Trennungszeit 3

Ich habe mir in den letzten paar Wochen viele Gedanken zu meiner Trennung und Scheidung gemacht (zu diesem Thema ein Seminar besucht und auch Artikel gelesen) und dazu drei Artikel verfasst. Da in meinem Freundeskreis Trennung gerade ein Thema ist, werde ich diese Artikel in den nächsten Wochen posten.

Als sich vor Jahren ein befreundetes Ehepaar getrennt hatte, war mein erster Gedanke: „Er (der Partner, der gegangen war) hat einfach aufgegeben“. Inzwischen, also seit meiner Trennung und Scheidung, reagiere ich auf solche Nachrichten viel differenzierter. Aber wie soll man reagieren, wenn man jahrelang der Meinung war, dass die Wiederherstellung einer Ehe immer möglich ist, wenn man nur will und mit Gottes Hilfe sowie so.

Ich war lange gefangen in meiner idealisierten Vorstellung von Ehe – und vom Glauben. In meiner ersten Ehe, die sehr gut war, musste ich mich auch nicht mit solch schwierigen Fragen rumschlagen (und das sage ich mit einem Augenzwinkern, denn); mein Mann war zwar am Sterben, aber unsere Beziehung war bis zum Schluss intakt. Unsere Ehe war tief, liebevoll, nicht ohne Schwierigkeiten, aber echt und echt gut. Ich bin inzwischen der Meinung, dass die Menschen, die nur eine gute Ehe kennen nicht wirklich oder kaum verstehen können, warum eine Ehe zerbrechen kann. Oder warum ein Mensch an seiner Ehe zerbrechen kann. Oder warum man am Ideal zerbrechen kann.

Inzwischen weiss ich, dass solche Dinge passieren können und passieren werden. Und ich habe gelernt es stehen zu lassen. Ich muss nicht alles zurecht rücken. Ich muss nicht tausend super gut gemeinte Ratschläge weitergeben. Ich kann lieben. Ich kann die betroffenen Personen wertschätzen. Ich kann auch meinen Mund halten, anstatt zu richten. Ich muss nicht urteilen, auch nicht durch mein Schweigen.

Folgendes Zitat habe ich irgendwo gelesen oder gehört, weiss aber leider nicht mehr wo:

„There are situations you can’t fix. You can just be there for someone. And sometimes that can be a lot harder than doing something.“

Also: „Es gibt Probleme, die man nicht lösen kann. Man kann nur für die betroffenen Menschen dasein. Und manchmal ist das viel schwieriger als etwas zu tun.“

Nackt oder das liebe Geld

Ich las kürzlich im Tagesanzeiger einen Artikel über eine alleinerziehende Mutter, die als Sozialempfängerin am Existenzminimum lebt. Solche Schicksale sind sehr bewegend, weil sie hier mitten unter uns in diesem reichen Land stattfinden. Sie bewegen mich auch deshalb, weil es genauso gut mich hätte treffen können. Vieles kam mir auch sehr bekannt vor, weil ich kürzlich, um eine finanzielle Unterstützung für meine Kinder zu bekommen, meine Finanzen (zwar nicht auf dem Sozialamt, aber trotzdem) offen darlegen musste. Diese Frau sagt über den Gang aufs Sozialamt: „Es ist ein gewaltiger Eingriff in die Privatsphäre, man legt sein ganzes Leben auf den Tisch und fühlt sich wertlos.“

Ich las diese Worte und wusste, ja, genau so ist es. Wenn ich erklären muss, woher wie viel Geld kommt – und auch noch wofür ich es ausgebe – da habe ich das Gefühl, dass ich nackt dastehe. Es ist kein angenehmes Gefühl, auch wenn ich sage, dass es mir nichts ausmacht. Es macht doch was aus. Und es macht auch was mit mir. Ich fühle mich irgendwie etwas weniger wert. „Jeder scheint für sich sorgen zu können, nur ich kann es nicht“ geht mir dann durch den Kopf. Wertlos.

Ich vergleiche zu schnell und zu oft. Und ich vergesse zu schnell und zu oft, dass wir bisher immer mit allem versorgt wurden, was wir brauchen und das auf mehr als nur auf der materiellen Ebene.

