Gedanken zu den US-Präsidentschaftswahlen und zu mir

Nachdem ich einen Trump-kritischen Artikel auf Facebook geteilt hatte, brach der Shitstorm über mich ein – aus den Reihen meiner eigenen US-Verwandtschaft! Die Emotionen gingen ganz schön hoch und ich hatte meine Lektion gelernt. Vielleicht fragt ihr euch, was ich nun nach dem Wahlausgang und dem inzwischen eingeschworenen US-Präsidenten denke. Ich wage mich also nochmal auf die Äste raus.

Meine Stimme ging weder an Trump noch an Clinton. Warum war ich also (fast) froh, dass Trump das Rennen gemacht hat?

Ich bin mal ganz ehrlich und sage es geradeheraus: Manchmal bin ich ganz froh, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir sie uns vorgestellt haben. Ich mag es zwar nicht, aber ich bin froh. (Eigentlich ist „ich mag es nicht“ eine krasse Untertreibung – ich hasse es und stelle in solchen Momenten Gott und die Welt immer sehr in Frage!)

Vielleicht hat es mit meiner Geschichte zu tun, schliesslich habe ich meinen ersten Ehemann an Aids verloren, vom Zweiten liess ich mich scheiden, meine Familie blieb nicht von Alzheimer verschont, gerade eben hat meine Tochter die Aufnahmeprüfung an eine weiterführende Schule nicht bestanden (was nicht ganz in die Kategorie der anderen aufgezählten Dinge passt, aber es ist gerade aktuell und auch nicht so toll). Manchmal laufen die Dinge im Leben einfach nicht so, wie wir uns das vorstellen. Manchmal kommt es nicht gut, zumindest nicht so bald, wie manche behaupten – das weiss ich aus mehr Erfahrung als mir lieb ist.

Ich empfand die US-Wahlen als Spiegel. In diesem Spiegel sehen wir uns und unsere Welt. Wir sehen die Ängste und Sorgen, wir sehen den Stolz und die Überheblichkeit, das Gute und Schlechte. Wir sehen uns selbst, aber auch unseren Nachbarn. Durch meine persönlichen Nöte sehe ich mich wieder klarer. Ich erkenne worauf ich gebaut und vertraut habe. Oft baue ich auf Umstände, suche in einem ruhigen, sicheren Leben meinen Anker, meine Gelassenheit, erkenne, dass Nebensächlichkeiten zu wichtig geworden sind.

Die Experten und Journalisten waren sich einig und so sicher, dass der inzwischen gewählte Kandidat niemals gewinnen würde – es scheint sogar als hätte der Kandidat selber nicht wirklich mit einem Wahlsieg gerechnet. Daher kam mir bei diesem Wahlausgang vor allem Folgendes entgegen: Wir haben es nicht im Griff. Wir haben so sehr auf das vertraut, was wir vermeintlich wissen und von Herzen hofften, aber ganz ehrlich: Was wissen wir schon?! Und vielleicht ist deshalb dieser Wahlausgang gut, denn Überheblichkeit führt bekanntlich zum Fall.

Es ist immer heilsam sich bewusst zu werden, dass sich vieles unserer Kontrolle entzieht. Wir haben viel Weniger im Griff als wir meinen. Das führt mich persönlich einerseits zu einer grossen Dankbarkeit für alles Gute in meinem Leben, was so oft selbstverständlich geworden ist. Andererseits lerne ich, mich nicht um die Dinge zu sorgen, die ich nicht beeinflussen kann. Ich kann getrost im Wissen ruhen, dass es einen gibt, der es im Griff hat. Und egal was kommt, ich bin nicht allein.

Wir vergessen ja so schnell und deshalb brauchen wir ab und zu einen Spiegel. Und auch wenn der Spiegel Dinge zeigt, die nicht schön sind, sind sie sichtbar geworden sind. Deshalb bin ich froh.

Der sicherste Ort

Sie schüttete ihr Herz aus – ich hörte nur zu. Und es kam alles raus. Der ganze Frust der letzten 25 Jahre über Tiefschläge, Krankheit, Enttäuschungen, gekündigte Freundschaften, das Alleinsein, ihr Fehlverhalten, es immer kurz vor dem Ziel doch nicht zu schaffen, das Krampfen und die Studienschulden. Und sie stellte die Frage: Warum das alles? Ist es das Böse, dass mich lahmlegen will? Ist es Gott, der aus mir einen besseren Menschen machen will? Liegt es an mir und meinem ganz persönlichem Versagen? Ich hatte keine Antwort auf ihre Fragen und zum Glück erwartete sie auch keine.

Ich habe echt keine Ahnung, warum das Leben manchmal so scheisse ist. Es kann alles sein. Das Böse, das Gute, ich oder der Lauf der Dinge in der Welt. Schlechtes, Unfälle, Natur- und andere Katastrophen passieren. Menschen werden krank und sterben. Das ist eine Tatsache. Und wir fragen uns warum.

Als Teenager hörte ich einige Referate und Predigten über diese Thema und immer war das Fazit: Frage nicht warum, frage wozu. Ich habe das nie verstanden. Ich verstehe es heute nach 30 Jahren immer noch nicht. In all den Schwierigkeiten, die mir im Leben bisher begegnet sind, hat mir die Frage nach dem Wozu nicht geholfen. Was mich hingegen immer beschäftigt hat, war die Frage nach dem Wo: Wo finde ich Kraft für einen weiteren Tag? Wo finde ich Halt, wenn alles Bach ab geht?

Ich glaube an „The Force“; die Macht, die alles hält und erhält. Die manches zulässt und anderes verhindert. Die alles weiss und alles kann, aber nicht immer alles tut, was ich mir wünsche. Im Gegensatz zu mir hat „The Force“ den Überblick und entgegen unserer leisen Vermutung schliesslich doch alles im Griff. Ich muss oft ganz still werden, um zu erkennen, dass „The Force“ da ist, weil sie sich nicht aufdrängt. Auch in meinen tiefsten Momenten war „The Force“ die beschützende Hand, das letzte Rettungsseil, der feste Anker meiner Seele, der sicherste Ort für meine Zweifel und Fragen.

Auf den Wortschwall der Enttäuschung meiner Freundin sagte ich nur einen Satz: „Es ist sehr gut, dass du das alles gesagt hast.“ Sie wandte ein: „Nun, ich würde sagen es ist OK, dass ich dass alles gesagt habe.“ Aber ich war hartnäckig: „Nein, ich bestehe auf die Formulierung ‚sehr gut‘, weil es deine Gefühle sind und warum solltest du nicht zu deinen Gefühlen stehen und sie ausdrücken dürfen?“ In unserem verdrehten Denken meinen wir besonders geistlich zu sein, wenn wir so tun, als würden wir uns nie über das aufregen, was Gott zulässt. (Gott wundert sich wahrscheinlich sehr darüber warum wir uns solche Mühe geben ihm gegenüber nicht zu unseren wahren Gefühlen zu stehen.)

Zwei Tage später rief mich diese Freundin wieder an und sagte: „Du hast auf meine Tirade über Gott und das Leben das Beste gesagt, was du hättest sagen können.“

Und ich war einfach nur froh, dass manchmal überhaupt was aus meinem Mund gekommen war.