Trennungszeit 6 – Was ich dir noch sagen wollte

Du hast dich von deinem Partner getrennt und ich ringe nach Worten. Ich möchte aus meinem Erfahrungsfundus ein schlaues Wort heraus zaubern, aber ich finde so schnell keines. Was kann ich dir mitgeben? Ich will nicht zu viel sagen, ich will aber auch nicht schweigen! Plötzlich kommt mir dieser Gedanke und ich sage diese Worte nicht nur zu dir, sondern auch zu mir und zu uns allen, die wir von einem Scheitern im Leben betroffen sind:

Du brauchst dich für deine Trennung nicht zu schämen. Du hast dich für deine Ehe eingesetzt, hast hingeschaut und die Dinge beim Namen genannt. Du hast dich nicht vor der Ehrlichkeit und der Beziehungsarbeit gescheut. Es war ein ganzes Stück harte Arbeit. Du hast geredet, geweint, gehofft und geglaubt und dich entschieden der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und zu retten, was noch zu retten war. Das braucht Mut und dafür brauchst du dich nicht zu schämen.

Es fühlt sich wie eine Niederlage an, weil es nicht dem entspricht, was so viele als richtig empfinden. Es entspricht ja auch nicht dem, was du ursprünglich wolltest. Aber an der Wahrheit festzuhalten und dich für einen aufrichtigen Lebensstil zu entscheiden, ist bewundernswert. Dafür brauchst du dich nicht zu schämen.

„Nicht der Kritiker zählt; nicht der Mann, der aufzeigt, wie der starke Mann stolpert, oder wo der Vollbringer von Taten diese hätte besser machen können. Das Ansehen gebührt dem, der tatsächlich in der Arena steht, dessen Gesicht von Staub, Schweiß und Blut gezeichnet ist und der tapfer weiter strebt; der irrt und wieder und wieder fehlt, denn es gibt keine Bemühungen ohne Irrtümer und Schwächen. Das Ansehen gebührt dem, der tatsächlich bestrebt ist die Taten auszuführen, der große Begeisterung kennt, und große Hingabe; der sich einer wertvollen Sache hingibt; der im besten Fall den Triumph des Erfolges erfährt und im schlimmsten Fall scheitert, aber wenigstens mutig wagt.“ Theodore Roosevelt, US-Präsident, 1858-1919

Scham will uns einreden, dass wir das Leben nicht gut meistern, will uns unsere Berechtigung etwas zu tun und sagen rauben. Scham schneidet uns vom Leben ab und am Schluss stehen wir ganz einsam da und drehen uns nur noch um uns selbst. Wenn wir warten, bis wir unserer Vorstellung (oder der Vorstellungen von anderen) entsprechen, werden wir lange warten und weder in unserem Leben noch in der Welt etwas bewegen.

Deshalb, gebe der Scham keinen Raum. Du bist wertvoll, du hast viel Arbeit hinter dir, du bist vielleicht auf dem Boden gelandet, verschwitzt, staubig und mit blutigen Knien, aber du bist mutig und stark und dein Leben liegt noch vor dir! Packe diese Chance mit beiden Händen und wage es mutig zu sein!

Dein Scheitern ist nicht nur ein Ende, es ist auch ein Anfang.

Trennungszeit 5 – Wenn ihr betet

Ich hatte ursprünglich einen elendig langen Artikel geschrieben, in dem es darum ging, was wir tun oder lassen sollen, wenn sich Freunde trennen. Aber eigentlich kann man das alles irgendwo anders nachlesen. Über das Thema, dass ich heute anspreche, habe ich noch nie etwas gelesen oder gehört und ich gebe zu, dass vielleicht nur ich damit ein Problem habe, aber dieses Risiko gehe ich ein, wenn nur einem Menschen dadurch geholfen wird.


Liebe betende Freude

Darf ich euch ganz liebevoll auf etwas Kleines aufmerksam machen?

Als Getrennte/Geschiedene schätze ich es sehr, wenn ihr für mich betet. Fast so sehr, wie eure praktische Hilfe. Und eine Einladung hier und da. Besonders an Sonntagen oder an Feiertagen, an denen ich sonst allein wäre.

