lieben-scheitern-leben

Ich habe im letzten Herbst wieder an einem lieben-scheitern-leben-Kurs* mitgearbeitet, was mich immer sehr beflügelt. Ich habe über sieben Wochen Menschen begleitet, die sich in ihrer neuen Realität zurechtfinden müssen, die vorsichtig und doch sehr mutig die nächsten Schritte tun und die versuchen sich nicht von der Ablehnung, der Trauer, der Resignation, der Hilflosigkeit und Überforderung überrollen zu lassen. Ihr merkt, an diesen Kursabenden kommen viele Emotionen hoch. So einiges, was vielleicht in den letzten Jahren oder Monaten geruht hat, wird wieder aufgewirbelt und aufgewühlt. Bei denen, die noch unter dem Schock der Trennung stehen, sind die Gefühle roh, die Seelenwände dünn und durchsichtig. Aber hier hat jeder Platz, hier wird jedem Raum gegeben, hier wird jeder gesehen und gehört. Und jeder ist wertvoll und es wert, dass wir ihm unter die Arme greifen, bei den nächsten Schritten behilflich sind und Zeit und Energie in dieses kostbaren Leben investieren.

Die Kursmitarbeiter haben auch alle eine Trennung/Scheidung erlebt – haben überlebt und können mit Gewissheit sagen: „Es gibt ein Leben nach dem Scheitern. Es gibt Hoffnung auf Heilung. Es gibt sogar wieder Lebensfreude und Leben in einer ganz anderen Qualität.“ Aber es braucht etwas Zeit und Arbeit. Es braucht Mut und den Willen die Dinge anzupacken, durchzukauen und dann auszuspucken. Das ist nichts für schwache Nerven und schon gar nichts für Feiglinge. (Und damit will ich nicht sagen, dass wir uns nicht manchmal so fühlen…aber nur schon, dass man sich traut so einen Kurs zu besuchen zeugt von einer unglaublichen Stärke, sich dem Leben und der Krise zu stellen).

Deshalb Hut ab vor allen Betroffenen, die sich zu einem lieben-scheitern-leben-Kurs anmelden und daran teilnehmen. Hut ab vor allen Mitarbeitern, die bereit sind mit einer unglaublichen Offenheit ihren Weg durch Trennung/Scheidung mit anderen zu teilen. Und Hut ab vor jeder Gemeinde, die erkennt, dass der Dienst an den Gescheiterten tatsächlich zu ihrem Auftrag gehört und bereit ist in die Wiederherstellung und Heilung von Menschen zu investieren.

 

*lieben-scheitern-leben ist ein Kurs zur Aufarbeitung von Trennung und Scheidung. Dieser Kurs bietet Betroffenen Unterstützung in all den Fragen, die in so einer Krisensituation auftauchen und gibt Hoffnung für das Leben danach. Mehr Infos, Kursdaten und Kursorte unter: www.liebenscheiternleben.ch.

 

(K)ein Geschenk.

Gegen Ende des letzten Lieben-Scheitern-Leben-Kurses (ein Kurs zur Verarbeitung von Trennung und Scheidung) an dem ich mitgearbeitet habe, wollte ich den Kursteilnehmern (alles Leute, die von Trennung oder Scheidung betroffen sind) sagen, dass sie irgendwann (in ein paar Jahren vielleicht) auf diese schwere Zeit der Trennung und Scheidung zurückschauen werden und es als Geschenk empfinden würden.

Es ist ein Geschenk zu merken, dass wir schwierige Zeiten erleben und überleben können.

Es ist ein Geschenk in schwierigen Zeiten Freunde zu haben.

Es ist ein Geschenk nach schwierigen Zeiten neue Hoffnung und neue Perspektiven zu bekommen.

Es ist ein Geschenk in schwierigen Zeiten Gottes Treue zu erleben.

Aber dabei ist mir etwas aufgefallen: Die schwierige Zeit an sich ist kein Geschenk. Wer schenkt seinen Kindern denn schon so was? Wenn wir glauben, dass Gott ein guter Vater ist, was ich glaube, dann schenkt er uns keine Krankheit, keine schwierige Ehe, keine Trennung oder Scheidung, keine Arbeitslosigkeit, keine finanziellen Schwierigkeiten, keine rebellischen oder ausscherenden Kinder, keine Kinderlosigkeit, keine Depressionen, usw. Was wären das für Geschenke und was wäre das für ein Vater, der solche Geschenke macht?

Wir müssen unterscheiden zwischen der Not, die passiert – weil wir Menschen in einem menschlichen Körper in einer sehr menschlichen und zum Teil kaputten Welt sind – und dem himmlischen Vater, der gute Geschenke macht. Was er uns schenkt, ist nämlich den Trost seiner Gegenwart in den schwierigen Zeiten und dieser Trost kommt so vielfältig zum Ausdruck, wie seine Vielfalt in der Schöpfung. Das können Menschen sein, die uns zuhören, verstehen, uns zur Seite stehen und auch einfach stehen lassen. Menschen, die uns Gutes tun und anpacken, wo Hilfe nötig ist. Menschen, mit denen wir Spass und unbeschwerte Stunden erleben. Menschen, wie mein Sozialarbeiter bei der Alimentenbevorschussungsstelle, der mir Mut macht und vorsichtig nachfragt, ob ich finanziell über die Runden komme. Und das wiederrum verändert uns.

Ich komme somit zum Schluss, dass wir auch im Rückblick die Schwierigkeiten nicht Geschenk betrachten werden. Andererseits können wir alles, was durch und in den schwierigen Zeit an Trost, Hoffnung, Freundschaft, Freiheit, Standhaftigkeit, Charakter und Leben entstanden ist, durchaus als Geschenk betrachten. Das ist es nämlich. Und darin liegt ganz viel Hoffnung.