Gedanken zu Harry Potter – Teil 2

Ein Abschnitt aus dem ersten Harry Potter Buch, der mich fasziniert, ist der Bericht darüber, wie der Einladungsbrief von der Zaubererschule Hogwarts endlich Harry erreicht.

Nach dem Tod seiner Eltern wird Harry von seiner Tante und ihrer Familie, den Dursleys, aufgenommen. Die Dursleys wollen mit der magischen Welt nichts zu tun haben, verschweigen Harry seine Verbindung zur magischen Welt und behandeln ihn sehr schlecht. Als Harry zu seinem elften Geburtstag eine Einladung von der Zauberschule Hogwarts geschickt wird, unternehmen die Dursleys alles, um zu verhindern, dass diese Einladung Harry erreicht.

Die schlechte Behandlung von Harry äussert sich unter anderem darin, dass er kein eigenes Zimmer hat, sondern im Schrank unter der Treppe schläft. Der erste Brief von Hogwarts an Harry ist folgendermassen adressiert:

Mr. H. Potter, Im Schrank unter der Treppe, Ligusterweg 4, Little Whinging, Surrey

Mr. Dursley will Harry verklickern, dass der Brief ein Versehen war. Aber es war kein Versehen. Wenn Gott uns anspricht, ist es kein Versehen. Egal, wie vergessen wir uns fühlen. Egal, wie sehr wir uns von Gott entfernt fühlen. Egal, wohin uns unsere Entscheidungen oder die Entscheidungen anderer Menschen gebracht haben. Es ist kein Versehen, wenn Gott uns anspricht und er weiss auch ganz genau, wo wir zu finden sind.

Den Dursleys war es peinlich, dass anscheinend bekannt war, dass Harry im Schrank unter der Treppe schläft und Harry wird im zweiten Kinderzimmer einquartiert. Da die Dursleys verhindert haben, dass Harry den ersten Brief bekommt, kommt ein zweiter Brief, adressiert an:

Mr. H. Potter, Das Kleinstes Schlafzimmer, Ligusterweg 4 …

Die Dursleys vernichten und entsorgen weiterhin jeden Brief (und es kommen viele). Als eine wahre Flut von Briefen ins Haus flattern, fliehen die Dursleys mitsamt Harry in ein Hotel. Aber auch dort kommen Briefe an, adressiert an:

Mr. H. Potter, Zimmer 17, Hotel zum Bahnblick, Cokeworth

Als letzte Massnahme übernachten sie in einer modrigen Hütte auf einer Felsinsel im Meer. Die Dursleys nehmen das einzige Bett und das Sofa in Beschlag und Harry bleibt nichts anderes übrig als sich auf den Fussboden schlafen zu legen. Ein Sturm kommt auf und die Dursley wähnen sich in Sicherheit vor der (für sie) bedrohenden Post. Aber um Mitternacht pünktlich zu Harrys elften Geburtstag hämmert jemand gegen die Holztüre der Hütte und überbringt Harry den Brief, den er tatsächlich zu lesen bekommt, adressiert an:

Mr. H. Potter, Der Fussboden, Hütte-auf-dem-Fels, Das Meer

Dieses Bild begeistert mich. Gott weiss immer, wo wir zu finden sind. Er sucht uns immer. Und wenn er uns sucht, wird er uns auch finden. Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass Gott, der Schöpfer meines Lebens, genau weiss, wo ich zu finden bin. Nichts überrascht ihn, nichts entgeht ihm. Liebevoll sucht und sucht er, bis er uns gefunden hat. Oder bis wir uns finden lassen, denn er zwängt sich niemandem auf. Er kennt meine Adresse ganz genau!

