit sagt: Es gibt ein Problem, wie können wir daran arbeiten?
  • Angst schweigt (und geht kein Risiko ein). Ehrlichkeit fragt nach, hört zu und redet (auch mit dem Risiko, dass sie das Falsche sagt).
  • Angst bringt mich zum Zittern. Ehrlichkeit lässt mich tanzen.

Ehrlichkeit scheint ein guter Lebensstil zu sein, braucht aber Mut. Ich wünsche dir und mir Mut zur Ehrlichkeit. Ehrlichkeit ist eine Entscheidung wert.

Ein Gebet für mich und dich

Du, ja du, du mit dem Etikett ‚geschieden‘, ja, ich meine dich. Schau nach oben und lass die Tränen laufen. Atme tief ein und wieder aus.

Das Leben geht an dir vorbei, sagst du, denkst du, fühlst du. Keiner, der da ist, keiner, der versteht wie es sich anfühlt nur noch ein Halbes zu sein und trotzdem das Ganze tragen zu müssen, keiner, der dir einen Ehrenplatz anbietet, weil, was hast du schon zu bieten ausser ein Haufen Scherben.

Ich möchte dir heute, hier und jetzt, einen Platz frei machen. Möchte dich sehen, wie du gerade und stolz dein Haupt erhebst und weisst,

ich bin wertvoll

ich bin ganz

ich bin genug

ich bin wunderschön

ich bin stark

Alles wird gut, nicht weil du alles kannst und alles weisst und alles richtig machst. Nein, alles wird gut, weil es einen gibt, der nie aufgibt, der alles hält und sogar und besonders dich hält und erhält.

Der Plan für dein Leben war gut und ist immer noch gut. Der Plan hat sich nicht geändert, es ist auch kein neuer Plan da. Es ist der Plan, der schon immer da war. Ein Plan geprägt von Liebe und Geduld, von Barmherzigkeit und Gnade, ein Plan von einem freundlichen, liebevollen und ja, einem netten Gott. Das passt aber nicht zu all dem, was ich erlebt, erduldet und erlitten habe, schreit dein Herz. Das darf es auch schreien. Das soll es auch schreien. Und wenn es sich dann ausgeschrien hat, soll es ruhig werden, weil einer da ist, der grösser ist als alle Ungerechtigkeit, als alles Versagen, als alles Stolpern. Einer, der an dich glaubt und der immer noch an seinem Plan für dich festhält. Dein Herz weiss es, spürt es. Lass es zu.

Heute bete ich für dich. Dass mit jedem Einatmen ein Stück Würde zurückkommt. Mit jedem Ausatmen ein Stück Scham geht. Dass mit jedem Einatmen Vertrauen zunimmt. Mit jedem Ausatmen Verzweiflung schwindet.

„Du bist geliebt und gewollt. Du bist ein kostbares Kind“ heisst es in einem Lied und das gilt heute, hier und jetzt für dich. Es gilt für immer. Atme es ein.

Über das Wort Sch…

Über das Wort Scheisse oder warum Scheisse manchmal das Wort der Stunde ist

Ich muss sagen, dass ich dieses Wort höchst selten ausspreche. Ich würde sogar behaupten, dass ich es noch nie vor den Kindern gesagt habe. Und zwar nicht weil ich per se gegen dieses Wort bin, sondern weil ich für einen guten und gegen einen übermässigen und übertriebenen Gebrauch eines jeden Wortes bin. Ausserdem, wenn sich meine Kinder dieses Wort angewöhnen und ständig gebrauchen würden, was sie täten, wäre ich ständig von Sch… umgeben, was ich, ganz ehrlich, nicht so toll fände.

Trotzdem bin ich ganz und gar nicht gegen dieses Wort, vor allem wenn es richtig und mit Gewicht eingesetzt.

