Erziehung

Ich hatte den ersten Blogpost nach sehr langer Zeit schon praktisch fertig, aber heute morgen, auf dem Weg zum Einkaufen, dachte ich, nein, einfach eine Erklärung geben, warum ich gerade weniger schreibe und so ein bisschen vor mich hin klönen, das braucht niemand und erst recht nicht von mir.

Ja, ich finde Erziehung gerade SEHR herausfordernd. Und man findet auch – im Gegensatz zu den Müttern, die ganze Blogs mit den Geschichten ihrer kleinen Kindern füllen, ganz wenige Mütter oder Väter, die ehrlich darüber schreiben, was so im Alltag mit ihren Teenies abgeht. Was ich verstehe, denn, erstens, geht es immerhin um Teenager, die auch des Lesens im Internet mächtig sind, über ihre Geschichten, auf die sie selbst das grösste Recht haben, und um ihre Privatsphäre, die es wirklich einzuhalten gilt. Zweitens, wem macht es schon Spass zu schreiben, dass einem die Geduld nun endgültig ausgegangen ist, die Streitereien sich nicht mehr so schnell lösen, wie mit Vier-, Sechs- oder Zehnjährige und man schlaflose Nächte hat, weil man unter dem ganzen Stress mit den Teenies leidet – oder vielleicht liegt es doch an den Wechseljahren?!! Eben.

Aber heute brachte mich diese kleine Geschichte zum Schmunzeln:

Auf dem Küchenboden zwischen Hocker und Tür lag eine zusammengeknüllte Badehose und ein Badetuch. Ja, richtig gelesen: Küchenboden. Genau dort, wo diese Sachen nicht hingehören. Sie lagen nicht ein oder zwei Tage dort, nein, ganze fünf Tage, die mir wie fünf Wochen vorkamen,  aus dem einfachen Grund, dass sie dort nicht hingehörten und ich sie nicht wegräumen wollte, weil ich sie nicht dorthin geknallt hatte!

Da meine Kinder in letzter Zeit sehr genervt auf meine Aufforderungen ihre Sachen auf- und wegzuräumen reagieren, erlaubte ich der Badehose und dem Handtuch ein paar Tage dort liegen zu bleiben und wusste nur, dass ICH sie nicht wegräumen würde. Nur, wie bringe ich es möglichst gut an den Mann? Ganz konkret an den fast Dreizehnjährigen, der schon grösser ist als ich. Nach dem Frühstück erwähnte ich fast beiläufig, dass heute Waschtag sei und ich die Badehose und das Handtuch auch waschen könnte.

Sven: Nein, nur das Handtuch.

Ich: Dann nimmst du die Badehose mit in dein Zimmer? Oder du kannst sie auch liegen lassen. Wir müssten darüber reden. Von mir aus darf die Badehose hier liegen bleiben. Ich schlage Folgendes vor: Solange die Badehose auf dem Küchenboden liegt, ist es deine Verantwortung den Küchenboden zu putzen. Was meinst du dazu? Also ich bin dafür dass die Badehose hier bleibt!

Sven (mit einem erstaunten Grinsen auf dem Gesicht): Nein, nein, ich nehme sie jetzt gleich mit. (Was er auch unverzüglich tat.)

Wenn Erziehung und das Zusammenleben mit meinen Teenagern so klappt wie heute morgen, dann bin ich einfach nur froh und dankbar. Die anderen Momente, wo es nicht so gut klappt, gibt es eh immer wieder.

(Übrigens zeigt dieser kleine Dialog sehr deutlich, wer in unserer Familie im Moment am meisten Wörter gebraucht. Teenager können ganz schön einsilbig sein.)

(Ich gebrauche das Wort „Erziehung“ hier sehr grosszügig und mit einem Augenzwinkern. Ich empfinde nicht, dass ich meine Teenager jetzt noch erziehe. Erziehung im eigentlichen Sinn ist bei meinen Kindern abgeschlossen, immerhin wird meine Älteste diese Woche 18! Aber ich begleite sie und erhalte unsere Beziehung aufrecht und am Leben, was ich sehr wertvoll und bereichernd und manchmal auch sehr herausfordernd empfinde. In den guten Phasen bin ich von meinen Kindern begeistert, in den schwierigen versuchen wir uns einfach nur auszuhalten. Das muss dann reichen.)