In der weiteren Geschichte wird auch klar, dass der Schulleitung wohl bewusst war, dass Harry (etwa 10 Jahre lang) schlecht behandelt wurde. Aber gerade wegen seiner schwierigen Kindheit wird er zu einem sehr feinfühligen und dankbaren Jungen mit einem guten Charakter. Bei Gott ist es genauso: Gott weiss genau, wie du behandelt wirst. Er kennt jedes Unrecht, dass dir angetan wurde. Ihm entgeht kein Leid, dass du erlebst. Ihm entgeht nichts und er wird auch durch nichts überrascht. Die Zeit, in der er nicht (sichtbar) handelt, formt und verändert uns – und wir entscheiden in welche Richtung die Veränderung geht. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass uns diese Zeit nicht gut tut und wir etwas Besseres verdient hätten, ist sie zu etwas gut: Sie zeigt, was in uns steckt. Im besten Fall wird das, was nichts wert ist, wegfallen. Das was echt ist, wird stärker. Aber nie ist diese Zeit umsonst oder vergebens. Diese Zeit formt uns und macht uns zu dem, was wir sind. Wir werden barmherziger, stärker, gütiger, feinfühliger und mit einem weiteren Herzen aus dieser Zeit hervorgehen oder wir verbittern (was ich niemandem empfehlen würde). Im Wissen, dass Gott durch nichts überrascht wird, dass er uns sieht und hört und weiss was läuft, bekommen wir Mut, die schwierigen Zeiten unseres Lebens zu bestehen. (Falls das Leben für dich noch nicht schwierig geworden ist – die Herausforderungen werden noch früh genug kommen, ja, das werden sie.)

Trennungszeit 2 (oder: Ein Loblied auf Freunde)

Nachdem ich kürzlich in einem Post mit dem Titel „Trennungszeit“ auf die schwierigen und negativen Erlebnisse dieser Zeit eingegangen bin, sind mir die schönen und positiven Erlebnisse dieser Zeit eingefallen. Die positiven Erinnerungen haben allesamt mit Menschen zu tun, die mir mit ihrer Art gut getan haben und die mir Freunde waren und noch sind.

Ich habe übrigens gerade gehört, dass Elie Wiesel auf die Frage, wie er die grausame Zeit im KZ überstanden habe, geantwortet hat: „Gott und Freunde.“ Das kann ich nur bestätigen. In meiner Auflistung kommen viele Freunde vor.

Da ist mal meine Freundin, die mich zum Geburtstag immer in ein Restaurant einlädt. Das schätze ich jedes Jahr sehr, weil ich sonst nie zum Essen ausgeführt werde. Und auf diese Weise lernte ich in den letzten Jahren sogar ein paar neue Restaurants in Zürich kennen. Sie hat mir auch schon meinen Eingangsbereich mit Frühlingsblumen verschönert und oft bringt sie mir aus den Ferien etwas mit – was mich jedes Mal total überrascht, aber so gut tut, denn, so erlebe ich ganz praktisch, dass jemand an mich denkt.

Und dann meine Freundinnen aus dem Appenzellerland, die mich auch immer wieder motivieren, sei es für einen Kinobesuch, ein Essen, eine Museumsnacht. Die mir durch ihr Organisationstalent bereits ein langes Wochenende in Barcelona und Stockholm ermöglicht haben und mich dieses Jahr auf eine Wanderwoche im Jura mitnehmen. In diesen Zeiten mit meinen Freundinnen atme und tanke ich auf. Wir lachen und erzählen und zwängen uns zu dritt in Umkleidekabinen und machen Fotos von verrückten Outfits – es ist der Hammer und sie sind einfach die Besten der Besten.

Meine Freundin, mit der ich mal eine Woche im Tessin verbracht habe und auch schon durch Amsterdam geradelt bin. Bei ihr fühle ich mich wohl, gut aufgehoben und mutig. Sie schleppt mich ins Theater 11 und und wenn ich spät dran bin, schreibt sie mir SMS, mit dem Wortlaut: „Dusch und komm, wann du kannst. Wir holen dich irgendwann irgendwo ab!“ (Manchmal brauche ich jemanden, der mir sagt, was ich tun soll… .)

Die Freundin aus dem Hallenbad, die mich in ihre Clique aufgenommen hat, weil sie das Gefühl hatte, ich müsse mehr unter die Leute. Jetzt sagt sie jede paar Wochen Bescheid, wenn sie ins Kino oder Essen gehen und ich darf mit!