Zum Beispiel letzten Herbst als ich erfuhr, dass der Ex mit seiner Freundin Schluss gemacht hatte, aus der Wohnung gezogen war und folglich, bis er eine neue Wohnung hatte, die Kinder jedes zweite Wochenende nicht mehr mit ihm verbringen würden, was sich schliesslich bis Weihnachten hinzog.

Mit drei Kindern im Alter von 10, 13 und 15 bin ich froh, dass ich jedes zweite Wochenende einen ganzen Tag voll und ganz abschalten kann. Irgendwie tut mir das gut. Da ich sonst immer 24/7, wie die Amis so schön sagen, auf Draht bin, finde ich einen Tag an jedem zweiten Wochenende nicht übertrieben. Ich bin manchmal einfach müde und froh, dass ich mal zwischen durch kein Mittagessen auf den Tisch stellen muss.

Aber zurück zu unserem Thema. Ich erzählte das alles einer Freundin und ihr entfuhr ein ehrliches „Sh..!“ (die englische Version), was ich in dem Moment total geschätzt habe. Ich fühlte mich wahrgenommen, ernst genommen und es hat mich getröstet.

Manchmal muss man die Dinge beim Namen nennen.

Er sieht

Früher war mir die Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin peinlich. Ich meine, da wird eine Frau von ein paar Männern, religiösen Männern vor Jesus gezerrt und er soll ein Urteil über sie sprechen. Mann! Schlimmer geht’s kaum. Ich fühlte mich auch schon so an den Pranger gestellt, öffentlich zur Schau gestellt mit meiner Schuld, mit meinem Versagen, mit meiner gescheiterten Ehe. Nicht schön, sag‘ ich euch, gar nicht schön. In so einem Moment wäre ich lieber unsichtbar.

Und das war nur der Anfang. Jesus zieht seinen Finger durch den Sand und spricht die bekannten Worte aus: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ und da wird’s nur noch peinlicher. Ich bin nämlich auch schon so ein Pharisäer gewesen, der da steht und darauf wartet, dass Gott jetzt ein Machtwort spricht und da endlich Ordnung schafft und die Sünde des anderen öffentlich bestätigt. Ich bin also das, was ich gar nicht sein will. Ich bin genau so, wie die Menschen, denen ich dieses Verhalten ankreide. Und auch als diese Figur in der Geschichte will ich lieber unsichtbar sein. Aber die Religiösen machen sich selber unsichtbar. Einer nach dem anderen lässt sein Stein fallen, den er vorbereitend und erwartend hielt und macht sich aus dem Staub. (Es wurde ihnen wohl auch zu peinlich, was ja inzwischen total zum Groove dieser Geschichte passt.)

Und dann ist noch Jesus, dieser erstaunliche Mann und Gott, der so ganz anders ist. Er sieht. Er sieht die Frau. Er sieht ihre Schuld. Er sieht die Männer. Er sieht auch ihre Schuld. Und er urteilt nicht. Weder über die Frau, noch über die anklagenden Männer. Er traut uns zu, dass wir selber erkennen, wo wir schuldig geworden sind. Wir müssen es uns nicht gegenseitig an den Kopf werfen. Wir müssen weder mit Steinen noch mit Urteilen werfen. Wir dürfen uns von ihm sehen lassen.

Und er bleibt auch nicht stumm (wie die Pharisäer), er bezieht mit seinen Worten ganz Stellung. „Frau, wo sind deine Ankläger? Ich verurteile dich auch nicht.“ Er überlässt das Schweigen den anderen, weil Schweigen manchmal lauter redet als Worte. Und Schweigen redet in dieser Geschichte keine schönen Worte, sondern klagt an. Er klagt nicht an. Er stellt wieder her. Und er sieht. Er sieht mit Worten, die wiederherstellen.