Erziehung im Alleingang oder: Zwischen Verzweiflung und Vertrauen

Ich hab‘ es geschafft. Ich bin mit den Kindern fünf Tage nach Stuttgart gefahren und wir haben mal auf diese Weise Kurzferien gemacht. Ich bin auch etwas geschafft. Nur schon unsere Abfahrt war ein Drama. Etwa eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt beschloss meine Tochter, dass sie nicht mit kommen wollte. Ob sie zuhause bleiben dürfe. Nein… Nicht nur weil sie erst 14 ist, sondern auch weil ich solche Entscheide nicht 30 Minuten vor unserer geplanten Abfahrt treffe. Das ist ZU spät.

Eigentlich hatte alles schon am Morgen angefangen. Aus irgendeinem Grund (die Pubertät lässt grüssen) war diese Tochter nicht glücklich. Ich weiss aber nicht warum, weil es mich scheinbar (gemäss Tochter) nichts angeht, aber es vermiest die ganze Familienatmosphäre. Am Mittagstisch habe ich wohl den Ton nicht ganz getroffen und sie stand beleidigt auf, stampfte in ihr Zimmer und knallte die Tür zu. Das war’s. Guten Appetit und mir blieb das Essen im Hals stecken. Als ich sie daran erinnerte, dass wir um 15 h abfahren wollte, meinte sie, sie hätte nicht genügend saubere Wäsche. Dass ich ein paar Tage vorher lang und breit erklärt hatte, dass ich noch waschen würde, damit jeder alles hat, was er oder sie zum anziehen will und braucht, war nicht zu ihr durchgedrungen und so wurde ich laut beschuldigt und mit der Behauptung konfrontiert, dass sie also nicht nach Stuttgart mitkäme, sie wollte eh noch nie nach Stuttgart und sie könne doch einfach zu Hause bleiben!

Etwas geschockt sagte ich nur, das ginge nicht, und verliess ihr Zimmer. Danach sass ich mit Tränen in den Augen verloren auf einem Stuhl. Sven kam vorbei und umarmte mich zaghaft (und mit mitleidigem Gesichtsausdruck.)

Mit dieser 14-Jährigen ist das Leben ein Eiertanz. Man weiss nie ganz genau, wie sie drauf ist, weil sich das Leben inzwischen auf WhatsApp und Instagram abspielt und wir Eltern keine Ahnung haben, wie schwer das Leben als 14-Jährige ist und was da alles abläuft. In dem Punkt hat sie natürlich Recht. Ich habe wirklich keine Ahnung was da alles los ist, weil es mir keiner sagt. So weiss man auch nie, wann man einen Witz machen kann, wann ein ernstes Wort angesagt ist, wann man überhaupt reden darf oder eben nicht.

Manchmal scheint es mir, als wäre es meiner Tochter lieber, wenn ich gar nie den Mund aufmachen würde. Dann könnte sie mir einfach alle Vorwürfe, ob berechtigt oder nicht, an den Kopf werfen. Aber ich bin ein Mensch mit Gefühlen und mit Worten. Okay, ich geb’s zu, mit vielen Worten. Ich bin eine Mutter mit Verantwortung. Ich liebe meine Kinder und werde sie nicht einfach dem Lauf der Dinge überlassen. Es liegt an mir (und als Alleinerziehende an mir allein) einen Rahmen zu schaffen, in welchem sie sich ausbreiten können. Aber manchmal ist meine Aufgabe zu schweigen und loszulassen.

Vor einigen Jahren war ich Teil einer kleinen Gruppe von Frauen, die sich wöchentlich traf, um über ihre Familien auszutauschen und ganz konkret für ihre Kinder zu beten. Drei der Frauen hatten bereits Töchter im Teenageralter und wenn sie über die verrückten Dinge redeten, die ihre Töchter so im Alltag machten, konnte ich mir das Lachen kaum verkneifen.

Und jetzt habe ich selber so ein verrücktes Huhn zuhause. Mein persönliches Exemplar hat einen scharfen Verstand, ist ein eigenwilliges Wesen und in vielen Dingen super begabt. Es ist auch, wie es selbst ausdrückt, faul und macht in der Schule gerade nur so viel wie nötig, was natürlich auch eine Variante ist. Es weiss immer alles besser, da man mit 14 garantiert mehr Lebenserfahrung und -weisheit hat, als die eigene Mutter (das ist ja wohl klar), die übrigens dieses Jahr 50 wird. Und die Logik, die sich nach den Kleinkinderjahren eingestellt hatte, ist auf wundersame Weise wieder verschwunden. Etwas durchzudiskutieren macht mir mit dieser nicht vorhandenen Logik überhaupt keinen Spass mehr. Und die Stimmung kann ganz ohne Vorwarnung innert Minuten, ach was, SEKUNDEN (!) kippen. Zack! und weg. Da sag ich nur noch eins: Hormone.