Wir essen dreimal täglich, haben fliessendes Wasser, ein warmes Haus, Kleider und Schuhe zum anziehen – sogar ein Auto!!! Ich liebe meinen Beruf und (meistens) mein Muttersein und darf mich wirklich nicht beklagen – und vor allem ist mein Leben ist reich an Erfahrungen, an Freundschaften, an Liebe (okay, ich hätte nichts gegen einen Partner… :-)). Und dann denke ich: Wertvoll.

Heilig leben?

Was bedeutet es heilig zu leben? Das Wort heilig gehört ja nicht gerade zu unserem Alltagsvokabular. Aber wer sich ab und zu in ein Gotteshaus verirrt, der wird diese Worte vermutlich hören. Und wer regelmässig einen Gottesdienst besucht, der wird diese Worte schon so oft gehört haben, dass er sie schon wieder „überhört“. Aber ab und zu frage ich mich solche Fragen und möchte euch Anteil geben an meinen Gedanken dazu.

Bedeutet heilig leben gewisse Dinge nicht zu tun? Bedeutet es gewisse andere Dinge zu tun? Vielleicht. Vielleicht ist heilig leben aber noch viel mehr als nur gewisse Regeln einzuhalten.

Vor einiger Zeit habe ich gelernt, was das Wort heilig in der Bibel bedeutet, nämlich, „für einen besonderen Zweck abgesondert“. Vielleicht habt ihr noch Sonntagsgeschirr? Das wäre dann „heiliges“ Geschirr. Ich gebe zu, das ist alles vielleicht etwas arg vereinfacht, aber es hat mir das Wort heilig wieder näher gebracht und ich meine es jetzt besser zu verstehen, wenn uns gesagt wird, wir sollen heilig leben, weil Gott heilig ist.

Irgendwann haben wir angefangen ein heiliges Leben mit einem sündlosen Leben zu verwechseln. Und die Schuldgefühle mitsamt Selbstverdammnis lauern gleich um die Ecke. Ist ja nicht zu sagen, was für einen Druck wir uns dadurch aussetzen.

Ich habe nichts, rein gar nichts, gegen gewisse Leitplanken – ich begrüsse sie sogar – da wir alle wissen, dass im Zusammenleben jeder nicht einfach das machen darf, was er will. Hier geht es aber um unsere tiefste Motivation, eigentlich um unser Herz: Warum lebe ich wie ich lebe? Wer oder was bestimmt meinen Umgang mit dem Leben und mit allem, was mir das Leben so in den Schoss wirft?

Noch mehr als meinen Kindern einen gesunden Lebensstil (im christlichen Jargon wäre das dann „heilig leben“) zu vermitteln, möchte ich ihnen einprägen, dass Gottes Liebe für sie grösser ist als jeder Fehlentscheid und jedes Versagen. Ich habe jahrelang gebraucht das zu verstehen und wenn es etwas gibt, dass ich aus meiner Scheidung gelernt habe, dann ist es dies: Gott hat keinen Plan B. Er hat Plan A schon lange im Voraus gewusst und sich trotzdem auf mich eingelassen. Diese Liebe, dieses Trotz-Meines-Versagens-Für-Mich-Sein ist es, was mich so zu ihm zieht. Er kennt mein Scheitern, nimmt mich trotzdem an und hat sogar eine Bestimmung und einen Plan für mich. Diese Gnade ist unfassbar. Und plötzlich ist mein Leben total wertvoll und heilig (für einen besonderen Zweck abgesondert).

„Heilig leben“ scheint mehr damit zu tun zu haben, was Gott tut, als mit dem was ich tue. Oder könnt ihr euch vorstellen, wie Gott plötzlich überrascht aufschaut und sagt: „Hoppla, die Sonja da unten, die hat meinen Plan aber gehörig vermasselt. Oi vey, was mach‘ ich nun? Wie krieg‘ ich das jetzt wieder hin?“ Ich weiss nicht, wie gross dein Gott ist, aber meiner ist definitiv grösser.

Der Sturz

Manchmal ist ein Sturz vom Velo (Fahrrad für die Deutschen unter euch) vergleichbar mit einem Sturz im Leben.

Ich war auf dem Weg zu einem Treffen mit zwei Freundinnen und gerade als ich ein steiles Strässchen hochfahren wollte, fiel ich vom Velo. Es war ein langsamer Sturz (keine Schürfungen und so) und gleichzeitig so schnell vorbei, dass ich mich unter meinem Velo wiederfand, bevor ich richtig begriffen hatte, was geschehen war. Also, entweder ich werde einfach alt und tattrig, oder es hatte damit zu tun, dass mein Körper noch so viel Schwung hatte und der Gang so niedrig war, dass es einfach nicht passte und ich ins Leere hinaus trampelte.

