Heilig leben?

Was bedeutet es heilig zu leben? Das Wort heilig gehört ja nicht gerade zu unserem Alltagsvokabular. Aber wer sich ab und zu in ein Gotteshaus verirrt, der wird diese Worte vermutlich hören. Und wer regelmässig einen Gottesdienst besucht, der wird diese Worte schon so oft gehört haben, dass er sie schon wieder „überhört“. Aber ab und zu frage ich mich solche Fragen und möchte euch Anteil geben an meinen Gedanken dazu.

Bedeutet heilig leben gewisse Dinge nicht zu tun? Bedeutet es gewisse andere Dinge zu tun? Vielleicht. Vielleicht ist heilig leben aber noch viel mehr als nur gewisse Regeln einzuhalten.

Vor einiger Zeit habe ich gelernt, was das Wort heilig in der Bibel bedeutet, nämlich, „für einen besonderen Zweck abgesondert“. Vielleicht habt ihr noch Sonntagsgeschirr? Das wäre dann „heiliges“ Geschirr. Ich gebe zu, das ist alles vielleicht etwas arg vereinfacht, aber es hat mir das Wort heilig wieder näher gebracht und ich meine es jetzt besser zu verstehen, wenn uns gesagt wird, wir sollen heilig leben, weil Gott heilig ist.

Irgendwann haben wir angefangen ein heiliges Leben mit einem sündlosen Leben zu verwechseln. Und die Schuldgefühle mitsamt Selbstverdammnis lauern gleich um die Ecke. Ist ja nicht zu sagen, was für einen Druck wir uns dadurch aussetzen.

Ich habe nichts, rein gar nichts, gegen gewisse Leitplanken – ich begrüsse sie sogar – da wir alle wissen, dass im Zusammenleben jeder nicht einfach das machen darf, was er will. Hier geht es aber um unsere tiefste Motivation, eigentlich um unser Herz: Warum lebe ich wie ich lebe? Wer oder was bestimmt meinen Umgang mit dem Leben und mit allem, was mir das Leben so in den Schoss wirft?

Noch mehr als meinen Kindern einen gesunden Lebensstil (im christlichen Jargon wäre das dann „heilig leben“) zu vermitteln, möchte ich ihnen einprägen, dass Gottes Liebe für sie grösser ist als jeder Fehlentscheid und jedes Versagen. Ich habe jahrelang gebraucht das zu verstehen und wenn es etwas gibt, dass ich aus meiner Scheidung gelernt habe, dann ist es dies: Gott hat keinen Plan B. Er hat Plan A schon lange im Voraus gewusst und sich trotzdem auf mich eingelassen. Diese Liebe, dieses Trotz-Meines-Versagens-Für-Mich-Sein ist es, was mich so zu ihm zieht. Er kennt mein Scheitern, nimmt mich trotzdem an und hat sogar eine Bestimmung und einen Plan für mich. Diese Gnade ist unfassbar. Und plötzlich ist mein Leben total wertvoll und heilig (für einen besonderen Zweck abgesondert).

„Heilig leben“ scheint mehr damit zu tun zu haben, was Gott tut, als mit dem was ich tue. Oder könnt ihr euch vorstellen, wie Gott plötzlich überrascht aufschaut und sagt: „Hoppla, die Sonja da unten, die hat meinen Plan aber gehörig vermasselt. Oi vey, was mach‘ ich nun? Wie krieg‘ ich das jetzt wieder hin?“ Ich weiss nicht, wie gross dein Gott ist, aber meiner ist definitiv grösser.

Ein gewöhnlicher heiliger Moment

Als ich eines Abends in der Küche das Abendessen vorbereitete, fragte mich Sven, wie man Jesus in sein Leben einlädt. Als ich so in der Küche herumwerkelte, erklärte ich es ihm und als ich ein kurzes Gebet vorschlug, sprach er es nach. Das passierte alles so neben dem Brotschneiden, Aufschnitt aus dem Kühlschrank holen und Teller und Besteck zusammenstellen.

Es war ein sehr gewöhnlicher heiliger Moment. Ein unaufdringlicher heiliger Moment. Ein alltäglicher heiliger Moment. Ich habe es fast übersehen.

Als ich am nächsten Abend mit ihm darüber sprach, war er sehr glücklich ein Prinz Gottes zu sein. (Wie ist er auf diese Idee gekommen? Vielleicht von dem Lied, dass sie in der Sonntagsschule singen: …ich bin ein Prinz, so genial… ?)

Er fragte mich auch, was eine Seele sei. Ich fand es nicht so einfach einem Achtjährigen das zu erklären. Ich versuchte es mit dem Beispiel vom Brief (Seele) im Umschlag (Körper) zu erklären. Aber ehrlich, ich habe keine Ahnung ob er irgendwas davon verstanden hat.

„When the most important things in our life happen, we quite often do not know, at the moment, what is going on.“ C. S. Lewis (1898-1963)

(auf Deutsch in etwa: Wenn in unserem Leben die wichtigsten Dinge passieren, haben wir oft keine Ahnung, was gerade geschieht.)

P. S. Ich finde den Titel von diesem Eintrag nicht besonders gut gewählt, weil ich der Überzeugung bin, dass die „heiligen Momente“ meistens die „unheiligen“ sind. Also eben dann, wenn ich mit den Kindern nicht über „Geistliches“ rede, sondern über Star Wars, das Handball-Training, die Berufswünsche, dann, wenn ich joggen gehe, um meinen Kopf durchzulüften und meine Beine mal wieder richtig zu bewegen, wenn ich meine Tochter ihren Frust abladen lasse, ohne sie mit Vorschlägen zu überhäufen (was mir leider nicht immer gelingt…). Versteht ihr was ich meine? Unser Leben ist voll von diesen heiligen Momenten, die ganz unscheinbar daher kommen.

Und jetzt muss ich das Jedi-Kostüm für Sven fertig nähen gehen – heilige Arbeit, kann ich da nur sagen.