Da tut mir eine Freundin gut, die über mein persönliches Exemplar lacht und kopfschüttelnd und verständnisvoll „wie im Lehrbuch“ sagt. Auch wenn diese Worte meinen Ärger über gewisse Situationen und meine Angst vor dem Loslassen nicht immer sofort beschwichtigen, muss ich zugeben, dass es mir hilft eine andere, weitere, gnädigere Perspektive anzunehmen.

Und meine Freundin Barbara, die den Lesern von meinem Blog schon bekannt ist, schreibt dazu:

Erziehung zwischen Verzweiflung und Vertrauen

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Da gibt es viele Ohnmachtsgefühle und
verzweifelte Momente bei Alleinerziehenden.

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Zum Glück heisst`s: „… zwischen Verzweiflung
und VERTRAUEN“!

Hab den Mut, immer wieder Wege
des Vertrauens zu suchen!
Vertrauen: „cling to it!“ – Halte dich dran fest,
als ginge es um dein Leben!

Es geht um Leben.

Es geht um Leben und ich teile das Leben mit meinen drei Kindern, die alle drei einzigartig und wunderbar, kreativ und herzlich, freundlich und lustig sind. Ich liebe das Leben mit meinen Kindern (auch wenn ich nach den Ferien immer etwas müde bin) und bin dabei zu lernen, was es bedeutet zu vertrauen.

Übrigens ist meine Tochter nach einer halben Stunde mit gepacktem Koffer ins Auto eingestiegen und nach einer weiteren halben Stunde ging es ihr wieder besser und alles war nur noch halb so schlimm.

Der Heilige Geist ist vermutlich doch eine Frau

Vor einem Jahr bekam ich von meiner Schwester ein kleines Heft mit dem Titel: „30 Tage Schreiben“. Für jeden Tag gibt es eine Frage. Am dritten Tag hiess die Frage: Beschreibe die Rolle, die du im täglichen Leben spielst. Ich schrieb:

Ich bin die, die alles macht, an alles denken sollte (und dabei oft die Hälfte vergisst), die alles Wissen sollte (und meistens die Hälfte nicht weiss), die alle antreibt und die Tagesstruktur vorgibt, die für’s Essen sorgt, die Wäsche besorgt und die Kinder zudem noch zu erziehen versucht … . Ich habe das Gefühl, dass ohne mich in unserer Familie gar nichts mehr funktionieren würde (hoffentlich ein Trugschluss, aber ich kenne meine Kinder doch auch ein wenig). Ich bin die, die motiviert, ermutigt, erzieht, wieder alles ins Lot bringt, schlichtet, tröstet, liebt und an mein Herz drückt…und das klingt verdächtig nach den Aufgaben des Heiligen Geistes…

Liebe Freundin meines Ex-Mannes

Heute Abend als die Kinder so fröhlich vom Wochenende mit ihrem Vater und mit dir zurückkamen, war ich von Herzen dankbar, dass es dich gibt.

Ich verstehe, dass es für meine Kinder schwierig ist, jede zwei Wochen ihre Sachen zu packen, aus ihrem gewohnten Umfeld heuausgepflückt zu werden und plötzlich ganz woanders, wo sie eigentlich fremd sind, das Wochenende zu verbringen. Das meine Kinder das tun müssen, tut mir jedes Mal wieder im Herzen weh.

Ich verstehe, dass es für meinen Ex-Mann schwierig ist, seine Kinder nur jedes zweite Wochenende zu sehen, plötzlich in die Kinderwelt eintauchen zu müssen, mit der er inzwischen nicht mehr jeden Tag zu tun hat und sich im zwei-Wochen-Rhythmus auf seine Kinder einzustellen. Es gibt so vieles, was er verpasst und dann soll er plötzlich von null auf hundert ganz für sie da sein. Das ist schwierig.