Dieses mit zu viel Schwung ins Leere trampeln, kenne ich. Ich kenne es aus diesem Zwei-Wochen-Rhythmus mit den Kindern: Ein Wochenende bei mir, ein Wochenende bei ihrem Vater. Wir wissen ja, dass es für die Kinder nicht einfach ist. Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass es für mich auch nicht einfach ist. (Auch wenn mich andere Mütter um diese kinderfreien Wochenenden beneiden…tut mir Leid, Ladies.) Ohne diese kinderfreien Wochenenden mutiere ich zum nervösen Wrack. Wenn ich aber dann ein kinderfreies Wochenende habe, stürze ich oft und heftig und frag mich, wie ich so plötzlich auf dem Boden landen konnte – es sollte mir doch jetzt besonders gut gehen. Das Leben mit den Kindern ist so voll: Reden, Streiten, Schlichten, Lachen, Kochen, Essen, Sachen machen (wenn ihr das laut lest, merkt ihr, dass es sich irgendwie reimt). Wenn alle plötzlich am Freitagabend weg sind, trample ich mit enormen Schub ins Leere. Bumm. Da lieg ich und sehe nur noch, wie sich die Räder in der Luft drehen.

Aber ich kann euch beruhigen. Ich falle nicht mehr so oft. Nach bald acht Jahren schaffe ich es manchmal auf den Rädern des Lebens zu bleiben und fröhlich ins Wochenende zu radeln. Nicht immer, aber immer öfter.

Trennungszeit 2 (oder: Ein Loblied auf Freunde)

Nachdem ich kürzlich in einem Post mit dem Titel „Trennungszeit“ auf die schwierigen und negativen Erlebnisse dieser Zeit eingegangen bin, sind mir die schönen und positiven Erlebnisse dieser Zeit eingefallen. Die positiven Erinnerungen haben allesamt mit Menschen zu tun, die mir mit ihrer Art gut getan haben und die mir Freunde waren und noch sind.

Ich habe übrigens gerade gehört, dass Elie Wiesel auf die Frage, wie er die grausame Zeit im KZ überstanden habe, geantwortet hat: „Gott und Freunde.“ Das kann ich nur bestätigen. In meiner Auflistung kommen viele Freunde vor.

Da ist mal meine Freundin, die mich zum Geburtstag immer in ein Restaurant einlädt. Das schätze ich jedes Jahr sehr, weil ich sonst nie zum Essen ausgeführt werde. Und auf diese Weise lernte ich in den letzten Jahren sogar ein paar neue Restaurants in Zürich kennen. Sie hat mir auch schon meinen Eingangsbereich mit Frühlingsblumen verschönert und oft bringt sie mir aus den Ferien etwas mit – was mich jedes Mal total überrascht, aber so gut tut, denn, so erlebe ich ganz praktisch, dass jemand an mich denkt.

Und dann meine Freundinnen aus dem Appenzellerland, die mich auch immer wieder motivieren, sei es für einen Kinobesuch, ein Essen, eine Museumsnacht. Die mir durch ihr Organisationstalent bereits ein langes Wochenende in Barcelona und Stockholm ermöglicht haben und mich dieses Jahr auf eine Wanderwoche im Jura mitnehmen. In diesen Zeiten mit meinen Freundinnen atme und tanke ich auf. Wir lachen und erzählen und zwängen uns zu dritt in Umkleidekabinen und machen Fotos von verrückten Outfits – es ist der Hammer und sie sind einfach die Besten der Besten.

Meine Freundin, mit der ich mal eine Woche im Tessin verbracht habe und auch schon durch Amsterdam geradelt bin. Bei ihr fühle ich mich wohl, gut aufgehoben und mutig. Sie schleppt mich ins Theater 11 und und wenn ich spät dran bin, schreibt sie mir SMS, mit dem Wortlaut: „Dusch und komm, wann du kannst. Wir holen dich irgendwann irgendwo ab!“ (Manchmal brauche ich jemanden, der mir sagt, was ich tun soll… .)