Und der Mann meiner Freundin, der mir zwei Mal im Jahr die Autoreifen wechselt! Das ist so eine Hilfe für mich!

Die Nachbarn, deren Feuerschale wir gebrauchen dürfen – und wie wir sie gebrauchen!

Und unser Pastor, der uns nicht nur geistlich begleitet, sondern auch bei Computerproblemen hilft und mir schon x-Mal mein iPhone erklärt hat (ohne mich anzuschauen, als sei ich blöd, obwohl ich mich so fühle). Was für ein Geschenk!

Die zwei Frauen, mit denen ich mich regelmässig zum Gebet für unsere Kinder und ihre Schulen treffe und mit denen ich offen über mich und meine Kinder reden kann. Sie sind mir ein sicherer und wertvoller Ort geworden, den ich nicht missen möchte.

Die Gymnastikleiterin, die mir ein Jahr lang die Kurskosten erlassen hat, damit ich weiterhin in die Rücken- und Haltungsgymnastik gehen konnte, obwohl ich es mir während dieser Zeit nicht leisten konnte.

Es gibt noch mehr und ich habe meine Familie noch gar nicht erwähnt, aber ich komme mal hier zum Schluss.

Mir fällt auf, das mir die Güte Gottes immer wieder in Menschenform begegnet. Ganz praktisch. Gott legt Hand an, wenn er unsere Hände gebrauchen kann. Er hört zu, wenn er unsere Ohren dazu gebrauchen kann. Er segnet, wenn wir jemandem etwas Gutes tun. Er redet durch Blumen, Feuerholz oder eine Mahlzeit. Nichts ist umsonst.

Alles, was wir tun und auch nicht tun, redet, entweder im Guten oder im Schlechten. Gott ist nicht nur zu Weihnachten Mensch geworden; er wird jeden Tag durch uns Mensch. (Keine Ahnung wie theologisch korrekt das ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht ganz falsch ist :-))

Ihr merkt, ich war von so vielen tollen Menschen umgeben, dass ich nicht aufgeben konnte. Und sie waren einfach Freunde.

Gedanken zu Harry Potter – Teil 1

Vor ein paar Monaten hatte ich wieder Lust auf den guten alten Harry Potter. Damals, beim ersten Lesen war ich hingerissen von dem Witz der Sprache und den Gedanken und Wahrheiten, die in dieser spannungsvollen Geschichte verpackt sind. Aber jetzt nach ein paar Jahren war die Erinnerung daran verblasst und ich wusste nicht mehr so genau, was mir daran so gefallen hatte.

(Erste Zwischenbemerkung: In meinem bibelgläubigen-christlichen Umfeld gibt es Leute, die mit Harry Potter nichts am Hut haben, weil darin Magie vorkommt. Aber ich möchte festhalten, dass die Magie um die es hier geht eine Fantasiemagie ist, die nichts mit echter schwarzer, weisser oder sonstiger Magie zu tun hat. Wenn man etwas genauer hinschaut, entdeckt man durchaus – und das nenn ich mal ganz locker so – „biblische“ Grundsätze.)

(Zweite Zwischenbemerkung: Wem das Genre Jugend-Fantasie-Literatur nicht zusagt, dem werden diese Bücher nicht gefallen, egal wie gut sie geschrieben sind. Man muss schon diese Art von Literatur mögen, um Harry Potter was abzugewinnen.)

Bücher (oder Geschichten) widerspiegeln immer gewisse Aspekte unserer Welt und des Lebens. Ich finde fast in jeder Art Literatur – ich könnte das auf Kunst allgemein ausweiten – einen Bezug zu meinem Leben und Glauben. Das macht die Auseinandersetzung mit Kunst ja auch so spannend. Mich spricht vor allem das geschriebene Wort und die Musik an, aber in anderen Menschen klingen Farbe, Form, Tanz oder sonst was an. Die Vielfalt ist wunderbar.