Ich ahne, wie schwierig es für dich sein muss, die sich plötzlich nicht mehr nur um die eigenen Kinder kümmern muss, sondern auch noch um drei weitere, die du vorher gar nicht kanntest. Sie bringen eine andere Erziehung mit, vielleicht andere Werte und Umgangsformen, andere Gewohnheiten, sind auch nicht bei sich zuhause, benehmen sich mal so mal anders – bringen Vieles mit, das du gar nicht kennen kannst. Deine Beziehung zu meinem Ex-Mann ist nicht nur eine Beziehung zwischen zwei Erwachsenen, nein, da sind auch noch drei (weitere) Kinder im Packet. Das ist nicht einfach.

Und deshalb danke ich dir, dass du dir die Mühe gemacht hast, dich auf meine Kinder einzulassen. Danke, dass du ihnen einen Ort zurecht gemacht hast, der für sie ein Zuhause weg von Zuhause sein kann. Danke, dass du auf sie eingehst und sie fragst, ob sie etwas mögen oder nicht. Danke, dass du mit den Mädchen shoppen gehst. Und meinem Sohn Tipps gibst, wie er besser einschlafen kann. Danke, dass sie in deinem Leben einen Platz haben dürfen. Das tut ihnen gut – und mir auch.

Vor allem, danke ich dir, dass du meinen Ex-Mann unterstützt und er dadurch ein besserer Vater ist. Danke, dass du mit deinem Einsatz dazu beiträgst die Schwere einer Scheidung etwas leichter zu machen.

Eine Geschichte über ein Wohnungswunder

Ich möchte euch eine Geschichte erzählen.

Es war einmal eine kleine Familie, eine Mutter mit drei Kindern (wobei eine Familie mit drei Kindern heutzutage praktisch als Grossfamilie gilt). Sie wohnten seit 15 Jahren in einer schönen Nachbarschaft am Rand einer Grossstadt. Ihr Reihenhäuschen war sehr klein, aber sehr gemütlich und sie fühlten sich in ihrem Quartier sehr wohl.

Eines Tages erfuhren sie, dass sie umziehen mussten. Es hiess, die Reihenhäuser müssten einem Neubau weichen. Die Verwaltung fing an einige grosse Bäume zu fällen und die Kinder waren traurig, weil es nicht mehr wie ihre geliebte Siedlung aussah.

Nach einigen Monaten fingen die Leute an auszuziehen. Die leeren Wohnungen wurden an Studenten-WGs vermietet und es liefen in der Siedlung viele Leute herum, die man nicht mehr kannte (und die manchmal um 3 h morgens noch laute Feste feierten). An einem kalten Wintertag wurde der Neubau mit langen Pfeilern abgesteckt und die Menschen, die an der Strasse vorbeigingen, blieben stehen und schauten sich an, was da kommen würde. Es wurde in der Siedlung immer ungemütlicher und obwohl die Familie traurig war, dass sie umziehen musste, war sie auch langsam dazu bereit.

Die kleine Familie wusste nicht genau wo und wie sie ein neues Zuhause finden sollte. Die Kinder wollten gerne jedes ein eigenes Schlafzimmer haben, da bis jetzt immer zwei Kinder ein Schlafzimmer teilen mussten. Die Mutter wollte vor allem eine bezahlbare Wohnung. Und alle zusammen wollten sie gerne im Quartier bleiben, da sie dort verwurzelt waren.

Überall wo die Mutter telefonierte, hiess es, es gäbe keine freien Wohnungen und auch keine Wartelisten. Das war sehr deprimierend.

Die Mutter war immer im Gespräch mit Menschen und auch mit Gott. Die Menschen sagten ihr: Du musst anrufen und wieder anrufen, E-mails schreiben und vorbei gehen, Druck machen, deine Situation schildern, alle Gründe vorbringen.

Gott sagte ihr: Ich kämpfe für dich, du musst nur ruhig sein.

Es war nicht einfach das Richtige zu tun und die Mutter führte mit Gott sehr intensive Gespräche. Sie schrieb im Zeitraum von einem Jahr genau zwei Bewerbungen.

Als die Mutter eines Tages erfuhr, dass ihre Nachbarn eine Wohnung bekommen hatten, die sie gerne wollte, war sie sehr traurig und wütend und klagte Gott an. Aber nach den Tränen sie fand wieder zur Ruhe zurück, zu der Gewissheit, dass Gott für sie kämpfen und sorgen würde. Sie konnte sich nur nicht vorstellen, wie er das machen würde.

Mitte März wurde der Familie eine bezahlbare 5,5 Zi-Wohnung in der Nachbarsiedlung angeboten. Viele Freunde und Bekannte, die dort wohnten, hatten bei der zuständigen Verwaltung angerufen und hatten für diese Familie ein gutes Wort eingelegt. Jetzt wusste die kleine Familie, wie Gott es angestellt hatte – er hatte andere Menschen gebraucht und daraus ein Wunder gemacht.