Was ich dagegen nicht sehr schätze, ist, wenn ihr in den Gebeten in meiner Gegenwart namentlich für den Partner betet, von dem ich mich getrennt habe. Versteht mich bitte nicht falsch! Betet für meinen Partner von dem ich getrennt oder geschieden bin. Betet für ihn! Unbedingt. Aber bitte nicht dann, wenn ich dabei bin.*

Eine Trennung ist eine Verletzung. Es ist eine massive Verletzung und zwar gibt es zwei ganz massiv Verletzte. Wenn ihr in euren Gebeten ständig den Namen des anderen erwähnt, ist es wie wenn ihr so richtig kräftig auf meine Verletzung drückt. Aua! Das tut weh! Bitte aufhören! werde ich dann denken, aber nicht sagen. Ich werde mich innerlich verkrümeln und denken, mich versteht ja eh keiner und es interessiert auch keinen und was soll’s, lass sie doch beten, was sie wollen, die haben ja keine Ahnung… (das war jetzt sehr ehrlich und vielleicht nicht sehr christlich und ich steh dazu).

Wir haben unsere Vorstellungen, wie und wofür man beten soll. Und weil man ja nicht den Anschein erwecken will, dass man Partei ergriffen hat und nur für den einen Partner betet, betet man auch gleich für den anderen. Ich verstehe total, woher das kommt und warum ihr das macht (und, ganz ehrlich, ich habe es sicher auch schon gemacht). Aber vielleicht sollten wir uns weniger um den Anschein kümmern und mehr um einander.

Ach Mensch, denkst du vielleicht, sei doch nicht so zimperlich! Ausserdem musst du ja deinem Ex-Partner vergeben und wenn du mit der Formulierung meiner Gebete nicht klar kommst, ist das ein deutliches Zeichen, dass du ihm/ihr noch nicht vergeben hast.

Ich kann euch beruhigen. Gott geht diesen Weg mit uns Getrennten. Tatsächlich! Und er spricht Dinge in unserem Leben an. Wirklich! Wenn es Zeit ist, redet er klar und deutlich. Das habe ich alles schon erlebt. Seid einfach Freunde und überlasst das andere Gott. Er macht das nämlich richtig gut.

Die Barmherzigkeit, die uns gegeben wurde, dürfen wir grosszügig weitergeben. Ich bin sicher, wir kriegen das zusammen hin und können gemeinsam lernen. Ich bin so dankbar für euch!

Ganz liebe Grüsse

Eure Sonja

*Es gibt nur eine Ausnahme und die ist, wenn ich ausdrücklich darum bitte! Und ihr dürft das Gespräch gerne suchen und fragen, was ich möchte und was ich nicht möchte. Redet mit mir! Ich weiss, dass es für euch schwierig ist. Für mich ist es auch schwierig.

Identität

Ein letzter Text von Barbara. Ihre Offenheit ist ein kostbares Geschenk.


 

Identität

Einst, als junge Frau, wurde ich umworben, gewollt und auserwählt. Es war wunderschön, das zu erleben.
Als die Ehe dann zu Bruch ging, fühlte ich mich wie ein alter Lappen in die Ecke geworfen: ausgedient, uninteressant, kein Bedarf mehr. Was für eine Diskrepanz!
Mit diesem Schmerz konnte ich nicht gut umgehen. Die Demütigung, das öffentliche Mich- blossgestellt – Fühlen nagte lange an mir.
Wie überlebenswichtig und lieb wurden mir Bibelstellen, wie die aus Psalm 3: Aber du, o Herr, bist ein Schild für mich, meine Ehre und der mein Haupt erhebt.
Gott gibt mir meine Würde zurück; er erhebt mein Haupt. Was für ein Trost!
Wenn ich heute eine positive Rückmeldung über mein Aussehen oder meine Ausstrahlung bekomme, dann freut mich das ehrlich: Wenn dem so ist, dann ist das nicht mehr das gute Aussehen aufgrund eines privilegierten, behüteten Lebens, sondern ein Zeugnis dafür, dass Gottes Wort verlässlich bleibt durch allen Schmerz hindurch. Ich wurde getragen, gehalten, habe überlebt und mehr als das: Ich gehe meinen Weg mit erhobenem Haupt; nicht hart und stolz, sondern dankbar, weil ich weiss: Meine Ehre ist bei Gott. Er weiss, wie ich’s meine. Das reicht. Gott sei Dank!