Die Freundin aus dem Hallenbad, die mich in ihre Clique aufgenommen hat, weil sie das Gefühl hatte, ich müsse mehr unter die Leute. Jetzt sagt sie jede paar Wochen Bescheid, wenn sie ins Kino oder Essen gehen und ich darf mit!

Und der Mann meiner Freundin, der mir zwei Mal im Jahr die Autoreifen wechselt! Das ist so eine Hilfe für mich!

Die Nachbarn, deren Feuerschale wir gebrauchen dürfen – und wie wir sie gebrauchen!

Und unser Pastor, der uns nicht nur geistlich begleitet, sondern auch bei Computerproblemen hilft und mir schon x-Mal mein iPhone erklärt hat (ohne mich anzuschauen, als sei ich blöd, obwohl ich mich so fühle). Was für ein Geschenk!

Die zwei Frauen, mit denen ich mich regelmässig zum Gebet für unsere Kinder und ihre Schulen treffe und mit denen ich offen über mich und meine Kinder reden kann. Sie sind mir ein sicherer und wertvoller Ort geworden, den ich nicht missen möchte.

Die Gymnastikleiterin, die mir ein Jahr lang die Kurskosten erlassen hat, damit ich weiterhin in die Rücken- und Haltungsgymnastik gehen konnte, obwohl ich es mir während dieser Zeit nicht leisten konnte.

Es gibt noch mehr und ich habe meine Familie noch gar nicht erwähnt, aber ich komme mal hier zum Schluss.

Mir fällt auf, das mir die Güte Gottes immer wieder in Menschenform begegnet. Ganz praktisch. Gott legt Hand an, wenn er unsere Hände gebrauchen kann. Er hört zu, wenn er unsere Ohren dazu gebrauchen kann. Er segnet, wenn wir jemandem etwas Gutes tun. Er redet durch Blumen, Feuerholz oder eine Mahlzeit. Nichts ist umsonst.

Alles, was wir tun und auch nicht tun, redet, entweder im Guten oder im Schlechten. Gott ist nicht nur zu Weihnachten Mensch geworden; er wird jeden Tag durch uns Mensch. (Keine Ahnung wie theologisch korrekt das ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht ganz falsch ist :-))

Ihr merkt, ich war von so vielen tollen Menschen umgeben, dass ich nicht aufgeben konnte. Und sie waren einfach Freunde.

Trennungszeit 1

Ich habe den Eindruck, dass ich schon vieles aus der Trennungszeit und was alles damit verbunden war, vergessen habe.

Kürzlich versuchte ich mich wieder bewusst an diese Zeit zu erinnern. Hier sind ein paar Erinnerungsfetzen:

Der Termin vor der Richterin, wo es um die Trennung und die Finanzen ging. Zum Glück war unsere Beraterin als moralische Unterstützung dabei, denn es ging mir gar nicht gut. Ich war nur mässig vorbereitet, hatte, was die Finanzen betraf, nicht wirklich eine Ahnung und die Richterin war grausam streng zu uns, weswegen ich in Tränen ausgebrochen bin.

Danach immer wieder Telefonate um dies oder das abzuklären, Steuern, Versicherungen, Bankangelegenheiten, Telefonanrufe seiner Familie, die nicht wusste, dass wir uns getrennt hatten.

Und dann drei kleine Kinder, die versucht haben zu verstehen und doch nichts verstanden haben, die den Papa vermisst haben und ich alleine in all dem drin. Ich habe einfach versucht nicht unterzugehen.

Dann die Kleingruppe, die es gut meinte, aber mir manchmal nicht gut tat, mit ihren Gebeten für meinen Noch-Ehemann und für die Wiederherstellung der Ehe (die ich ja eben so nicht wollte…) und ich da mitten drin, die versuchte einfach zu überleben, auch unter Christen zu überleben.

Die Wochenenden an denen ich mich so allein gefühlt habe und keine Energie hatte mich bei irgendwem zu melden.

Es war eine sehr schwierige, emotional aufreibende Zeit.

Ich bin so froh, dass ich es hinter mir habe (zum grössten Teil), aber es war sehr sehr schwierig (und manchmal holt mich die Vergangenheit immer noch ein). Diese Zeit hat mich geprägt und geformt, mich gelehrt und ernüchtert. Jetzt bin ich dankbar. Dankbar, dass ich nicht untergegangen bin, dass ich überlebt habe, dass ich dankbar geblieben bin.