Die Familie ist nun überglücklich, dass sie Mitte August im Quartier umziehen können und vor allem freut sich das mittlere Kind auf ein eigenes Zimmer.

Nachtrag: Ich danke allen, die sich im Gebet und auch ganz praktisch für uns eingesetzt haben. Es ist für mich ein Wunder, dass wir eine Wohnung gefunden haben. Danke, dass ihr euch gebrauchen habt lassen!! Es ermutigt mich, mich für andere einsetzen, damit noch viel mehr Wunder geschehen.

Es braucht so wenig

Der Tag fing nicht so besonders an. Ich war anderthalb Stunden vor dem Wecker wach und döste so halb vor mich hin bis ich aufstehen musste und dann begrüssten mich Berge von Wäsche, die sortiert, gewaschen und zum Trocknen aufgehängt werden mussten. (Übrigens wurde mir von einer schlauen App auf meinem Smartphone kürzlich bestätigt, dass ich an so einem Waschtag zwei Km – die Treppen hoch und runter – laufe.) Das Bügelbrett stand immer noch im Wohnzimmer rum, weil ich bereits zweimal vergessen hatte die Aufbügel-Flicken für Svens Hosen zu kaufen und ich nicht alles verräumen wollte, nur um es gleich darauf wieder aufstellen zu müssen.

Ich hatte immerhin etwas Ruhe und Zeit für mich, aber dann ging’s plötzlich los. Eine laute Diskussion mit Kristina, ob sie jetzt mit dem Bus oder mit dem Fahrrad in die Schule fährt, ob und wann sie das Bus-Abo kaufen solle, Vorwürfe, dass ich sie nicht verstehe und anscheinend gar nichts kapiere und ich verkroch mich ganz schnell, bevor ich Dinge sagte, die ich noch bereuen würde. Das sieht von Aussen vermutlich sehr nach „ich-lass-mich-durch-nichts-aus-der-Ruhe-bringen“ aus, aber in mir drin bin ich ganz klein und zerknirscht und frage mich, was meiner Tochter den so urplötzlich über die Leber gelaufen ist; sie war doch gar nicht so schlecht drauf und überhaupt, warum muss ich das alles immer ausbaden?!? So behandelt zu werden ist eh gemein und ungerecht, und soll sie ihr Pausenbrot doch in Zukunft selber schmieren, wenn sie es sich leisten kann mich so fertig zu machen. Und zur Zahnreinigung soll sie doch auch gleich selber gehen, sie ist doch kein Baby mehr, aber nein, ich muss mit – wer versteht schon warum!? Sehen die Kinder den gar nicht, was ich alles für sie mache? Und mir fiel ein, dass sie ein sehr launenhafter Teenager ist und ich manchmal eine launenhafte Mutter bin und, na ja, manchmal kracht es halt.

Aber dann wurde es noch schlimmer. Sven zu wecken, ist nach den Ferien nicht lustig und heute kam er kaum aus dem Bett. Manchmal, wie heute, schafft er es bis aufs Sofa, wo er prompt wieder einschläft. Als ich das Loch in seiner Unterhose sah, meinte ich, er könne sie am Abend gleich wegwerfen. Darauf er: „Sie ist eh etwas klein.“ Ich: „Dann ist es höchste Zeit, du kannst sie gleich jetzt wegwerfen, ich hole dir eine andere aus dem Schrank.“ Daraufhin holte er verzweifelt Luft und sagt: „Mama, du verstehst es einfach nicht.“ Und ich verstand wirklich nichts mehr. Und verzog mich wieder und dachte, was für ein blödes Kind (was nur bedingt besser klingt, als „was für ein verkackter Morgen“).

Nach dieser liebevollen (hust, hust) Behandlung von zwei meiner Kinder fühlte ich mich nicht so toll (das ist möglicherweise leicht untertrieben). Auch wenn ich theoretisch weiss, dass ich vieles richtig mache und sie aus ihrer Launenhaftigkeit oder Müdigkeit so unausstehlich sind, tut es manchmal einfach weh. Und es ist niemand da der mich wieder aufpäppelt, was mir in so einem Moment fehlt, aber heute war es, dank der Zahnreinigung an die ich Kristina begleitet habe (obwohl ich nicht wollte), anders. Die Zahnhygienikerin hatte sich nett mit Kristina unterhalten und als Kristina mal den Mund ausspülen musste, drehte sich die junge Frau zu mir um und sagt: „Sie sind sehr schön angezogen, das wollte ich Ihnen noch sagen. Sie haben das wirklich schön kombiniert.“ Das hat mich glücklich gemacht. Wie wenig es doch manchmal braucht.