– Barbara

Zu lohnenden Zielen gibt es keine Abkürzungen

Barbara greift in diesem Text etwas auf, womit wir als Getrennte oft konfrontiert werden. „Es kommt schon gut!“ hört man – und die Frommen sagen „bei Gott ist alles möglich“ – und mit „gut“ oder einem „Wunder“ meint man die heile Familie, so wie sie vorher war und wie sich das alle vorstellen. Nur, vielleicht ist das Ziel gar nicht die „heile Ehe“, sondern der heile Mensch? Vielleicht besteht das Wunder darin, innerlich heil zu werden, auch wenn äusserlich alles auseinander fällt und zerbricht.


Zu lohnenden Zielen gibt es keine Abkürzungen

Diesen Spruch heftete ich an den Kühlschrank, irgendwann am Anfang der Trennungszeit.
Das „lohnende Ziel“ bedeutete für mich: zurück zur heilen Familie. Ich war bereit, mich dem Schmerz, der Unzulänglichkeit und dem Versagen zu stellen, wollte nicht verdrängen und auf keinen Fall bitter werden, sondern unbedingt den Weg der Vergebung finden – damit es wieder gut werden könnte. Ich war bereit dazu, auch wenn es ein langer Weg ohne Abkürzungen werden würde.

Unterwegs wurde ich etappenweise herausgefordert: Bin ich auch bereit zu vergeben, wenn wir nicht wieder zur heilen Familie werden und ich möglicherweise nie „rehabilitiert“ werde? Bin ich bereit, loszulassen und frei zu geben, ohne zu sehen, ob ich etwas dafür bekommen werde?

Mit Hilfe von Freunden, Beratung und Gebeten barg ich mich immer wieder bei diesem Jesus, der das alles für mich getragen hat, und sagte: „Ja, ich bin bereit.“

Neun Jahre sind mittlerweile seit der Trennung vergangen. Wir sind nicht mehr zur heilen Familie geworden, sondern heute geschieden und es bleiben durchaus Fragen offen.
Ich habe mich dem Schmerz, der Unzulänglichkeit und dem Versagen gestellt. Obwohl es nicht so kam, wie ich sehnlichst wünschte, kann ich heute sagen: Es ist, wie es ist; und es ist gut so.

Neulich bekam ich von einem Freund die Rückmeldung: „Du hast trotz widerwärtigsten Umständen deinen Humor, deine Kreativität, Phantasie und Liebe zu den Menschen nicht aufgegeben. Du bist nicht in Bitterkeit abgesumpft.“
Was für ein lohnendes Ziel, dachte ich! Auch dazu gab es keine Abkürzungen.

– Barbara

Verzeihen macht stark

Darf ich vorstellen? Barbara, die die Schöne, Begabte und Starke! Da ich in den letzten Wochen über Trennungszeiten schrieb, schickte sie mir einige Texte, die sie dazu verfasst hatte und wow! ihre Texte haben mich umgehauen. Danke, Barbara, dass du dein Herz mit uns teilst.


 Verzeihen macht stark

Diese Worte habe ich damals aus der Zeitung ausgeschnitten, sie aufgeklebt und laminiert. Auch heute noch hänge ich sie immer wieder so auf, dass ich sie von meinem Bett aus gut sehen kann.

Die Psalmen sind voller Worte, die meinen Gefühlszustand treffend beschrieben: „ich bin welk, meine Gebeine sind bestürzt, meine Seele weigerte sich getröstet zu werden…“

Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass der Auslöser dafür, dass solche Worte zu meinen eigenen werden, der Mensch sein könnte mit dem ich mich am tiefsten und intimsten verbunden hatte, an dessen Seite ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Wie unendlich schmerzhaft war es, diesen mir vertrautesten aller Menschen als einen zu erleben, der mir „feind“ wurde durch sein Handeln. Ohne Zuflucht zu Gott zu nehmen, wie der Psalmist das vor seinen Feinden tat, hätte ich seelisch nicht überlebt. Ich war tödlich verwundet.

Das Schlimmste war der Verrat.