Kürzlich habe ich mich selbst überrascht, als ich dachte, dass ich sogar extrem dankbar für dieses Erlebnis der Trennung und inzwischen Scheidung bin. Es ist für mich ein wertvoller Schatz geworden. Ich habe gelernt, was ein Lebensstil der Vergebung bedeutet und was für ein Gewinn es ist nicht bitter zu werden. Ich habe viel Verständnis für andere Menschen, die ähnliches durchlebt haben und mein Herz ist weit geworden. Wenn das kein Geschenk ist!

„In einem sind wir uns aber ganz sicher. Für alle, die Gott lieben, gilt: Alles muss letzten Endes immer zum Besten laufen, denn Gott will das so und hat uns dazu auch ausgesucht.“ (Die Bibel)

Ehe und Scheidung von der Kanzel

Ich habe lange an der Formulierung folgender Gedanken gearbeitet (etwa zwei Jahre) und endlich konnte ich das, was ich empfinde in eine akzeptable Form bringen. Ich habe meine Gedanken als Brief an Leiter von christlichen Gemeinden gefasst und vielleicht findet der eine oder andere Nicht-Leiter auch etwas Gedanken-Futter darin. Mir ist es wichtig diese Gedanken auf Papier zu bringen, da ich dieses Jahre innerlich mit meiner gescheiterten Ehe abgeschlossen habe. Es war ein langer Prozess und jetzt bin ich bereit weiterzugehen. Mich erfüllt ein tiefer Friede über meinen jetzigen Zivilstand. Das ist für mich nicht selbstverständlich. Es ist ein grosses Geschenk diese Freiheit zu spüren. Ich möchte es nicht unterlassen zu erwähnen, dass ich gerade  in meiner Gemeinde viel Unterstützung erfahren habe und meine Erfahrungen mit Christen und dem Thema Scheidung nicht nur negativ waren. Es gibt allerdings in unserem Reden und Denken über unseren Glauben und das Leben noch ein gewisses Lernpotenzial. Wie überall.

Liebe Leiter der christlichen Gemeinde

Ich möchte euch gerne ein Feedback geben zu der Art, wie ich die Äusserungen von der Kanzel zum Thema Ehe und Scheidung empfinde.

Mein von Gott wiederhergestelltes und noch fragiles Selbstvertrauen kann mit ein paar Worten von der Kanzel zerschmettert werden und ich liege am Boden und habe das Gefühl, ich sei eine hartherzige Person, mit der Jesus nichts anfangen kann.

Die Eheratschläge, die ich von der Kanzel höre, sind sehr generell gefasst, nicht differenziert und zeigen nur den Idealfall auf, wo beide Partner bereit sind an der Ehe zu arbeiten; ein Partner betet und der andere kommt zur Einsicht, usw. Aber, es gehören immer zwei dazu, um eine Ehe zu retten. Wenn eine Ehe auseinandergeht, sagt man schnell, dass es zwei dazu braucht. (Ich bin der Meinung, dass einer allein eine Ehe kaputt machen kann.) Wenn eine Ehe gekittet werden soll, scheint die Meinung zu herrschen, dass ein Partner das allein hinkriegen soll!! Da kann ich nur müde mit dem Kopf schütteln.

Ich kämpfe mich jeden Tag durchs Leben. Vieles ist für mich als Alleinerziehende sehr schwer und sehr belastend. Dabei ist mein grösster Trost und meine grösste Stütze und Hilfe im Leben, nebst lieben Freunden und Nachbarn, die Gegenwart von Jesus und das Wort Gottes. Wenn ich dann in den Gottesdienst gehe und mich anschliessend entmutigt und missverstanden fühle, ist das ganz ganz schwierig. Ich bin der Meinung, ihr seid euch einfach nicht bewusst, was eure harten Worte über Scheidung in einer geschiedenen Person auslösen.

„Mit einem weichen Herz wird Ehe lebbar“. Richtig. Ich bin einverstanden, aber ihr bleibt da stehen und in mir redet es weiter: „Da ich in meiner Ehe nicht länger leben konnte, habe ich ein hartes Herz. Meine Ehe ist vielleicht daran gescheitert, dass ich ein hartes Herz habe…“ usw.

Während dem Rest der Predigt versuche ich aus diesem Wirrwarr raus zu kommen und verpasse die anderen Dinge, die gesagt wurden und bin am Schluss total geschlaucht.