(Falls es jemanden interessiert, ich hatte graue Stiefel, verwaschene Jeans und einen dunkelblauen Pulli über eine blau-lila karierte Bluse an. Und ich finde auch, dass diese Kombination gut aussieht und mir steht. Und von nun an will ich mit Komplimenten für andere nicht so knauserig sein, weil, wer weiss, was die für einen Morgen hatten!)

Heute leben und zwar schön

Der Luftballon flog über den Tisch, Kristina gab ihm einen Schubs und er flog in ein Wasserglas, welches vom Tisch rutschte und auf dem Boden in tausend Stücke zersplitterte. Es war eines meiner schönen Gläser. Das Stück kostet Fr. 10.- und ich hatte es mir vom Weihnachtsgeld meiner Mutter gekauft. Schluck.

Es waren Gäste im Haus, Kristina schaute betreten und ich sagte nicht viel. Die Frage stand im Raum, warum ich nicht die alten, einfachen (billigen und ja, hässlichen) Wassergläser aufgetischt hatte. Um die wäre es nicht schade gewesen. (Es war ja schliesslich ein Kindergeburtstag.) Wir putzten und räumten auf und ich hatte Zeit meine Gedanken zu sortieren. Ich erinnerte mich daran, warum ich gerne im Alltag die schönen Sachen gebrauche.

Als ich Stefan heiratete, hatten wir Alltagsgeschirr (sein Junggesellengeschirr) und ein schönes, von uns beiden ausgesuchtes Sonntagsgeschirr. Als er krank wurde, fing ich an jeden Tag das Sonntagsgeschirr zu gebrauchen. Da wir nicht mehr so viele gemeinsame Sonntage haben würden, wollte ich jeden Tag mit Stefan aus den schönen Tellern essen.

Ausserdem, wenn wir auf die spezielle Gelegenheit warten, um das schöne Geschirr rauszuholen, das hübsche Kleid anzuziehen, das spezielle Parfüm aufzutragen, das … (jeder setze hier das ein, was ihm kostbar und wertvoll ist), kann es passieren, dass es plötzlich zu spät ist und es bleibt nur noch der schale Nachgeschmack einer verpassten Gelegenheit.

Schritt für Schritt

Hier ist nun der ausführliche Bericht meiner Wanderferien:

Am ersten Tag wanderten wir auf und um den Creux du Van. Etwa 730 Höhenmeter. Die schweren Rucksäcke hatten wir am Bahnhof gelassen, was mit einer gewissen Hektik in Neuchâtel verbunden war, da wir nur wenige Minuten zur Verfügung hatten, um die Schliessfächer zu finden, alles reinzupacken und dann auf’s Gleis zu rennen (um den Anschluss nicht zu verpassen), aber eine weise Entscheidung war, obwohl ich dann noch mein Billette kaufen musste (was trotz einigen Anlaufschwierigkeiten schliesslich doch mit der SBB-App klappte). Es ging alles auf. Der Creux du Van war sehr eindrücklich und wir am Ende des Tages sehr müde – aber glücklich. Und mit meinen zwei Freundinnen zusammen hat Hektik immer einen Anstrich von…verrückt-lustig und „puh, wir haben’s geschafft“ – wir sind also gut und verrückt!

Am zweiten Tag nahmen wir den Zug von Le Locle nach Les Brennets, wo wir ein Schiff zu den Sauts du Doubs nahmen und dann dem Doubs nach Richtung Biaufond wanderten – etwa sechs Stunden und diesmal mit den schweren Rucksäcken. Da machte sich der Muskelkater in den Schienbeinen vom Abstieg des Creux du Van schon mal bemerkbar, aber ich schrieb innerlich schon an einem Blog.