Meine Worte und Bilder dazu: “Die offene Wunde in mir ist so gross wie ein Wagenrad. Ich verstumme mit einem lodernden Feuer in mir, möchte mich verkriechen und nie mehr aufstehen. Ich bin lebensmüde…“

Von einem Freund liess ich mir sagen, dass Jesus auch Verrat am Kreuz getragen hat. Er wurde auch verraten – von einem seiner vertrautesten Freunde. Es hat ihn das Leben gekostet. Ich liess mir sagen, dass er mich deshalb versteht und ganz mitfühlen kann. Und, dass ich nicht daran zerbrechen muss, weil er auch den Verrat, den ich erlebt habe, getragen hat.
Ich liess es mir sagen. Ich habe mich immer wieder daran erinnert, es unter Tränen angenommen.

Über die Jahre nahm diese Wahrheit Gestalt an in mir. Ich bin zwar zerbrochen, aber nicht kaputt gegangen. Diese Wahrheit ist die Grundlage, auf der ich verzeihen konnte.

Und Verzeihen macht mich stark – und frei.

Nachtrag: Der Richter sagte, aus Sicht des Gerichtes sei unsere Scheidung eine „Wunschscheidung“: Alles anständig und einvernehmlich geregelt, keine Komplikationen.
So sah das von aussen aus.

– Barbara

Alles hat seine Zeit

So zwischendurch, weil mir das ganze Gerede über Trennung gerade etwas viel wird (und euch vielleicht auch), schieb ich diesen Text hinein, den ich auf dem Heimflug von unseren Herbstferien in Amerika schrieb. Wir verbrachten dort mit meiner ganzen Familie (15 Leute plus noch weitere 14 Verwandte) eine ganz wunderbare Woche am Strand und ich war anschliessend noch mit meinen Kindern bei meinen Eltern zu Besuch.

Ich schaue diskret auf die linke Hand meines Sitznachbars: ein Ring am Ringfinger. Ich atme innerlich auf. Kein Druck.

Ich schaue diskret auf meine linke Hand: kein Ring am Ringfinger. Ich seufze. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Meine Mutter wünscht mir so sehr einen Freund, einen zukünftigen Partner. Sie versteht nicht, warum die Männer vor meiner Tür nicht Schlange stehen. Und ganz ehrlich, manchmal verstehe ich es auch nicht – andererseits bin ich manchmal genauso froh darüber, dass da keine Männer Schlange stehen. Aber ich verstehe meine Mutter.

Ich habe eine Freundin, eine alleinerziehende Mutter von zwei Jungs, der ich auch einen Freund, einen zukünftigen Partner wünsche. Ich verstehe nicht, warum die Männer vor ihrer Tür nicht Schlange stehen. Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mir schon lange diese wunderschöne, stilvolle, begabte, lustige, gebildete und äusserst kreative Frau geschnappt. Sie ist die beste Ferienbegleitung, die ich kenne.

Was soll man da sagen? Alles hat seine Zeit. Geboren werden, wie auch das Sterben. Das Zusammensein, wie auch das Alleinsein, einen Ring am Finger tragen, wie auch keinen Ring am Finger tragen.

Und es ist gut so. Als Alleinerziehende ohne Partner machen wir Erlebnisse, die wir sonst nicht machen würden. (Gute und schlechte, aber für etwas gut sind alle beide.) In den Worten meiner Freundin (die Schöne, Begabte und Kreative): „Eigentlich können die anderen neidisch auf uns sein und auf das, was wir durchgemacht haben…“ Das war ihre Antwort als ich ihr den Link zum Lied „Ein Hoch auf uns“ schickte und darauf hinwies, dass wir gerade durch unsere Notzeit so überreich beschenkt worden sind, besonders, aber nicht nur mit Freundschaften. Deshalb: „Ein Hoch auf uns“ und auf diese Zeit! Was wir haben, hat nicht jede(r). Und alles hat seine Zeit.

Trennungszeit 4

Nach meiner Trennung fühlte ich mich blossgestellt und, ja, es gab Menschen um mich herum, die mich verurteilten, nicht immer mit dem was sie sagten, sondern auch mit dem, was sie nicht sagten. (Das funktioniert nämlich auch so rum und kenne ich nur zu gut von mir selber.) Mein Scheitern war öffentlich. Meine Schuld (weil nach der gängigen Meinung immer beide Schuld sind) war öffentlich.