Dass die Harry Potter-Bücher die magische Welt als schillernd und aufregend schildern und die Welt ohne Magie als langweilig, bieder und eng beschreiben, soll uns meiner Meinung nach, nicht dazu anregen uns mit Magie zu beschäftigen, sondern kann uns in Erinnerung rufen, dass es neben unserer sichtbaren Welt noch eine unsichtbare Welt gibt. Als Christen sollte uns dieser Gedanken nicht so fremd sein.

Ich habe auch noch nicht alles verstanden (im Leben, wie im Glauben), aber ich weiss, dass ich für mehr geschaffen bin, als nur für dieses sichtbare, endliche Leben. Es wird weitergehen. Unendlich, schillernd, aufregend – das Beste kommt erst. Ist das nicht unsere Hoffnung?

Ich nenne diesen Teil ganz mutig Teil 1, weil ich vorhabe noch weitere Gedanke zu Harry Potter zur schreiben. Interessiert das überhaupt jemanden?

Es ist vollbracht

Wir hatten ein schönes Wochenende mit der Band in einem Hotel in den Schweizer Bergen verbracht und ich wollte beim Auschecken meine Rechnung für das Zimmer begleichen. Die Dame am Empfang nahm meinen Schüssel, tippte was in den Computer, raschelte mit ein paar Blättern, schaute mich wieder an und sagte: „Es ist schon bezahlt“. Als ich sie mit der Kreditkarte in der Hand verdattert ansah und mich nicht von der Stelle rührte, wiederholte sie: „Es ist schon bezahlt.“ Langsam sickerte die Bedeutung dieser Worte in mein Gehirn ein und ich verstand, dass ich nichts mehr zahlen musste und auch nicht konnte.

Sie hätte auch sagen können: „Es ist vollbracht“. Jesus hat mit diesen Worten nämlich genau das gemeint: „Es ist bezahlt“. Und was Jesus bezahlt hat, ist definitiv mehr als ein Hotelzimmer für eine Nacht.

Trennungszeit 1

Ich habe den Eindruck, dass ich schon vieles aus der Trennungszeit und was alles damit verbunden war, vergessen habe.

Kürzlich versuchte ich mich wieder bewusst an diese Zeit zu erinnern. Hier sind ein paar Erinnerungsfetzen:

Der Termin vor der Richterin, wo es um die Trennung und die Finanzen ging. Zum Glück war unsere Beraterin als moralische Unterstützung dabei, denn es ging mir gar nicht gut. Ich war nur mässig vorbereitet, hatte, was die Finanzen betraf, nicht wirklich eine Ahnung und die Richterin war grausam streng zu uns, weswegen ich in Tränen ausgebrochen bin.

Danach immer wieder Telefonate um dies oder das abzuklären, Steuern, Versicherungen, Bankangelegenheiten, Telefonanrufe seiner Familie, die nicht wusste, dass wir uns getrennt hatten.

Und dann drei kleine Kinder, die versucht haben zu verstehen und doch nichts verstanden haben, die den Papa vermisst haben und ich alleine in all dem drin. Ich habe einfach versucht nicht unterzugehen.

Dann die Kleingruppe, die es gut meinte, aber mir manchmal nicht gut tat, mit ihren Gebeten für meinen Noch-Ehemann und für die Wiederherstellung der Ehe (die ich ja eben so nicht wollte…) und ich da mitten drin, die versuchte einfach zu überleben, auch unter Christen zu überleben.

Die Wochenenden an denen ich mich so allein gefühlt habe und keine Energie hatte mich bei irgendwem zu melden.

Es war eine sehr schwierige, emotional aufreibende Zeit.

Ich bin so froh, dass ich es hinter mir habe (zum grössten Teil), aber es war sehr sehr schwierig (und manchmal holt mich die Vergangenheit immer noch ein). Diese Zeit hat mich geprägt und geformt, mich gelehrt und ernüchtert. Jetzt bin ich dankbar. Dankbar, dass ich nicht untergegangen bin, dass ich überlebt habe, dass ich dankbar geblieben bin.