Am dritten Tag wanderten wir den Doubs entlang bis nach Goumois – wir liessen die „Echelles de la mort“, also die Todesleitern wohlweisslich aus, aber ich hatte an diesem Punkt schon in den Überlebensmodus gewechselt und alle Gedanken an einen zukünftigen Blog waren verflogen. Ich sagte meinen Freundinnen nur, dass ich, falls ich überleben sollte, sicherlich einen Orden verdient hätte. Mir taten nicht nur die Schienbeine weh, sondern jetzt machten sich auch noch die Waden bemerkbar und um das Erlebnis noch unvergesslicher zu machen, schmerzten meine Fussballen. Nach ein paar Stunden ging es nur noch darum einen Schritt nach dem anderen zu machen – sonst wäre ich nie angekommen. Ich hatte auch keine andere Wahl. Und genau an diesem Punkt dämmerte mir, was unsere Wanderung mit meinem Leben zu tun hat – aber erst als ich schon längst wieder Zuhause war.

In der erster Woche nach den Wanderferien, als ich in den (anstrengenden Ferien-) Alltag mit den Kinder eintauchte, wurde mir etwas klar. Ich wache immer noch jeden Tag mit einem Hilfeschrei zum Himmel auf und gehe am Abend mit einem Danke auf den Lippen ins Bett. Dazwischen gibt es nur eins: einen Schritt nach dem anderen zu machen. Manchmal will ich keinen Schritt mehr machen oder dann nur Schritte weg von allem, was mir gerade zu anstrengend ist und über den Kopf wächst, aber es gibt gerade keinen anderen Weg mein Ziel (sagen wir mal kurzfristig gedacht: den Abend) zu erreichen, als nur einen Schritt nach dem anderen zu machen.

Manchmal geht es nur darum, das zu machen, was vor einem liegt. Ein Schritt nach dem anderen.

Aufstehen. Schritt. Frühstücken. Schritt. Pausenbrote schmieren. Schritt. Die Kinder mit einer Umarmung oder einem Kuss verabschieden. Schritt. Arbeiten. Schritt. Mittagessen kochen. Schritt. Nach dem Essen aufräumen. Schritt. Arbeiten. Schritt. Die Kinder nach der Schule in Empfang nehmen und mich dann auf den wirklich anstrengenden Teil gefasst machen. Schritt. Kinder an die Hausaufgaben erinnern. Schritt. Kristina helfen, die um meine Hilfe bittet, sie aber nicht wirklich annehmen will (z.B. bei den Hausaufgaben und was mich das an Nerven kostet, geht auf keine Kuhhaut). Lange überlegen und dann doch: Schritt. Mit Sven lesen üben. Schritt. Jana bei Berufswahl-Angelegenheiten helfen. Schritt. Und noch tausend andere kleine aber wichtige Dinge, die zur ganz normalen Alltagsbewältigung gehören. Und immer: Schritt.

Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass wir am vierten Tag unserer Wanderferien von Goumois in vier Stunden nach Soubey wanderten, wo wir in ein kleines Postauto stiegen, dass uns nach St. Ursanne brachte. Dort war unsere Wanderung zu Ende und wir nahmen den Zug nach Basel, wo wir ein paar sommerliche und erlebnisreiche Tage verbrachten.

Ein Schritt nach dem anderen. Ein Tag nach dem anderen. Woche um Woche. Aber wir erreichen Ziele. Wir kommen immer wieder an. Wir bleiben dran, Schritt für Schritt und deshalb sind wir Helden und haben einen Orden verdient.

Heilig leben?

Was bedeutet es heilig zu leben? Das Wort heilig gehört ja nicht gerade zu unserem Alltagsvokabular. Aber wer sich ab und zu in ein Gotteshaus verirrt, der wird diese Worte vermutlich hören. Und wer regelmässig einen Gottesdienst besucht, der wird diese Worte schon so oft gehört haben, dass er sie schon wieder „überhört“. Aber ab und zu frage ich mich solche Fragen und möchte euch Anteil geben an meinen Gedanken dazu.

Bedeutet heilig leben gewisse Dinge nicht zu tun? Bedeutet es gewisse andere Dinge zu tun? Vielleicht. Vielleicht ist heilig leben aber noch viel mehr als nur gewisse Regeln einzuhalten.

Vor einiger Zeit habe ich gelernt, was das Wort heilig in der Bibel bedeutet, nämlich, „für einen besonderen Zweck abgesondert“. Vielleicht habt ihr noch Sonntagsgeschirr? Das wäre dann „heiliges“ Geschirr. Ich gebe zu, das ist alles vielleicht etwas arg vereinfacht, aber es hat mir das Wort heilig wieder näher gebracht und ich meine es jetzt besser zu verstehen, wenn uns gesagt wird, wir sollen heilig leben, weil Gott heilig ist.

