Dankbarkeitsliste

Unsere Ferien waren etwas anders als wir dachten, was nicht nur am Wetter lag (mehr Regen als Sonne), sondern vor allem mit Kristinas Unfall zu tun hatte.

Ich erspare euch die grausigen Details und gebe euch stattdessen einen Einblick in meine Dankbarkeitsliste, die ich seit Anfang 2013 führe (inspiriert durch „One Thousand Gifts“ von Ann Voskamp). Hier sind einige Einträge von den Tagen nach dem Unfall.

Ich bin dankbar für:

750. Bewahrung: Die Heizungsabdeckung in der Hotellobby hat nur Kristinas kleinen Zeh erwischt, gebrochen und aufgeschlitzt, nicht den ganzen Fuss.

751. Sven, der geistesgegenwärtig einen Kellner alarmierte.

752. Brigitte, die sich um Kristina kümmerte bis ich kam.

753. Jana, die sich um Sven kümmerte, der ziemlich unter Schock stand.

754. Frank, der uns zuerst in den Notfall, dann in das 56 km entfernte Krankenhaus gefahren hat und nur schon durch sein Dasein Ruhe in mir bewirkte.

755. Die Kosten für das Röntgen und das Nähen: 371 Kuna (etwa sFr. 60.-).

756. Schon um 2 h morgens zurück in der Ferienwohnung.

757. Kristina hat nicht viele Schmerzen.

758. Andi & Christine, die Kristina jeden Morgen von der Ferienwohnung ins Hotel zum Essen brachten, entweder mit dem Auto oder auf Andis Rücken! Und uns auch sonst rumkutschierten.

759. Nelly, die Stöcke für Kristina aufgestöbert und gekauft hat.

760. Die Freundlichkeit von so vielen Leuten unserer Gruppe.

761. Dagmar, die Verbandmaterial besorgt hat und den Verband immer so gut und gründlich wechselt.

762. Die lieben Worte von Annelies.

763. Tanzen mit Elisabeth.

764. Patrick & Monika, die mich mit ihren Albernheiten zum Lachen bringen.

765. Meine mutige Kristina.

766. Beni & Rahel und alle, die sich um Kristina kümmerten, damit ich mit Jana und Sven einen Ausflug nach Venedig machen konnte.

… und so geht es weiter, Eintrag um Eintrag.

Die Dankbarkeit hilft mir all das Gute nicht zu vergessen, dass uns jeden Tag umgibt und in den Schwierigkeiten und Widrigkeiten des Alltags unterzugehen droht. Wenn ich dankbar bin, wird mein Herz froh und auch wenn die Ferien ziemlich versaut waren, wurde mein Herz nicht davon bestimmt, sondern von all dem Guten, von all den Gaben, die vom Vater des Lichts kommen. Er weiss was wir brauchen und er gibt es uns.

Was wir brauchen

Kristina hat vor etwa einem Jahr (oder zwei, die Zeit vergeht ja so schnell) beim Gute Nacht sagen etwas Herziges gesagt. Sie hatte Angst, dass die Blattläuse von draussen sich zu den Kopfläusen auf ihrem Kopf gesellen. (Fragt nicht, wie oft sie schon Kopfläuse hatte…) Ich erklärte, dass die Blattläuse zum Leben Blätter brauchen, die Kopfläuse Köpfe und so. Daraufhin meinte sie: „Wir brauchen zum Leben Liebe und Gesellschaft und Essen und Trinken“. Ich fand die Luft zum Atmen auch noch wichtig. Aber ich fragte sie, ob sie das irgendwo gehört hatte, dass wir all das brauchen. Nein, der Gedanke sei in ihrem Kopf entstanden. Als ich fragte, ob sie genug Liebe bekomme, sagte sie: „Zuhause schon, aber in der Schule nicht.“ Ich erklärte, dass die Schule nicht für die Liebe zuständig sei, sondern für die Ausbildung. Sie fand, dass Liebe in der Schule nicht fehlen dürfe – und eigentlich hat sie Recht.

Nicht allein

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund habe ich manchmal oder sogar recht oft das Gefühl, ich sei allein in dem was ich erlebe.

Niemand ist so allein wie ich.

Niemand fühlt sich so überfordert wie ich.

Niemand fühlt sich so unsicher wie ich.

Niemand ist so verletzt wie ich.

Niemand hat so ein gebrochenes Herz wie ich.

Niemand hat so schlimme Schicksalsschläge erlebt wie ich. (Ja genau, manche sogar noch schlimmere…!)

Dieser Niemand ist ein armer Tropf.

Auch wenn Niemand genau das erlebt hat, was ich erlebt habe und so ein Leben hat wie ich, teilen wir dennoch sehr viele Gefühle und Empfindungen und ja, auch Erlebnisse in den verschiedensten Schattierungen.

Man muss nicht Single, Verwitwet oder Geschieden sein, um Einsamkeit zu kennen. Man muss nicht alleinerziehend sein, um sich überfordert zu fühlen. Man muss nicht entwurzelt sein, um sich unsicher zu fühlen.

Kurz nachdem mein erster Mann, Stefan, gestorben war, wurde mir bewusst, wie viele Frauen auf der Welt diese Trauer, diesen Schmerz des Verlustes kennen. Ich fühlte mich in meiner Situation auf sonderbare Art und Weise mit diesen Frauen verbunden. Ich kenne sie nicht, aber wir kennen denselben Schmerz, dieselbe Trauer, die Bodenlosigkeit, die Verzweiflung, die Suche nach einem neuen Leben und Sinn. Es hat mich getröstet, zu wissen, dass es ganz viele Frauen gibt, die mich verstehen und genau wissen, was ich durchmache. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so allein.

Ich bin nicht allein.

Wir sind nicht allein.

Und ausserdem… aber das spar ich mir für später auf, zuerst geniessen wir jetzt nämlich unsere Ferien.