Du bist nicht allein (Gott wird Mensch)

„Du bist nicht allein.“

Das höre ich gern und muss es auch hören, aber was genau bedeutet es, wenn ich doch den grössten Teil meiner Tage, eben, allein verbringe, die meisten Entscheidungen doch alleine treffe, meinen Schmerz, meine Fragen, meine Unsicherheit, usw. alleine tragen muss.

Ja aber, werden die einen sagen, Gott…er ist doch da. Ja aber, werde ich darauf antworten, ich sehe ihn nicht, ich spür ihn nicht, und manchmal wenn alles schief geht, merke ich nicht einmal ansatzweise, dass er da ist. Und ich frage mich, muss das reichen? Muss es mir genügen, zu wissen und nicht zu spüren, dass Gott bei mir ist? Ist das die Antwort auf meine Einsamkeit, auf meine Fragen, auf meinen Schmerz, auf meine Last?

Ich weiss nicht, wie es dir damit geht, aber für mich muss Glaube und Vertrauen etwas mehr erlebbar sein, als nur im Kopf zu wissen, dass da ein Gott an meiner Seite ist. Wenn da schon ein Gott an meiner Seite ist, muss es doch irgendwas Greifbares geben. So stelle ich mir das wenigstens vor.

Ich will „du bist nicht allein“ erleben, nicht nur wissen.

Es gibt diese Momente in denen ich „du bist nicht allein“ ganz praktisch erlebe. Das geschieht im Austausch mit anderen Menschen, die sich Zeit nehmen mir zuzuhören, die meine Anliegen, meine Freude, aus meinem Erzählen heraushören, ernst nehmen und darauf reagieren, sei es mit ihrem Mitgehen, mit Antworten, praktischer Hilfe, einer Nachricht auf Facebook oder per Whats App (weil wir ja heute diese Möglichkeiten haben). Ich erlebe Gottes Nähe und Dasein in deiner Hand auf meiner Schulter, in deiner Umarmung, in deinem Lächeln, in deinem Nachfragen und in deinen freundlichen Worten.

Das wiederum ermutigt mich selber die Hand zu reichen, die Umarmung, das Lächeln, die ermutigende Worte und immer wieder Zeit zu schenken. Diese Geschenke sind grösser als die Verpackung. Wir schenken Würde – und wie will man das sonst verpacken? Schon immer waren wir es Gott wert, dass er sich in Fleisch und Blut einpackte, in ein greifbares Menschlein. Wir sind es heute immer noch wert!

So wird Gott immer wieder Mensch. Und ich bin nicht allein.

Alles hat seine Zeit

So zwischendurch, weil mir das ganze Gerede über Trennung gerade etwas viel wird (und euch vielleicht auch), schieb ich diesen Text hinein, den ich auf dem Heimflug von unseren Herbstferien in Amerika schrieb. Wir verbrachten dort mit meiner ganzen Familie (15 Leute plus noch weitere 14 Verwandte) eine ganz wunderbare Woche am Strand und ich war anschliessend noch mit meinen Kindern bei meinen Eltern zu Besuch.

Ich schaue diskret auf die linke Hand meines Sitznachbars: ein Ring am Ringfinger. Ich atme innerlich auf. Kein Druck.

Ich schaue diskret auf meine linke Hand: kein Ring am Ringfinger. Ich seufze. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Meine Mutter wünscht mir so sehr einen Freund, einen zukünftigen Partner. Sie versteht nicht, warum die Männer vor meiner Tür nicht Schlange stehen. Und ganz ehrlich, manchmal verstehe ich es auch nicht – andererseits bin ich manchmal genauso froh darüber, dass da keine Männer Schlange stehen. Aber ich verstehe meine Mutter.

Ich habe eine Freundin, eine alleinerziehende Mutter von zwei Jungs, der ich auch einen Freund, einen zukünftigen Partner wünsche. Ich verstehe nicht, warum die Männer vor ihrer Tür nicht Schlange stehen. Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mir schon lange diese wunderschöne, stilvolle, begabte, lustige, gebildete und äusserst kreative Frau geschnappt. Sie ist die beste Ferienbegleitung, die ich kenne.

Was soll man da sagen? Alles hat seine Zeit. Geboren werden, wie auch das Sterben. Das Zusammensein, wie auch das Alleinsein, einen Ring am Finger tragen, wie auch keinen Ring am Finger tragen.

Und es ist gut so. Als Alleinerziehende ohne Partner machen wir Erlebnisse, die wir sonst nicht machen würden. (Gute und schlechte, aber für etwas gut sind alle beide.) In den Worten meiner Freundin (die Schöne, Begabte und Kreative): „Eigentlich können die anderen neidisch auf uns sein und auf das, was wir durchgemacht haben…“ Das war ihre Antwort als ich ihr den Link zum Lied „Ein Hoch auf uns“ schickte und darauf hinwies, dass wir gerade durch unsere Notzeit so überreich beschenkt worden sind, besonders, aber nicht nur mit Freundschaften. Deshalb: „Ein Hoch auf uns“ und auf diese Zeit! Was wir haben, hat nicht jede(r). Und alles hat seine Zeit.