Trennungszeit 6 – Was ich dir noch sagen wollte

Du hast dich von deinem Partner getrennt und ich ringe nach Worten. Ich möchte aus meinem Erfahrungsfundus ein schlaues Wort heraus zaubern, aber ich finde so schnell keines. Was kann ich dir mitgeben? Ich will nicht zu viel sagen, ich will aber auch nicht schweigen! Plötzlich kommt mir dieser Gedanke und ich sage diese Worte nicht nur zu dir, sondern auch zu mir und zu uns allen, die wir von einem Scheitern im Leben betroffen sind:

Du brauchst dich für deine Trennung nicht zu schämen. Du hast dich für deine Ehe eingesetzt, hast hingeschaut und die Dinge beim Namen genannt. Du hast dich nicht vor der Ehrlichkeit und der Beziehungsarbeit gescheut. Es war ein ganzes Stück harte Arbeit. Du hast geredet, geweint, gehofft und geglaubt und dich entschieden der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und zu retten, was noch zu retten war. Das braucht Mut und dafür brauchst du dich nicht zu schämen.

Es fühlt sich wie eine Niederlage an, weil es nicht dem entspricht, was so viele als richtig empfinden. Es entspricht ja auch nicht dem, was du ursprünglich wolltest. Aber an der Wahrheit festzuhalten und dich für einen aufrichtigen Lebensstil zu entscheiden, ist bewundernswert. Dafür brauchst du dich nicht zu schämen.

„Nicht der Kritiker zählt; nicht der Mann, der aufzeigt, wie der starke Mann stolpert, oder wo der Vollbringer von Taten diese hätte besser machen können. Das Ansehen gebührt dem, der tatsächlich in der Arena steht, dessen Gesicht von Staub, Schweiß und Blut gezeichnet ist und der tapfer weiter strebt; der irrt und wieder und wieder fehlt, denn es gibt keine Bemühungen ohne Irrtümer und Schwächen. Das Ansehen gebührt dem, der tatsächlich bestrebt ist die Taten auszuführen, der große Begeisterung kennt, und große Hingabe; der sich einer wertvollen Sache hingibt; der im besten Fall den Triumph des Erfolges erfährt und im schlimmsten Fall scheitert, aber wenigstens mutig wagt.“ Theodore Roosevelt, US-Präsident, 1858-1919

Scham will uns einreden, dass wir das Leben nicht gut meistern, will uns unsere Berechtigung etwas zu tun und sagen rauben. Scham schneidet uns vom Leben ab und am Schluss stehen wir ganz einsam da und drehen uns nur noch um uns selbst. Wenn wir warten, bis wir unserer Vorstellung (oder der Vorstellungen von anderen) entsprechen, werden wir lange warten und weder in unserem Leben noch in der Welt etwas bewegen.

Deshalb, gebe der Scham keinen Raum. Du bist wertvoll, du hast viel Arbeit hinter dir, du bist vielleicht auf dem Boden gelandet, verschwitzt, staubig und mit blutigen Knien, aber du bist mutig und stark und dein Leben liegt noch vor dir! Packe diese Chance mit beiden Händen und wage es mutig zu sein!

Dein Scheitern ist nicht nur ein Ende, es ist auch ein Anfang.

Trennungszeit 5 – Wenn ihr betet

Ich hatte ursprünglich einen elendig langen Artikel geschrieben, in dem es darum ging, was wir tun oder lassen sollen, wenn sich Freunde trennen. Aber eigentlich kann man das alles irgendwo anders nachlesen. Über das Thema, dass ich heute anspreche, habe ich noch nie etwas gelesen oder gehört und ich gebe zu, dass vielleicht nur ich damit ein Problem habe, aber dieses Risiko gehe ich ein, wenn nur einem Menschen dadurch geholfen wird.


Liebe betende Freude

Darf ich euch ganz liebevoll auf etwas Kleines aufmerksam machen?

Als Getrennte/Geschiedene schätze ich es sehr, wenn ihr für mich betet. Fast so sehr, wie eure praktische Hilfe. Und eine Einladung hier und da. Besonders an Sonntagen oder an Feiertagen, an denen ich sonst allein wäre.