Kürzlich habe ich mich selbst überrascht, als ich dachte, dass ich sogar extrem dankbar für dieses Erlebnis der Trennung und inzwischen Scheidung bin. Es ist für mich ein wertvoller Schatz geworden. Ich habe gelernt, was ein Lebensstil der Vergebung bedeutet und was für ein Gewinn es ist nicht bitter zu werden. Ich habe viel Verständnis für andere Menschen, die ähnliches durchlebt haben und mein Herz ist weit geworden. Wenn das kein Geschenk ist!

„In einem sind wir uns aber ganz sicher. Für alle, die Gott lieben, gilt: Alles muss letzten Endes immer zum Besten laufen, denn Gott will das so und hat uns dazu auch ausgesucht.“ (Die Bibel)

Enttäuscht, aber nicht überrascht

Enttäuscht, aber nicht überrascht

– von der sogenannten Toleranz unserer modernen Gesellschaft, dass doch kneift, wenn es beispielsweise um homosexuelle Sportler geht.

– von der Unfähigkeit vieler Christen (ja, leider auch von mir) das Richten und Urteilen zu unterlassen, nachdem uns gesagt wird „richtet nicht“.

Beide Verhaltensweisen zeugen weder von Authentizität, noch Ehrlichkeit und bieten keinen Boden auf dem eine echte Annahme eines Menschen, also ein Sehen und Kennen und Lieben eines Menschen möglich ist.

Dabei haben wir ein so gutes Beispiel (und wieder eine Geschichte aus der Bibel, die eine wahre Fundgrube an guten Geschichten ist!):

Da war eine Frau, die suchte. Sie suchte sich selbst zu kennen und lieben. Dachte, wenn ein Mann sie sieht, kennt und begehrt, sie sich selbst finden würde. Aber, ein Mann nach dem anderen begehrte sie, doch keiner war daran interessiert sie zu kennen und zu lieben. Inzwischen interessierten sich auch die Frauen nicht mehr für sie. Sie war verbraucht und verrucht und verstossen. Unverhofft, an einem heissen, staubigen Tag, trat ein weiterer Mann in ihr Leben. Auch er wollte etwas von ihr, aber nur ein Schluck Wasser aus dem Brunnen. Er gab ihr dafür ihre Würde zurück. Und sie fand alles und mehr als sie je gesucht hatte.

Das ist unser Job. Nicht das Richten, nicht das Ausgrenzen, nicht das Urteilen und Verurteilen eines Menschen auf Grund seiner Entscheidungen, die anders ausgefallen sind als wir sie getroffen hätten.

Kennenlernen, Zuhören und Wertschätzen hat schon vor zweitausend Jahren funktioniert. Es wäre ein Versuch wert.

Schwul

Dieser Text liegt schon länger in der „Schublade“ und nachdem ich den Film „Dallas Buyers Club“ gesehen habe, drängt es mich ihn hier zu veröffentlichen.

Kürzlich (also inzwischen schon fast ein Jahr her… wie die Zeit doch vergeht) um 8.00 h in unserem Hauseingang.

Kollegin von Kristina: Der Fotograf kommt.

Kristina: Mama, der Fotograf kommt.

Ich: Ich weiss, aber erst in zwei Tagen.

Kristina: Kommt wieder derselbe, der mit dem pinkigen Auto?

Kollegin: Ich hoffe nicht, der ist schwul.

Ich: (??!!*WAAAAS??!!* *fassungslos* *sprachlos* *Gedankenmühle dreht sich pausenlos*)

An diesem Punkt habe ich nicht mehr gehört, was weiter gesagt wurde. Ob weil ich es akustisch nicht mehr wahrgenommen habe oder weil ich fassungslos war, weiss ich nicht mehr. Wenn Schulkinder (diese waren Fünftklässler) schon so voreingenommen sind – Gnade uns Gott! Was ist mit der hoch gepriesenen Toleranz unserer modernen humanistischen Gesellschaft geschehen? Ich vermute fast, dass alles nur schöne Theorie geblieben ist und Menschen zwar tolerant daher reden, aber eine Überzeugung ist es wohl doch nicht geworden und verändert hat sich eigentlich nichts.