Ich fühlte mich damals sehr geknickt. Diese Bezeichnung kommt sogar in der Bibel vor und ist eigentlich eine wunderbare Verheissung Gottes: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“.

Nur, wie macht man das, so von Mensch zu Mensch?

Ein Beispiel haben wir: Jesus zeigt in seinem Umgang mit der Frau, die im Ehebruch ertappt wurde, auf eindrückliche Art und Weise, wie wir mit Menschen umgehen können und sollen, die aus irgendwelchen Gründen entblösst vor anderen dastehen (und ich setzte mit diesem Beispiel Scheidung nicht mit Ehebruch gleich, sondern es geht mir um die Blossstellung, um die Verwundbarkeit der Betroffenen und wie Jesu damit umging).

In seiner Begegnung mit dieser Frau, deren Versagen so öffentlich war, die so entblösst vor einem Haufen Männer steht und so geknickt war, hält Jesus keine Predigt und stellt auch keine Fragen. Und eigentlich war das Gesetz (ich wiederhole: das Gesetz Gottes! also so etwas wie die höchste Instanz) sehr klar und verlangte, dass diese Frau gesteinigt werden sollte. Aber es fliegt kein Stein. Und schon gar nicht von Jesus – und er war die höchste Instanz. Aber seine wenigen Worte sind deutlich. Jesus wendet sich interessanterweise zuerst an die Männer: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

Erst nachdem er alle anderen anspricht, die in ihrer selbstgerechten Haltung dastehen und sich einer nach dem anderen ehrlicherweise davon macht, wendet er sich an die Frau. Ich kann mir seinen liebevollen Blick sehr gut vorstellen und auch wie die Frau die Liebe, Annahme und Vergebung in seinen Augen sehen konnte, noch vor er die Worte aussprach: Ich verurteile dich auch nicht…

Dieser Mann, dieser Gott, ist einfach erstaunlich.

Trennungszeit 3

Ich habe mir in den letzten paar Wochen viele Gedanken zu meiner Trennung und Scheidung gemacht (zu diesem Thema ein Seminar besucht und auch Artikel gelesen) und dazu drei Artikel verfasst. Da in meinem Freundeskreis Trennung gerade ein Thema ist, werde ich diese Artikel in den nächsten Wochen posten.

Als sich vor Jahren ein befreundetes Ehepaar getrennt hatte, war mein erster Gedanke: „Er (der Partner, der gegangen war) hat einfach aufgegeben“. Inzwischen, also seit meiner Trennung und Scheidung, reagiere ich auf solche Nachrichten viel differenzierter. Aber wie soll man reagieren, wenn man jahrelang der Meinung war, dass die Wiederherstellung einer Ehe immer möglich ist, wenn man nur will und mit Gottes Hilfe sowie so.

Ich war lange gefangen in meiner idealisierten Vorstellung von Ehe – und vom Glauben. In meiner ersten Ehe, die sehr gut war, musste ich mich auch nicht mit solch schwierigen Fragen rumschlagen (und das sage ich mit einem Augenzwinkern, denn); mein Mann war zwar am Sterben, aber unsere Beziehung war bis zum Schluss intakt. Unsere Ehe war tief, liebevoll, nicht ohne Schwierigkeiten, aber echt und echt gut. Ich bin inzwischen der Meinung, dass die Menschen, die nur eine gute Ehe kennen nicht wirklich oder kaum verstehen können, warum eine Ehe zerbrechen kann. Oder warum ein Mensch an seiner Ehe zerbrechen kann. Oder warum man am Ideal zerbrechen kann.

Inzwischen weiss ich, dass solche Dinge passieren können und passieren werden. Und ich habe gelernt es stehen zu lassen. Ich muss nicht alles zurecht rücken. Ich muss nicht tausend super gut gemeinte Ratschläge weitergeben. Ich kann lieben. Ich kann die betroffenen Personen wertschätzen. Ich kann auch meinen Mund halten, anstatt zu richten. Ich muss nicht urteilen, auch nicht durch mein Schweigen.

