Ein Reden am See

Es gibt einen Psalm – das sind Lieder –  in der Bibel (Kapitel 46), der mich vor einigen Wochen gepackt hat – ausserdem ist er für ‚hohe Frauenstimmen‘ geschrieben, aber ich bin sicher, dass sich Männer auch angesprochen fühlen dürfen. Darin ist die Rede von Gott als Helfer, als Zuflucht und Schutz und dass er uns in Zeiten der Not seine Hilfe schenkt.

In diesem Lied kommt zum Ausdruck, dass Gott mit uns ist, auch wenn die Erde bebt, sodass Berge im Meer versinken – also krass – auch wenn die Wellen tosen und brausen, aber weil er so ein starker Gott und so um uns bemüht ist, werden wir von dem Chaos um uns herum nicht erschüttert und auch nicht verschüttet. (Ich weiss aus Erfahrung, dass es sich manchmal so anfühlt.) Am Schluss werden wir aufgerufen zu erkennen, dass er Gott ist und über allem steht.

Nun, wenn ich diesen Gott wirklich beim Wort nehme, müsste ich still werden und vertrauen. Aber kann ich wirklich vertrauen? Das ist so leicht gesagt und so schwierig umzusetzen. Ich kann wohl mit Worten sagen, dass ich Gott vertraue, aber wenn ich mich in Sorgen verliere, vertraue ich nicht wirklich.

Vor ein paar Tagen sassen die Kinder und ich am Tisch und merkten, dass wir uns alle zu viele Sorgen machten. Die Kinder machten sich Sorgen um ihre Zukunft, was sie als Beruf wählen sollen, ob sie überhaupt eine Arbeitsstelle finden würden, wie es in der Lehre weitergeht … und ich machte mir Sorgen um meine Kinder und wie ich mit all dem fertig werden sollte, was noch so alles auf uns zukommen würde. (Irgendwann muss es doch besser werden, oder???)

Überhaupt merkte ich, nachdem ich in letzter Zeit öfters mit schwierigen Situationen konfrontiert wurde, dass ich inzwischen in der Angst vor dem nächsten Hammerschlag lebe. Und, nein, so möchte ich nicht leben. Ich würde gerne schreiben, dass ich mich täglich gegen die Angst entscheide, aber ganz ehrlich, das schaffe ich nicht immer. (Nicht immer, aber immer öfter ;-)

Was ich dagegen wieder regelmässiger mache, ist mir bewusst zu werden, wofür ich dankbar bin. Und manchmal begegnet mir Gott ganz unverhofft, wenn ich es am wenigsten erwarte, wie neulich am See.

Ich war Joggen und die meisten Enten ruhten noch auf dem Sand. Kaum war ich am See angekommen, flog auch schon der Reiher über meinen Kopf und landete im seichten Wasser. Ich haben dem Reiher einen Namen gegeben: Mr. Heron. (Ich begrüsse ihn nämlich immer mit Namen.) Meine Gedanken kreisten um meine prekäre finanzielle Situation und um alles andere, was eine Familie mit drei Teenagern so beschäftigt. Ich muss kaum erwähnen, dass diese Gedanken nicht sehr erholsam waren. Aber da fing Mr. Heron schon an mit seinen langen, dünnen Beinen durch das Nass zu schreiten und sein Frühstück zu suchen. Ich grinste und hatte die Botschaft verstanden.

„Siehst du? Den Reiher und die Enten, die Spatzen und die Meisen, die versorge ich, schon früh am morgen. Du und deine Familie sind mir so unendlich mehr kostbar. Lass los und vertraue darauf, dass ich euch weiterhin versorgen werde, nicht nur mit Finanzen, sondern mit allem, was du jeden Tag brauchst: Weisheit, Geduld, Freude, Gutes, Entspannung, Freunde.“ Ende der Durchsage

„Gott ist in ihrer Mitte, darum wird sie niemals wanken; Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht.“

(aus der Bibel; Psalm Kapitel 46 Vers 6)

Was haben die Seligpreisungen mit mir zu tun?

Gott segnet die, die arm* sind vor Gott

… aber wir wollen uns keine Blösse geben und viel lieber geistliche Riesen sein.

Gott segnet die, die trauern

…aber wir wollen feiern und lieber nicht über das reden, was uns traurig macht.

Gott segnet die Sanftmütigen

…aber wir wollen lieber unsere Meinung sagen und uns selbst verteidigen.

Gott segnet die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten

…aber wir sagen, dass die Menschen in schwierigen Lebenssituationen nur das bekommen, was sie verdient haben.

Gott segnet die Barmherzigen

…aber wir wollen ganz, ganz sicher sein, dass das Gesetz Gottes bis auf’s i-Tüpfelchen eingehalten wird (wo kämen wir denn sonst hin?!).

Gott segnet die, die ein reines Herz haben

…aber für uns muss der äussere Schein unbedingt stimmen.

Gott segnet die, die sich um Frieden bemühen

…aber wir bemühen uns nur um Frieden mit denen, die so denken und handeln wie wir.

Gott segnet die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden

…aber wir werden verfolgt, weil wir unklug sind.