Als Mitglied einer Freikirche werde ich wahrscheinlich von der Allgemeinheit als fundamentalistisch eingestuft, aber nicht einmal ich, denke so über Schwule (auch wenn es uns manchmal nachgesagt wird). Ich bin immer noch fassungslos und kann mein Unverständnis für so einen Ausspruch nicht wirklich in Worten ausdrücken. (An dieser Stelle muss ich eingestehen, dass Kinder den Ausspruch „das oder der ist schwul“ einfach so gebrauchen, manchmal ohne sich der Bedeutung bewusst zu sein und ohne zu meinen, dass jemand tatsächlich schwul ist. Aber trotzdem!)

Es tut mir leid, liebe Schwule und Lesben (und alle anderen, die sich jetzt angesprochen fühlen), dass sich unsere Worte oft nicht mit unseren Taten decken. Ihr seid wunderbare Menschen, ihr seid geliebte Menschen, ihr seid nicht in erster Linie Schwule oder Lesben, genauso wenig wie ich in erster Linie eine heterosexuelle Geschiedene bin. Wie oft bedienen wir uns dieser Etiketten, um uns abzugrenzen, um uns besser zu fühlen, um unseren Platz in dieser Welt zu finden, einzunehmen und dann zu verteidigen. Aber so grenzen wir uns ab und aus und am Schluss sitzen wir alleine in unserer Burg und wundern uns warum uns niemand mag. Wir wundern uns warum es so viel Neid und Streit und Hass und Krieg gibt. Wir sollten uns fragen, wie es in unserem Herzen aussieht. Das was in unserem Herzen ist, wird den Weg nach draussen finden. Es wird unsere Kinder prägen und ob wir es mögen oder nicht, werden unsere Kinder das widerspiegeln, was wir ihnen vorgelebt haben.

Wovon das Herz erfüllt ist, das spricht der Mund aus! (Steht in der Bibel, also muss was dran sein.)

Ein gewöhnlicher heiliger Moment

Als ich eines Abends in der Küche das Abendessen vorbereitete, fragte mich Sven, wie man Jesus in sein Leben einlädt. Als ich so in der Küche herumwerkelte, erklärte ich es ihm und als ich ein kurzes Gebet vorschlug, sprach er es nach. Das passierte alles so neben dem Brotschneiden, Aufschnitt aus dem Kühlschrank holen und Teller und Besteck zusammenstellen.

Es war ein sehr gewöhnlicher heiliger Moment. Ein unaufdringlicher heiliger Moment. Ein alltäglicher heiliger Moment. Ich habe es fast übersehen.

Als ich am nächsten Abend mit ihm darüber sprach, war er sehr glücklich ein Prinz Gottes zu sein. (Wie ist er auf diese Idee gekommen? Vielleicht von dem Lied, dass sie in der Sonntagsschule singen: …ich bin ein Prinz, so genial… ?)

Er fragte mich auch, was eine Seele sei. Ich fand es nicht so einfach einem Achtjährigen das zu erklären. Ich versuchte es mit dem Beispiel vom Brief (Seele) im Umschlag (Körper) zu erklären. Aber ehrlich, ich habe keine Ahnung ob er irgendwas davon verstanden hat.

„When the most important things in our life happen, we quite often do not know, at the moment, what is going on.“ C. S. Lewis (1898-1963)

(auf Deutsch in etwa: Wenn in unserem Leben die wichtigsten Dinge passieren, haben wir oft keine Ahnung, was gerade geschieht.)