Was ich dagegen nicht sehr schätze, ist, wenn ihr in den Gebeten in meiner Gegenwart namentlich für den Partner betet, von dem ich mich getrennt habe. Versteht mich bitte nicht falsch! Betet für meinen Partner von dem ich getrennt oder geschieden bin. Betet für ihn! Unbedingt. Aber bitte nicht dann, wenn ich dabei bin.*

Eine Trennung ist eine Verletzung. Es ist eine massive Verletzung und zwar gibt es zwei ganz massiv Verletzte. Wenn ihr in euren Gebeten ständig den Namen des anderen erwähnt, ist es wie wenn ihr so richtig kräftig auf meine Verletzung drückt. Aua! Das tut weh! Bitte aufhören! werde ich dann denken, aber nicht sagen. Ich werde mich innerlich verkrümeln und denken, mich versteht ja eh keiner und es interessiert auch keinen und was soll’s, lass sie doch beten, was sie wollen, die haben ja keine Ahnung… (das war jetzt sehr ehrlich und vielleicht nicht sehr christlich und ich steh dazu).

Wir haben unsere Vorstellungen, wie und wofür man beten soll. Und weil man ja nicht den Anschein erwecken will, dass man Partei ergriffen hat und nur für den einen Partner betet, betet man auch gleich für den anderen. Ich verstehe total, woher das kommt und warum ihr das macht (und, ganz ehrlich, ich habe es sicher auch schon gemacht). Aber vielleicht sollten wir uns weniger um den Anschein kümmern und mehr um einander.

Ach Mensch, denkst du vielleicht, sei doch nicht so zimperlich! Ausserdem musst du ja deinem Ex-Partner vergeben und wenn du mit der Formulierung meiner Gebete nicht klar kommst, ist das ein deutliches Zeichen, dass du ihm/ihr noch nicht vergeben hast.

Ich kann euch beruhigen. Gott geht diesen Weg mit uns Getrennten. Tatsächlich! Und er spricht Dinge in unserem Leben an. Wirklich! Wenn es Zeit ist, redet er klar und deutlich. Das habe ich alles schon erlebt. Seid einfach Freunde und überlasst das andere Gott. Er macht das nämlich richtig gut.

Die Barmherzigkeit, die uns gegeben wurde, dürfen wir grosszügig weitergeben. Ich bin sicher, wir kriegen das zusammen hin und können gemeinsam lernen. Ich bin so dankbar für euch!

Ganz liebe Grüsse

Eure Sonja

*Es gibt nur eine Ausnahme und die ist, wenn ich ausdrücklich darum bitte! Und ihr dürft das Gespräch gerne suchen und fragen, was ich möchte und was ich nicht möchte. Redet mit mir! Ich weiss, dass es für euch schwierig ist. Für mich ist es auch schwierig.

Identität

Ein letzter Text von Barbara. Ihre Offenheit ist ein kostbares Geschenk.


 

Identität

Einst, als junge Frau, wurde ich umworben, gewollt und auserwählt. Es war wunderschön, das zu erleben.
Als die Ehe dann zu Bruch ging, fühlte ich mich wie ein alter Lappen in die Ecke geworfen: ausgedient, uninteressant, kein Bedarf mehr. Was für eine Diskrepanz!
Mit diesem Schmerz konnte ich nicht gut umgehen. Die Demütigung, das öffentliche Mich- blossgestellt – Fühlen nagte lange an mir.
Wie überlebenswichtig und lieb wurden mir Bibelstellen, wie die aus Psalm 3: Aber du, o Herr, bist ein Schild für mich, meine Ehre und der mein Haupt erhebt.
Gott gibt mir meine Würde zurück; er erhebt mein Haupt. Was für ein Trost!
Wenn ich heute eine positive Rückmeldung über mein Aussehen oder meine Ausstrahlung bekomme, dann freut mich das ehrlich: Wenn dem so ist, dann ist das nicht mehr das gute Aussehen aufgrund eines privilegierten, behüteten Lebens, sondern ein Zeugnis dafür, dass Gottes Wort verlässlich bleibt durch allen Schmerz hindurch. Ich wurde getragen, gehalten, habe überlebt und mehr als das: Ich gehe meinen Weg mit erhobenem Haupt; nicht hart und stolz, sondern dankbar, weil ich weiss: Meine Ehre ist bei Gott. Er weiss, wie ich’s meine. Das reicht. Gott sei Dank!