 

Leute, ich muss noch viel lernen.

 

* Was bedeutet dieses ‚arm‘ sein vor Gott? Weil ich das lange nicht verstanden habe, gebe ich euch die Erklärung weiter, die ich verstanden habe: Es bedeutet so zu sein, wie das Volk Israel in Ägypten war, nämlich, versklavt, gefangen, unterdrückt, krank, mittellos, fern von Gottes Absichten für sie als Volk. Man glaubt es kaum, aber denen ist Gott nah. Das waren Gottes Leute. Genau dieses Volk wollte er zu einem sicheren und guten Ort führen. Genau diese Leute wollte er segnen und sie gebrauchen, damit sie anderen Gutes tun könnten und damit andere sehen und erleben, wie er ist. Dieser Gott ist erstaunlich. Sucht sich die Schwachen aus. (Jetzt dürft ihr mal tief durchatmen. Ja, er meint auch dich. Und ich gebe zu, dass ich es selber immer wieder vergesse, dass er mich trotzdem meint, gerade wenn ich mich schwach und nutzlos fühle. Deshalb schreibe ich das alles ja eigentlich, um mich selber daran zu erinnern.)

Über Sonntagsfahrer am Mittwochmorgen

Vor mir kriecht ein Aargauer – ja muss denn der so langsam fahren? Ah, er biegt ab, aber jetzt habe ich einen kleinen Transporter vor mir, der auch nicht schneller fährt…jetzt biege ich ab und prompt fahre ich hinter einem St. Galler, der es auch nicht eilig hat und sich vermutlich in der Gegend nicht auskennt.

Heute komme ich besonders langsam vorwärts, dabei wollte ich diesmal nicht zu spät ins Fitness kommen (wie letzte Woche) und bin extra ein paar Minuten früher aus dem Haus, um in Ruhe den festgefrorenen Schnee (der inzwischen geschmolzen und wieder gefroren und daher eher als Eisschicht zu bezeichnen war) von der Windschutzscheibe zu kratzen. Das habe ich geschafft und jetzt kam ich doch nicht richtig vom Fleck.

Auf der letzten Geraden vor meinem Ziel war die Bahn endlich frei und ich schaute kurz auf die Zeit. Ja so was, ich bin super dran – trotz all den Sonntagsfahrern, die am Mittwochmorgen unterwegs waren. Und innerlich höre ich eine klare Stimme, die sagte: Siehst du, ich schaue schon, dass du rechtzeitig an dein Ziel ankommst. Mach’ dir nicht so viele Gedanken über die Autos (oder die Menschen!!), die dich davon abhalten so schnell wie du es möchtest an dein Ziel zu kommen. Ich seh’ das. Ich hab’ immer gleichzeitig dich und das Ziel im Auge und – ich erinnere dich gerne daran – bisher hast du deine Ziele immer rechtzeitig erreicht.

Aha.

Ich bog schwungvoll in den Parkplatz und wurde ganz still. Denn da hat jemand ganz viele Gedanken des Friedens über mir, er kennt meinen Weg und das Ziel, er weiss wie ich’s meine und er lässt mich nicht im Stich.

Das Foto

Ich fühlte mich allein, sehr unsicher, unwichtig, unsichtbar, wie das fünfte Rad am Wagen, wäre gern im Boden versunken, fragte mich, wie ich mit jemanden ins Gespräch kommen sollte und wie man schon wieder dieses Smalltalk macht. Ich klagte mich an, warum ich dieses „lockere“ Zusammensein so anstrengend empfand, warum mir nicht einfalle, was man zu Menschen sagt, die man nicht kennt und warum ich so introvertiert sei.

Ich schaute mir das Foto einer Frau an; sie war auch dort an demselben Ort wie ich. Ich sah ein strahlendes Lächeln, wache, aufmerksame und fröhliche Augen. Ich sah eine Entschlossenheit, als wäre ihr wohl in ihrer Haut, als wäre sei bei sich angekommen und glücklich. Eine gewisse Jugendlichkeit trotz ihrer bald 48 Jahre.

Die Frau auf dem Foto war ich.

Ruhe.

Es ist ruhig. Nach sieben Tagen Ferien (inzwischen sind es 14 Ferien- und 5 Schultage), in denen die Kinder praktisch rund um die Uhr um mich herum waren, sind sie für den Nachmittag ausgeflogen, tummeln sich im Wald; und es ist ruhig. R u h i g. Und wie ich gerade diese Ruhe geniesse. Ich sitze mit frisch gewaschenen und getrockneten Haaren vor einem Stück Kuchen und einer Tasse Tee am (aufgeräumten und endlich krümmelfreien) Esstisch und lese ein Buch. Ein Buch. Nicht nur schnell noch einen Artikel auf dem iPad. Nein, ein echtes, richtiges, handfestes Buch mit Papierseiten. (Freude herrscht!)

Und danach werde ich in aller Ruhe meine Nägel lackieren.

P. S. Die Ferienzeiten sind meistens der Grund warum ich zwischendurch mal länger nicht schreibe. Keine Ruhe = kein Schreiben.