Ich suche in euren Aussagen über die Ehe immer die Gnade für die Gescheiterten und finde sie selten bis nie. Das macht mir nicht Mut, das reisst mich nur jedes Mal wieder runter.

Es ist ja nicht so, dass wir Christen (und ich bin inzwischen der Meinung, auch die, die sich nicht als Christen bezeichnen) eine leichtfertige Entscheidung zur Scheidung getroffen haben (was eine Zeitlang von der Kanzel so klang: Scheidung ist der weltliche Stil mit einer problematischen Ehe umzugehen). Ganz im Gegenteil. Aber uns wird unterstellt, dass wir mit der Scheidung einfach den Weg des geringsten Widerstandes gewählt haben. (Weil ja mit Christus alles möglich ist… versteht ihr?) Oder, dass wir hartherzig sind. Oder, dass uns nicht bewusst ist, was wir unseren Kindern antun. Wie oft habe ich schon darüber geheult, weil ich kaum mit dem fertig werde, was ich meinen Kindern antue. Warum wohl lebte ich fünf Jahre getrennt, bevor es zur Scheidung gekommen ist? Wohl kaum, weil ich diese Entscheidung leichtfertig getroffen habe. Aber es wird oft von der Kanzel so dargestellt, als würden Scheidungen in der Welt zum alltäglichen Leben gehören, wie das Nutellabrot zum Z’morge.

Was als Zeugnis gemeint ist: „Unser Glaube hat uns vor einer Scheidung bewahrt“, kommt mir schräg rein. Bei manchen Eheleuten wird das stimmen, aber mich hat mein Glaube nicht davor bewahrt und viele andere auch nicht. Und wir sind selber schockiert und entrüstet darüber.  Wenn es um körperliche Heilung geht, versuchen wir immer auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die nicht geheilt werden und auch sie zu ermutigen. Nur bei den Geschiedenen verhalten wir uns wie der Elefant im Porzellanladen.

Mal fiel in einem Gottesdienst von der Kanzel der Satz „…falls hier Geschiedene sind…“. Und ob. Ich meine, ging der Pastor wirklich davon aus, dass keine oder nur vielleicht Geschiedene im Gottesdienst sind? Ja, wir sind da und vermutlich nicht wenige. Was ich schön fand, ist, dass wir als Geschiedene erwähnenswert waren. Immerhin.

Wenn ein Prediger ausdrückt, dass seine Ehe (oder die Ehen der Christen) vor dem Zerbruch sicher ist, fühle ich mich in Frage gestellt. Was habe ich als Christ falsch gemacht? Irgendetwas muss mit meinem Christsein, mit meinem Glauben oder mit mir nicht stimmen.

Es macht einen Unterschied aus, wer was sagt (und natürlich auch wie). Wenn sich eine geschiedene Person zum Thema Ehe und Scheidung äussert, denke ich: „Ja, du weisst wovon du redest“. Wenn eine Person mit einer intakten Ehe das Gleiche sagt, denke ich: „Du hast ja keine Ahnung“. Die geschiedene Person redet aus der Zerbrochenheit heraus, die ungeschiedene Person redet oft aus einer Überheblichkeit heraus – so scheint es zumindest. Und ganz ehrlich, so habe ich früher auch geredet und gedacht.

Wenn ich nicht die Erfahrung meiner ersten Ehe hätte, die mir bestätigt, dass zwei fehlerhafte Menschen sehr wohl eine gute (sogar eine sehr gute) Ehe führen können, würde ich tatsächlich an meiner Ehefähigkeit zweifeln. Und zwar hauptsächlich wegen dem, was ich von der Kanzel zu hören bekomme. Dagegen weiss ich aus eigener Erfahrung, dass Liebe, Annahme und Vergebung in einer Ehe funktionieren. Aber ich habe die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass es nicht funktioniert, wenn nur ein Partner bereit ist Ehe zu leben.

Ich hoffe, dass euch diese Gedanken helfen mit geschiedenen Menschen besser umzugehen. Wir versuchen, wie alle anderen auch, uns nach unserem Scheitern wieder aufzuraffen, aufzustehen und weiterzugehen. Auf unserem Weg könnten wir, wie alle anderen auch, Vergebung, Annahme, Liebe und Ermutigung brauchen. Da war doch einer, vor etwa 2000 Jahren, der hat das vorbildlich vorgelebt. Ihm nach!