Irgendwann haben wir angefangen ein heiliges Leben mit einem sündlosen Leben zu verwechseln. Und die Schuldgefühle mitsamt Selbstverdammnis lauern gleich um die Ecke. Ist ja nicht zu sagen, was für einen Druck wir uns dadurch aussetzen.

Ich habe nichts, rein gar nichts, gegen gewisse Leitplanken – ich begrüsse sie sogar – da wir alle wissen, dass im Zusammenleben jeder nicht einfach das machen darf, was er will. Hier geht es aber um unsere tiefste Motivation, eigentlich um unser Herz: Warum lebe ich wie ich lebe? Wer oder was bestimmt meinen Umgang mit dem Leben und mit allem, was mir das Leben so in den Schoss wirft?

Noch mehr als meinen Kindern einen gesunden Lebensstil (im christlichen Jargon wäre das dann „heilig leben“) zu vermitteln, möchte ich ihnen einprägen, dass Gottes Liebe für sie grösser ist als jeder Fehlentscheid und jedes Versagen. Ich habe jahrelang gebraucht das zu verstehen und wenn es etwas gibt, dass ich aus meiner Scheidung gelernt habe, dann ist es dies: Gott hat keinen Plan B. Er hat Plan A schon lange im Voraus gewusst und sich trotzdem auf mich eingelassen. Diese Liebe, dieses Trotz-Meines-Versagens-Für-Mich-Sein ist es, was mich so zu ihm zieht. Er kennt mein Scheitern, nimmt mich trotzdem an und hat sogar eine Bestimmung und einen Plan für mich. Diese Gnade ist unfassbar. Und plötzlich ist mein Leben total wertvoll und heilig (für einen besonderen Zweck abgesondert).

„Heilig leben“ scheint mehr damit zu tun zu haben, was Gott tut, als mit dem was ich tue. Oder könnt ihr euch vorstellen, wie Gott plötzlich überrascht aufschaut und sagt: „Hoppla, die Sonja da unten, die hat meinen Plan aber gehörig vermasselt. Oi vey, was mach‘ ich nun? Wie krieg‘ ich das jetzt wieder hin?“ Ich weiss nicht, wie gross dein Gott ist, aber meiner ist definitiv grösser.

Der Sturz

Manchmal ist ein Sturz vom Velo (Fahrrad für die Deutschen unter euch) vergleichbar mit einem Sturz im Leben.

Ich war auf dem Weg zu einem Treffen mit zwei Freundinnen und gerade als ich ein steiles Strässchen hochfahren wollte, fiel ich vom Velo. Es war ein langsamer Sturz (keine Schürfungen und so) und gleichzeitig so schnell vorbei, dass ich mich unter meinem Velo wiederfand, bevor ich richtig begriffen hatte, was geschehen war. Also, entweder ich werde einfach alt und tattrig, oder es hatte damit zu tun, dass mein Körper noch so viel Schwung hatte und der Gang so niedrig war, dass es einfach nicht passte und ich ins Leere hinaus trampelte.

Dieses mit zu viel Schwung ins Leere trampeln, kenne ich. Ich kenne es aus diesem Zwei-Wochen-Rhythmus mit den Kindern: Ein Wochenende bei mir, ein Wochenende bei ihrem Vater. Wir wissen ja, dass es für die Kinder nicht einfach ist. Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass es für mich auch nicht einfach ist. (Auch wenn mich andere Mütter um diese kinderfreien Wochenenden beneiden…tut mir Leid, Ladies.) Ohne diese kinderfreien Wochenenden mutiere ich zum nervösen Wrack. Wenn ich aber dann ein kinderfreies Wochenende habe, stürze ich oft und heftig und frag mich, wie ich so plötzlich auf dem Boden landen konnte – es sollte mir doch jetzt besonders gut gehen. Das Leben mit den Kindern ist so voll: Reden, Streiten, Schlichten, Lachen, Kochen, Essen, Sachen machen (wenn ihr das laut lest, merkt ihr, dass es sich irgendwie reimt). Wenn alle plötzlich am Freitagabend weg sind, trample ich mit enormen Schub ins Leere. Bumm. Da lieg ich und sehe nur noch, wie sich die Räder in der Luft drehen.

Aber ich kann euch beruhigen. Ich falle nicht mehr so oft. Nach bald acht Jahren schaffe ich es manchmal auf den Rädern des Lebens zu bleiben und fröhlich ins Wochenende zu radeln. Nicht immer, aber immer öfter.