Folgendes Zitat habe ich irgendwo gelesen oder gehört, weiss aber leider nicht mehr wo:

„There are situations you can’t fix. You can just be there for someone. And sometimes that can be a lot harder than doing something.“

Also: „Es gibt Probleme, die man nicht lösen kann. Man kann nur für die betroffenen Menschen dasein. Und manchmal ist das viel schwieriger als etwas zu tun.“

Heute leben und zwar schön

Der Luftballon flog über den Tisch, Kristina gab ihm einen Schubs und er flog in ein Wasserglas, welches vom Tisch rutschte und auf dem Boden in tausend Stücke zersplitterte. Es war eines meiner schönen Gläser. Das Stück kostet Fr. 10.- und ich hatte es mir vom Weihnachtsgeld meiner Mutter gekauft. Schluck.

Es waren Gäste im Haus, Kristina schaute betreten und ich sagte nicht viel. Die Frage stand im Raum, warum ich nicht die alten, einfachen (billigen und ja, hässlichen) Wassergläser aufgetischt hatte. Um die wäre es nicht schade gewesen. (Es war ja schliesslich ein Kindergeburtstag.) Wir putzten und räumten auf und ich hatte Zeit meine Gedanken zu sortieren. Ich erinnerte mich daran, warum ich gerne im Alltag die schönen Sachen gebrauche.

Als ich Stefan heiratete, hatten wir Alltagsgeschirr (sein Junggesellengeschirr) und ein schönes, von uns beiden ausgesuchtes Sonntagsgeschirr. Als er krank wurde, fing ich an jeden Tag das Sonntagsgeschirr zu gebrauchen. Da wir nicht mehr so viele gemeinsame Sonntage haben würden, wollte ich jeden Tag mit Stefan aus den schönen Tellern essen.

Ausserdem, wenn wir auf die spezielle Gelegenheit warten, um das schöne Geschirr rauszuholen, das hübsche Kleid anzuziehen, das spezielle Parfüm aufzutragen, das … (jeder setze hier das ein, was ihm kostbar und wertvoll ist), kann es passieren, dass es plötzlich zu spät ist und es bleibt nur noch der schale Nachgeschmack einer verpassten Gelegenheit.

Nackt oder das liebe Geld

Ich las kürzlich im Tagesanzeiger einen Artikel über eine alleinerziehende Mutter, die als Sozialempfängerin am Existenzminimum lebt. Solche Schicksale sind sehr bewegend, weil sie hier mitten unter uns in diesem reichen Land stattfinden. Sie bewegen mich auch deshalb, weil es genauso gut mich hätte treffen können. Vieles kam mir auch sehr bekannt vor, weil ich kürzlich, um eine finanzielle Unterstützung für meine Kinder zu bekommen, meine Finanzen (zwar nicht auf dem Sozialamt, aber trotzdem) offen darlegen musste. Diese Frau sagt über den Gang aufs Sozialamt: „Es ist ein gewaltiger Eingriff in die Privatsphäre, man legt sein ganzes Leben auf den Tisch und fühlt sich wertlos.“

Ich las diese Worte und wusste, ja, genau so ist es. Wenn ich erklären muss, woher wie viel Geld kommt – und auch noch wofür ich es ausgebe – da habe ich das Gefühl, dass ich nackt dastehe. Es ist kein angenehmes Gefühl, auch wenn ich sage, dass es mir nichts ausmacht. Es macht doch was aus. Und es macht auch was mit mir. Ich fühle mich irgendwie etwas weniger wert. „Jeder scheint für sich sorgen zu können, nur ich kann es nicht“ geht mir dann durch den Kopf. Wertlos.

Ich vergleiche zu schnell und zu oft. Und ich vergesse zu schnell und zu oft, dass wir bisher immer mit allem versorgt wurden, was wir brauchen und das auf mehr als nur auf der materiellen Ebene.

Wir essen dreimal täglich, haben fliessendes Wasser, ein warmes Haus, Kleider und Schuhe zum anziehen – sogar ein Auto!!! Ich liebe meinen Beruf und (meistens) mein Muttersein und darf mich wirklich nicht beklagen – und vor allem ist mein Leben ist reich an Erfahrungen, an Freundschaften, an Liebe (okay, ich hätte nichts gegen einen Partner… :-)). Und dann denke ich: Wertvoll.