– Barbara

Zu lohnenden Zielen gibt es keine Abkürzungen

Barbara greift in diesem Text etwas auf, womit wir als Getrennte oft konfrontiert werden. „Es kommt schon gut!“ hört man – und die Frommen sagen „bei Gott ist alles möglich“ – und mit „gut“ oder einem „Wunder“ meint man die heile Familie, so wie sie vorher war und wie sich das alle vorstellen. Nur, vielleicht ist das Ziel gar nicht die „heile Ehe“, sondern der heile Mensch? Vielleicht besteht das Wunder darin, innerlich heil zu werden, auch wenn äusserlich alles auseinander fällt und zerbricht.


Zu lohnenden Zielen gibt es keine Abkürzungen

Diesen Spruch heftete ich an den Kühlschrank, irgendwann am Anfang der Trennungszeit.
Das „lohnende Ziel“ bedeutete für mich: zurück zur heilen Familie. Ich war bereit, mich dem Schmerz, der Unzulänglichkeit und dem Versagen zu stellen, wollte nicht verdrängen und auf keinen Fall bitter werden, sondern unbedingt den Weg der Vergebung finden – damit es wieder gut werden könnte. Ich war bereit dazu, auch wenn es ein langer Weg ohne Abkürzungen werden würde.

Unterwegs wurde ich etappenweise herausgefordert: Bin ich auch bereit zu vergeben, wenn wir nicht wieder zur heilen Familie werden und ich möglicherweise nie „rehabilitiert“ werde? Bin ich bereit, loszulassen und frei zu geben, ohne zu sehen, ob ich etwas dafür bekommen werde?

Mit Hilfe von Freunden, Beratung und Gebeten barg ich mich immer wieder bei diesem Jesus, der das alles für mich getragen hat, und sagte: „Ja, ich bin bereit.“

Neun Jahre sind mittlerweile seit der Trennung vergangen. Wir sind nicht mehr zur heilen Familie geworden, sondern heute geschieden und es bleiben durchaus Fragen offen.
Ich habe mich dem Schmerz, der Unzulänglichkeit und dem Versagen gestellt. Obwohl es nicht so kam, wie ich sehnlichst wünschte, kann ich heute sagen: Es ist, wie es ist; und es ist gut so.

Neulich bekam ich von einem Freund die Rückmeldung: „Du hast trotz widerwärtigsten Umständen deinen Humor, deine Kreativität, Phantasie und Liebe zu den Menschen nicht aufgegeben. Du bist nicht in Bitterkeit abgesumpft.“
Was für ein lohnendes Ziel, dachte ich! Auch dazu gab es keine Abkürzungen.

– Barbara

Alles hat seine Zeit

So zwischendurch, weil mir das ganze Gerede über Trennung gerade etwas viel wird (und euch vielleicht auch), schieb ich diesen Text hinein, den ich auf dem Heimflug von unseren Herbstferien in Amerika schrieb. Wir verbrachten dort mit meiner ganzen Familie (15 Leute plus noch weitere 14 Verwandte) eine ganz wunderbare Woche am Strand und ich war anschliessend noch mit meinen Kindern bei meinen Eltern zu Besuch.

Ich schaue diskret auf die linke Hand meines Sitznachbars: ein Ring am Ringfinger. Ich atme innerlich auf. Kein Druck.

Ich schaue diskret auf meine linke Hand: kein Ring am Ringfinger. Ich seufze. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Meine Mutter wünscht mir so sehr einen Freund, einen zukünftigen Partner. Sie versteht nicht, warum die Männer vor meiner Tür nicht Schlange stehen. Und ganz ehrlich, manchmal verstehe ich es auch nicht – andererseits bin ich manchmal genauso froh darüber, dass da keine Männer Schlange stehen. Aber ich verstehe meine Mutter.