P. S. Ich finde den Titel von diesem Eintrag nicht besonders gut gewählt, weil ich der Überzeugung bin, dass die „heiligen Momente“ meistens die „unheiligen“ sind. Also eben dann, wenn ich mit den Kindern nicht über „Geistliches“ rede, sondern über Star Wars, das Handball-Training, die Berufswünsche, dann, wenn ich joggen gehe, um meinen Kopf durchzulüften und meine Beine mal wieder richtig zu bewegen, wenn ich meine Tochter ihren Frust abladen lasse, ohne sie mit Vorschlägen zu überhäufen (was mir leider nicht immer gelingt…). Versteht ihr was ich meine? Unser Leben ist voll von diesen heiligen Momenten, die ganz unscheinbar daher kommen.

Und jetzt muss ich das Jedi-Kostüm für Sven fertig nähen gehen – heilige Arbeit, kann ich da nur sagen.

Ruhe.

Es ist ruhig. Nach sieben Tagen Ferien (inzwischen sind es 14 Ferien- und 5 Schultage), in denen die Kinder praktisch rund um die Uhr um mich herum waren, sind sie für den Nachmittag ausgeflogen, tummeln sich im Wald; und es ist ruhig. R u h i g. Und wie ich gerade diese Ruhe geniesse. Ich sitze mit frisch gewaschenen und getrockneten Haaren vor einem Stück Kuchen und einer Tasse Tee am (aufgeräumten und endlich krümmelfreien) Esstisch und lese ein Buch. Ein Buch. Nicht nur schnell noch einen Artikel auf dem iPad. Nein, ein echtes, richtiges, handfestes Buch mit Papierseiten. (Freude herrscht!)

Und danach werde ich in aller Ruhe meine Nägel lackieren.

P. S. Die Ferienzeiten sind meistens der Grund warum ich zwischendurch mal länger nicht schreibe. Keine Ruhe = kein Schreiben.

„Nur noch kurz die Welt retten“

„Nur noch kurz die Welt retten“. Habt ihr das Lied auch schon gehört? (Ich liebe diese Art von ehrlicher Musik.) Wir wollen doch alle irgendwie die Welt retten und nehmen uns dabei oft so viel wichtiger als die Welt. Und wir laufen Gefahr die wirklich wichtigen Momente zu verpassen.

Wenn Jesus Musiker gewesen wäre, hätte er vielleicht auch so ein Lied geschrieben. Er war aber ein Geschichtenerzähler und erzählte einmal darüber, wie ein Geschäftsmann ausgeraubt und zusammengeschlagen wurde. Als er halb tot am Wegrand lag, kamen zwar ein paar Geistliche an ihm vorbei, liessen ihn aber in seinem Elend da liegen, weil sie zu sehr damit beschäftigt waren „die Welt zu retten“. Das fand Jesus gar nicht toll (er hatte generell sehr grosse Mühe mit den Menschen, die ihre Geistlichkeit zur Schau stellten und deren Worte nicht mit ihrer Art zu leben übereinstimmten. Alles nur Geplapper, sagte er dann).

Ich muss gar nicht weit gehen, um meine Welt zu retten. Ich muss nur das tun, was vor meinen Füssen liegt. Für mich bedeutet es im Moment mich vor allem mit meinen Kindern abzugeben. Ich habe beschlossen, dass sich diese Investition lohnt. Also, höre ich ihnen zu, wenn der Tag in der Schule mega sch… war (Originalton Kristina :)). Spreche ihnen Mut zu, wenn sie an sich zweifeln. Übe das Ein-Mal-Eins, bis Sven es im Schlaf schon rückwärts kann. Erkläre Jana ganz genau welches Tram sie wohin nehmen muss. Kurz, ich teile das Leben mit ihnen. Das klingt so nicht aufregend. So alltäglich. Schon fast langweilig. Aber wenn wir davon ausgehen, dass jeder Mensch eine Welt ist, rette ich nicht nur täglich eine Welt, sondern gleich drei! Das klingt schon wesentlich aufregender. Und eigentlich bin ich ja froh, dass meine Nächsten so nah sind!

Link zu YouTube Lied: http://www.youtube.com/watch?v=4BAKb2p450Q

Die Geschichte von Jesus kann man in der Bibel nachlesen (im Neuen Testament unter Lukas Kapitel 10 Verse 30 bis 36 zu finden).