Ich habe eine Freundin, eine alleinerziehende Mutter von zwei Jungs, der ich auch einen Freund, einen zukünftigen Partner wünsche. Ich verstehe nicht, warum die Männer vor ihrer Tür nicht Schlange stehen. Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mir schon lange diese wunderschöne, stilvolle, begabte, lustige, gebildete und äusserst kreative Frau geschnappt. Sie ist die beste Ferienbegleitung, die ich kenne.

Was soll man da sagen? Alles hat seine Zeit. Geboren werden, wie auch das Sterben. Das Zusammensein, wie auch das Alleinsein, einen Ring am Finger tragen, wie auch keinen Ring am Finger tragen.

Und es ist gut so. Als Alleinerziehende ohne Partner machen wir Erlebnisse, die wir sonst nicht machen würden. (Gute und schlechte, aber für etwas gut sind alle beide.) In den Worten meiner Freundin (die Schöne, Begabte und Kreative): „Eigentlich können die anderen neidisch auf uns sein und auf das, was wir durchgemacht haben…“ Das war ihre Antwort als ich ihr den Link zum Lied „Ein Hoch auf uns“ schickte und darauf hinwies, dass wir gerade durch unsere Notzeit so überreich beschenkt worden sind, besonders, aber nicht nur mit Freundschaften. Deshalb: „Ein Hoch auf uns“ und auf diese Zeit! Was wir haben, hat nicht jede(r). Und alles hat seine Zeit.

Trennungszeit 4

Nach meiner Trennung fühlte ich mich blossgestellt und, ja, es gab Menschen um mich herum, die mich verurteilten, nicht immer mit dem was sie sagten, sondern auch mit dem, was sie nicht sagten. (Das funktioniert nämlich auch so rum und kenne ich nur zu gut von mir selber.) Mein Scheitern war öffentlich. Meine Schuld (weil nach der gängigen Meinung immer beide Schuld sind) war öffentlich.

Ich fühlte mich damals sehr geknickt. Diese Bezeichnung kommt sogar in der Bibel vor und ist eigentlich eine wunderbare Verheissung Gottes: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“.

Nur, wie macht man das, so von Mensch zu Mensch?

Ein Beispiel haben wir: Jesus zeigt in seinem Umgang mit der Frau, die im Ehebruch ertappt wurde, auf eindrückliche Art und Weise, wie wir mit Menschen umgehen können und sollen, die aus irgendwelchen Gründen entblösst vor anderen dastehen (und ich setzte mit diesem Beispiel Scheidung nicht mit Ehebruch gleich, sondern es geht mir um die Blossstellung, um die Verwundbarkeit der Betroffenen und wie Jesu damit umging).

In seiner Begegnung mit dieser Frau, deren Versagen so öffentlich war, die so entblösst vor einem Haufen Männer steht und so geknickt war, hält Jesus keine Predigt und stellt auch keine Fragen. Und eigentlich war das Gesetz (ich wiederhole: das Gesetz Gottes! also so etwas wie die höchste Instanz) sehr klar und verlangte, dass diese Frau gesteinigt werden sollte. Aber es fliegt kein Stein. Und schon gar nicht von Jesus – und er war die höchste Instanz. Aber seine wenigen Worte sind deutlich. Jesus wendet sich interessanterweise zuerst an die Männer: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

Erst nachdem er alle anderen anspricht, die in ihrer selbstgerechten Haltung dastehen und sich einer nach dem anderen ehrlicherweise davon macht, wendet er sich an die Frau. Ich kann mir seinen liebevollen Blick sehr gut vorstellen und auch wie die Frau die Liebe, Annahme und Vergebung in seinen Augen sehen konnte, noch vor er die Worte aussprach: Ich verurteile dich auch nicht…

Dieser Mann, dieser Gott, ist einfach erstaunlich.